Die jüdischen Wurzeln des Vaterunser-Gebets Veröffentlicht: 9. November 2016 | Autor: Felizitas Küble | Von Felizitas Küble
Der hl. Apostel Paulus warnte die ersten Christen schon vor zweitausend Jahren, daß sie sich nicht über ihre Glaubensverwandten, die Juden, erheben sollen. Immerhin, so schärfte der Völkerapostel der römischen Gemeinde ein, gelte hier das Prinzip: „Nicht du trägst die Wurzel, sondern die Wurzel trägt dich.“ (Röm 11,18)jesus in der synagoge von nazareth
Dieses Leitwort, daß nämlich das Christentum auf dem Bund beruht, den der ewige Gott mit seinem erwählten Volk geschlossen hat, ist in der Kirchengeschichte oft in Vergessenheit geraten oder gar mit Füßen getreten worden.
Dies soll jetzt aber nicht unser Thema sein; vielmehr geht es um den alttestamentlichen und jüdischen Inhalt des wichtigsten Gebetes der Christenheit: Das Vaterunser.
Es ist deshalb so bedeutsam, weil es von Christus selber stammt – und zudem eine Antwort auf die Apostelfrage „Wie sollen wir beten?“ darstellt.
Damit ist dann klar: SO sollen wir beten!
Geprägt vom Gebetsleben der Israeliten
Wenig überraschend, daß dieses bekannteste Gebet der Weltgeschichte ganz von der Gebetskultur der Israeliten geprägt ist. Immerhin war Jesus selber Jude, ebenso die Apostel und natürlich auch Maria, die Mutter Christi. Wie stark gerade ihr Beten von den Psalmen und Hymnen des Alten Testaments durchdrungen war, zeigt anschaulich ihr Lobgesang, das sog. Magnificat, das uns im Lukas-Evangelium überliefert wird.
Nun hören wir oft in Predigten und frommen Büchern, daß Jesus ein Jude „warP1020947“ – das ist aber ungenau formuliert, denn gerade nach christlichem Glauben ist ER dies nach wie vor, denn ER lebt im Himmel nicht als abstraktes Geistwesen, sondern durch seine Auferstehung auch mit einem verklärten Leib, ist also Mensch geblieben – und hat nicht etwa sein Menschsein bei der Himmelfahrt „abgelegt“.
Daß viele der Predigten und Weisheitslehren Jesu von der Hebräischen Bibel geprägt sind, zeigt sich allein schon anhand der zahlreichen Zitate aus dem AT, die im NT aufgelistet sind – ganz zu schweigen von den unübersehbaren indirekten Hinweisen und Anklängen.
Zurück zum Vaterunser-Gebet, dem TOP-Renner unter allen Gebeten der Christenheit – auch im liturgischen Hochgebet der katholischen Kirche ist es stets vertreten, in der „alten“ ebenso wie in der „neuen“ Messe; außerdem ist es fester Bestandteil des Rosenkranzes und des Stundengebetes der Mönche.
Juden und Christen sprechen GOTT als ihren „Vater“ an
Manchmal hört man in christlichen Kreisen die Ansicht, es sei etwas spezifisch Christliches, Gott als „Vater“ anzureden. Dies trifft aber nicht zu. Als Jesus das Vaterunser-Gebet verkündete, befand er sich in bester jüdischer Tradition mit der Einleitung: „Vater unser…“
Es ist zwar wohl so, daß Juden den Schöpfergott sehr häufig als „Ewiger“, „Erhabener“ oder als „König der Welt“ bezeichnen, aber manchmal eben auch als „Vater“. Dies gilt sowohl für die einstigen Israeliten wie auch für die heutigen Juden. Im AT wird Gott zB. in Jer 31,9 als „Vater“ bezeichnet oder mit „Unser Vater“ angesprochen (Jes 63,16 und 64,7). Aber auch Gott spricht von Israel als seinem „Sohn“ (etwa in Ex 4,22 oder Hos 11,1.3).013_10A
Das höchste jüdische Fest ist zweifellos Jom Kippur, der sog. „Große Versöhnungstag“, eine Art Buß- und Bettag – früher, als es den Tempel in Jerusalem noch gab, vertrat der Hohenpriester, der das Allerheiligste betreten durfte, das israelitische Volk.
Bei diesem Fest, an dem strikt gefastet wird, geht es also um Sündenbekenntnis, Umkehr und Bitte um Sündenvergebung, aber auch um die Versöhnung mit dem Nächsten, daher wohl auch der Name „Versöhnungstag“.
BILD: Kruzifix in der St.-Bernhard-Kirche von Münster: der gekreuzigte Christus mit einem jüdischen Gebetsschal
Eines der wichtigsten liturgischen Gebete an diesem Feiertag ist das Avinu Malkeinu – auf deutsch: Unser Vater, unser König!
Darin heißt es gleich eingangs: „Unser Vater, unser König, wir haben gesündigt vor dir.“ – Dann wird Gottes Huld erbeten „um seines Namens willen“. Am Schluß heißt es: „Unser Vater, unser König, aus Gnade erhöre uns, denn wir haben keine verdienstvollen Handlungen, erweise und Milde und Huld und hilf uns!“
Damit ist also der Beginn des VATER-unsers ebenso als jüdisch aufgezeigt wie jene Bitte um Vergebung und Erlösung („Vergib uns unsere Schuld….und erlöse uns von dem Bösen“).
Jüdisches Kaddisch-Gebet: „Geheiligt werde sein großer Name“
Erinnern wir uns aber auch an das bekannte jüdische Kaddisch-Gebet. Es wird oft als eine Art Totengebet angesehen, was nicht falsch, aber unzureichend ist, denn es wird zwar im Gedenken an Verstorbene gesprochen (gleichsam stellvertretend für diese), ist aber an sich ein allgemeines liturgisches Gemeindegebet in den Synagogen.
Das im Judentum grundlegende Kaddisch-Gebet beginnt mit den Worten: 100714052333-b1-
„Erhoben und geheiligt werde sein großer Name auf der Welt, die nach seinem Willen von Ihm erschaffen wurde – sein Reich soll in eurem Leben in den eurigen Tagen und im Leben des ganzen Hauses Israel schnell und in nächster Zeit erstehen.Und wir sprechen: Amen!….“
Damit sind die ersten Bitten des Gebetes Jesu ebenfalls von ihrer jüdischen Grundlage her beleuchtet:
„Geheiligt werde dein Name – dein Reich komme – dein Wille geschehe!“
Bedenken wir zukünftig bei jedem Vaterunser-Gebet die jüdischen Wurzeln unseres christlichen Glaubens! https://charismatismus.wordpress.com/201...erunser-gebets/ Felizitas Küble leitet den KOMM-MIT-Verlag und das Christoferuswerk in Münster, das dieses CHRISTLICHE FORUM betreibt
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