Hat sich der Papst schon verausgabt?
Der Reformeifer von Franziskus könnte erlahmen, Spannungen in der katholischen Kirche bleiben groß / Am Sonntag endet Heiliges Jahr.
Die Worte des Kardinals gingen beinahe unter. "Franziskus will, dass wir neue Wege gehen", sagte der langjährige Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Karl Lehmann, vor einer Woche in Freiburg. Und: "Manchmal muss man nicht erst darauf warten, bis sich der ganze große Tanker in Bewegung setzt." Der große Tanker, damit könnte Lehmann die schwerfällige römische Kurie gemeint haben, das Kirchenschiff an sich oder den agilen Mann auf dem Stuhl Petri. Papst Franziskus hat in den dreieinhalb Jahren viel in Bewegung gesetzt. Wenn dann, wie jetzt, vorübergehend Ruhe einkehrt, kommt rasch die Frage auf: Hat der bald 80 Jahre alte Papst sich schon verausgabt?
Am Sonntag verschließt Franziskus die heilige Pforte im Petersdom, das "Jahr der Barmherzigkeit" endet damit. Tags zuvor ernennt der Papst 17 neue Kardinäle aus aller Welt. Sogar die Republik Zentralafrika, Mauritius und Papua-Neuguinea haben künftig einen Purpurträger. Die künftigen Kardinäle stehen im Ruf, als Pastoren ein Ohr für die Anliegen der Gläubigen zu haben. Franziskus justiert damit die Stellschrauben für die Zukunft der katholischen Kirche, denn die rund 120 wahlberechtigten Kardinäle wählen schließlich eines Tages seinen Nachfolger. Doch in Rom wird die Frage lauter, ob mit dem Heiligen Jahr auch die Phase des päpstlichen Aktionismus zu Ende geht. International ist der Vatikan zwar präsent, das zeigen die päpstlichen Initiativen für Friedensverhandlungen in Ländern wie Kolumbien, Venezuela oder Kuba oder seine ökumenischen Begegnungen mit dem russischen Patriarchen Kyrill in Havanna und den Lutheranern zum Reformationsgedenken in Schweden.
Innerkirchlich ist die Lage komplizierter. Der Streit bei den Familiensynoden 2014 und 2015 ist auch nach der Veröffentlichung des päpstlichen Schreibens Amoris Laetitia nicht abgeebbt, im Gegenteil. Am Montag veröffentlichten vier Kardinäle einen Protestbrief gegen den Papst. "Wir haben eine ernste Verunsicherung vieler Gläubiger und eine große Verwirrung festgestellt", schreiben die Kirchenmänner. Dass Franziskus eine Abkehr von der bisherigen Lehre im Umgang mit wiederverheirateten Geschiedenen andeutet, kommt für sie einem Verrat am Evangelium gleich.
Unter den Unterzeichnern sind zwei Deutsche: Kurienkardinal Walter Brandmüller und der ehemalige Kölner Erzbischof Joachim Meisner. Außerdem unterschrieben ein US-Kardinal und der ehemalige Erzbischof von Bologna. Weil der Papst auf den im September im Vatikan abgegebenen Brief bisher nicht antwortete, machten die als besonders konservativ bekannten Kardinäle ihr Schreiben "aus tiefer pastoraler Sorge" nun öffentlich. Dahinter steckt Kalkül. Am Wochenende treffen sich die Kardinäle in Rom zum Schlussakt des Heiligen Jahres. Die vier Kardinäle wollen damit auch ihre Kollegen für die aus ihrer Sicht vom Papst verursachte "Verwirrung" der Gläubigen sensibilisieren. Für Verwirrung ist traditionellen Katholiken zufolge übrigens der Teufel höchstpersönlich verantwortlich.
Erst in zwei Jahren steht das nächste Großereignis an
Für die große Mehrheit dürfte allerdings die Frage drängender sein, ob Franziskus sein Pulver verschossen hat oder zumindest angesichts der Widerstände nun vorsichtiger agiert. Die Familiensynode brachte nicht das von ihm erwünschte Ergebnis, stattdessen sind die Gräben in der Kirche tiefer geworden. Päpstliche Initiativen zur Lockerung des Zölibats oder zur Frauenweihe hätten Sprengkraft, die Franziskus derzeit nicht lieb sein kann. Das von Franziskus gewählte Bild von der "Kirche als Feldlazarett", die sich eigentlich barmherzig der verwundeten Seelen annehmen soll, kann man heute auch anders verstehen. Die katholische Kirche leckt sich selbst die Wunden.
Erst in zwei Jahren steht mit der Synode zum Thema "Jugend, Glaube und Berufung" das nächste kirchliche Großereignis an. Das Thema der Berufung berührt auch die Frage, welche Rolle Laien, Frauen oder verheiratete Männer in der Kirche spielen könnten. Die für die Kirche explosive Frage des Diakonats der Frauen hat Franziskus einer Kommission anvertraut. Mit raschen Ergebnissen ist nicht zu rechnen. In dieser Situation könnten die Gegenreformer langsam wieder die Kontrolle über die Situation erlangen. Franziskus-Anhänger wie Karl Lehmann sind deshalb besorgt, der Schwung der Reformen könnte verpuffen, wenn die Bischöfe nicht die vom Papst geschaffenen Räume nutzen.
"Was hindert uns eigentlich daran, verheiratete Ständige Diakone, die einen großartigen Dienst in der Kirche leisten, auch zu weihen, damit sie auch priesterliche Dienste übernehmen können?", fragt Lehmann rhetorisch. Diese Entwicklung wäre der von den Traditionalisten befürchtete Anfang vom Ende des Zölibats. Für Franziskus wäre so ein Schritt womöglich eine große Erleichterung http://www.badische-zeitung.de/kommentar...-129890977.html
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