Hillary Clinton und Donald Trump zeigen sich vor ihren Anhängern beide optimistisch, die Wahl für sich zu entscheiden. Kurz vor der Wahl wurden die Umfrageergebnisse knapper
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Mit Gebet und Bibel durch den US-Wahlkampf Am Dienstag wird sich entscheiden, ob die Demokratin Hillary Clinton oder der Republikaner Donald Trump ins Weiße Haus einziehen. Auf den letzten Metern des Wahlkampfs blickt Ansgar Graw auf die Rolle des christlichen Glaubens in der politischen Rhetorik beider Kandidaten zurück.
Er sammelt Bibeln, die er nach eigenen Worten in großer Zahl von Anhängern geschickt bekommt. Und obwohl er, Donald Trump, nicht jede Briefsendung aufbewahren könne, „würde ich auf keinen Fall eine davon wegwerfen, nein, ich würde nie irgendwas Negatives mit einer Bibel machen, darum behalten wir alle diese Bibeln“.
Sie bekennt sich augenzwinkernd zum gelegentlichen Stoßseufzer: „Oh Herr, warum hilfst du mir nicht, abzunehmen?“, und versichert, deutlich ernsthafter, der Versuch der Kommunikation mit Gott via Gebet sei ihr wichtig, und das habe sich seit ihrer Kindheit nicht geändert, sagt Hillary Clinton.
Beide sind Protestanten, die darum kämpfen, Präsident eines Landes zu werden, in dem die christliche Religion immer noch die Kultur prägt, auch wenn die Bindekraft ein wenig abnimmt: Donald Trump, der Bibelsammler, bekennt sich zum presbyterianischen Glauben, der ursprünglich schottischen Variante der reformierten Kirche. Er habe „über die Jahre eine gute Beziehung zur Kirche aufgebaut“, sagte der Immobilienmilliardär, der sich im November auf dem Ticket der Republikaner fürs Weiße Haus bewerben wird, 2012 dem Sender Christian Broadcasting Network: „Ich denke, Religion ist eine wunderbare Sache. Ich denke, meine Religion ist eine wunderbare Religion.“
Hillary Clinton, die Betende, gehört der methodistischen Kirche an, für die soziales Engagement wichtiger ist als der Disput um theologische Feinheiten. Ihr Glaube leite sie, so die Kandidatin der Demokraten und ehemalige Außenministerin 2015 beim Jahrestreffen der Frauenbewegung United Methodist Women Assembly, „eine Anwältin zu sein für Kinder und Familien, für Frauen und Männer weltweit, die unterdrückt und verfolgt werden, und denen die Menschenrechte und Menschenwürde bestritten werden“.
In den USA ist seit einigen Jahren eine Schwächung des religiösen Gedankens zu beobachten. Zwischen 2007 und 2014 ging laut einer repräsentativen Umfrage des Pew Research Center die Zahl der Erwachsenen, die sich als „religiös gebunden“ bezeichneten, sich also einer konkreten Kirche oder Glaubensrichtung zurechneten, von 83 auf 77 Prozent zurück. Unter den religiös ungebundenen Amerikanern sagten 2007 sieben von zehn, dass sie „an Gott glauben“. 2014 waren das nur noch sechs von zehn.
Christliches Bekenntnis als Strategie Trotz dieser veränderten Quoten leben in den USA weiterhin mehr Christen als in jedem anderen Staat der Welt. Rund 70 Prozent der Amerikaner bekennen sich grundsätzlich zum christlichen Glauben. Darum lässt sich ohne ein Bekenntnis zur christlichen Religion ein erfolgreicher Präsidentschaftswahlkampf in den USA weiterhin nicht führen. John F. Kennedy hatte 1960 immense Schwierigkeiten, weil er, der Katholik, nicht als „echter Christ“ angesehen wurde; und Kennedy musste darum per Statement versichern, er kandidiere als Amerikaner, nicht als Katholik, und er werde als Präsident gänzlich ungebunden sein in seinen Entscheidungen. Und noch 2008 musste Barack Obama, der den Mittelnamen „Hussein“ trägt und als Kind einige Jahre in Indonesien zur Schule gegangen war, mit viel Energie gegen das Gerücht kämpfen, er sei Muslim. Zudem trat er nach einer erbitterten Kontroverse aus der Trinity United Church in Chicago aus, weil deren pensionierter Pastor Jeremiah Wright in mehreren Predigten angedeutet hatte, die Terroranschläge auf das World Trade Center 2001 seien eine gerechte Strafe für amerikanische Verbrechen in der Welt gewesen.
Darum ist es für Trump und Clinton wichtig (und möglicherweise ja auch ehrlich), dass sie sich als gläubige Christen präsentieren. Allerdings hat Trump den Glauben Clintons in Zweifel gezogen. „Wir wissen nichts über Hillary in Bezug auf ihre Religion“, behauptete der Unternehmer im Juni vor einer Gruppe christlicher Meinungsführer in New York City. Er beschrieb das Christentum als eine Religion, die in den USA massiv angegriffen werde, und er trete an, um die Religionsfreiheit zu verteidigen – gegen die Terrororganisation ISIS, Hillary und andere.
Clinton: Vom Methodismus geprägt Doch Trumps These, Clinton habe sich selten bis nie über ihren Glauben geäußert, ist schlicht falsch. Bekannt ist, dass sie in einem methodistischen, durchaus konservativen Elternhaus aufwuchs. Dass sie als Kind in Chicago die First United Methodist Church von Park Ridge besuchte. Dass ihre Mutter an der dortigen Sonntagsschule lehrte, während Hillary in der Jugendgruppe aktiv war. Dort wurde in der Bibel gelesen, Altardienst verrichtet, und in der Erntesaison betreuten die Jugendlichen die kleinen Kinder von Wanderarbeitern in der Kommune.
Der junge Priester Donald Jones hatte einen starken Einfluss auf den Teenager Hillary. Er besuchte mit ihr und anderen Jugendlichen im Herbst 1961 eine Predigt seines Kollegen Martin Luther King Jr. Nicht alle Eltern ließen ihre Kinder zu dem „Unruhestifter“, schreibt Carl Bernstein in seiner Hillary-Clinton-Biografie „A Woman in Charge“. King erklärte den Jugendlichen damals in seiner Predigt: „Die Eitelkeit fragt: Ist das populär? Das Gewissen fragt: Ist das richtig?“
Laut Bernstein ist der „Methodismus, abgesehen von ihrer Familie, vielleicht die wichtigste Grundlage ihres Charakters“. Aber er erwähnt auch, dass während Clintons Jahren als First Lady im Weißen Haus mehrere Mitarbeiter der Meinung waren, „dass sie ihre Religion nutzte, um ihre Fehler zu verdecken. Einige sahen es als eine Maske an in ihrer Beziehung zum Ehemann“ Bill, von dem bekannt ist, dass er ein sehr tentatives Verhältnis zur ehelichen Treue pflegte. Bis heute ist die einstige Senatorin Mitglied der Bibel-Gruppe des Senats und besucht häufig den Gottesdienst in der Foundry United Methodist Church in Washington.
Die religiöse Überzeugung Trumps wurde von Papst Franziskus angezweifelt. Im Februar sagte das Oberhaupt der Katholiken bei einem Besuch in Mexiko: „Jemand, der nur an den Bau von Mauern denkt, wo immer sie auch sein mögen, und nicht an das Bauen von Brücken, ist nicht christlich. Dies ist nicht das Evangelium.“ Der Attackierte, dessen Sieg in den republikanischen Vorwahlen damals noch nicht sicher war, schoss scharf zurück. „Kein Führer, vor allem kein religiöser Führer, sollte das Recht haben, die Religion oder den Glauben eines anderen in Zweifel zu ziehen“, erklärte Trump und fügte hinzu: „Wenn und falls der Vatikan angegriffen werden sollte durch ISIS, was bekanntlich das ultimative Ziel von ISIS ist, dann, das kann ich versprechen, würde der Papst nur wünschen und beten, dass Donald Trump Präsident wäre.“
Bewerber überzeugen mit Religion kaum Bereits am nächsten Tag entschied sich der Präsidentschaftsbewerber für eine moderatere Tonlage. Der Papst, den er sehr bewundere, hätte sicher anders geurteilt, wenn er ausreichend informiert gewesen wäre: „Niemand hat ihn aufgeklärt über die Kriminalität, niemand hat ihn aufgeklärt über die Drogen, die reinkommen, und über die Wirtschaft, und eigentlich war er sehr freundlich.“ Soll heißen: Wäre der aus Argentinien stammende Papst aufgeklärt, würde er den Bau der Mauer zu Mexiko befürworten. Geschadet hat die Papst-Bemerkung Trump in einem Wahlkampf mit ständig neuen Themen sicher nicht. Gleichwohl werden die Kandidaten beider Großparteien von den Wählern als eher areligiös angesehen.
Bei Clinton sind 44 Prozent der Amerikaner dieser Ansicht, ergab eine Erhebung des Pew-Instituts. Knapp die Hälfte (48 Prozent) halten sie für religiös. Doch laut einer weiteren Pew-Umfrage gehen diese Werte zurück. Selbst Barack Obama, den vermeintlichen Muslim, schätzen mehr Menschen als „sehr oder einigermaßen“ religiös ein als Clinton.
Und Trump? Trotz seiner Versicherung bei einer Pressekonferenz im Januar, „Ich bin ein Christ, ich bin ein guter Christ“, galt Trump in jenem Monat als der am wenigsten religiöse Kandidat im damals noch größeren Bewerberaufgebot der Republikaner. Nur drei von zehn US-Bürgern hielten ihn laut Pew für „sehr“ oder zumindest „einigermaßen religiös“. 59 Prozent schätzen ihn hingegen als „nicht besonders“ beziehungsweise „überhaupt nicht“ religiös ein. Am besten schnitten in der Erhebung die damaligen Mitbewerber Ben Carson, Ted Cruz und Marco Rubio ab.
Ein wenig bibelfester Kandidat Trumps Image mag nicht nur auf seine harschen Forderungen etwa zum Bau der Mauer, zur Deportierung der elf Millionen illegalen Einwanderer oder zum Einreiseverbot für alle Muslime zurückzuführen sein. Für ebenso viel Skepsis unter Christen sorgen auch Einlassungen, die auf eine weitgehende Unkenntnis der Bibel hindeuten. So wusste er keine Antwort, als er im August 2015 in einem Bloomberg-Interview seine Lieblingsstelle aus der Bibel benennen sollte. „Ich möchte mich dazu nicht äußern“, sagte der Unternehmer darauf, „weil das für mich sehr persönlich ist.“ Und weiter: „Die Bibel bedeutet mir sehr viel, aber ich möchte nicht spezifischer werden.“ Auf die Frage, ob er das Neue Testament dem Alten vorziehe, reagierte Trump erneut wenig konkret. „Wahrscheinlich gleich. Ich denke, das ist einfach unglaublich“, ließ er ratlose Interviewer zurück.
In diesem April entschied sich Trump dann doch für eine bevorzugte Bibelstelle: „Auge um Auge“, davon „können wir so viel lernen“, sagte er im Interview mit dem Radio-Moderator Bob Lonsberry. Trump mag übersehen haben, dass Jesus in der Bergpredigt exakt diese Aufrechnung von „Auge um Auge, Zahn um Zahn“ für obsolet erklärt und stattdessen fordert, „dass ihr nicht widerstreben sollt dem Übel, sondern: wenn dich jemand auf deine rechte Backe schlägt, dem biete die andere auch dar“.
Für die republikanische Basis ist die christliche Verortung ihres Kandidaten besonders wichtig. Darum hat die Grand Old Party Mitte Juli in Vorbereitung des Nominierungsparteitags ein Parteiprogramm mit dezidiert konservativen Inhalten erarbeitet. Dazu gehört die Forderung, Politiker müssten sich bei der Gesetzgebung durch die Religion leiten lassen, damit „von Menschen beschlossene Gesetze konsistent sind mit den von Gott gegebenen Naturrechten“. Trotz der strikten Trennung von Staat und Religion solle die Bibel auch in öffentlichen Schulen studiert werden, weil das Verständnis ihrer Inhalte „unverzichtbar ist für die Entwicklung einer gebildeten Bürgerschaft“.
Der republikanische Kandidat Trump, das ist anzunehmen, wird mit einem solchen Programm gut leben können. Denn selbst sein Bestseller „The Art of the Deal“ (Die Kunst des Geschäfts) sei „nur die Nummer zwei nach der Bibel“, räumte er im Januar an der Liberty University in Lynchburg/Virginia ein. Für alle Bücher gelte: „Die Bibel pustet alles weg. Nichts kommt ihr gleich, der Bibel.“ (pro) http://www.pro-medienmagazin.de/politik/...ahlkampf-98209/ Dieser Artikel stammt aus der Ausgabe 4/2016 des Christlichen Medienmagazins pro. Bestellen Sie pro kostenlos unter der Telefonnummer 06441/915151, via E-Mail an info@pro-medienmagazin.de oder online.
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