Papst Benedikt XVI. und Fatima – und einige Ungereimtheiten (1. Teil) 3. Januar 2017 0
Kardinal Tarcisio Bertone und sein Buch "Die Seherin von Fatima" mit "Ungeheuerlichkeiten" Von Wolfram Schrems*
Anläßlich des 100. Fatimajahres und im Zusammenhang mit bereits auf dieser Seite veröffentlichten Überlegungen soll hier die Rolle von Papa emeritus Benedikt XVI. im Fatima-Drama in den Blick genommen werden. Aufgrund der Fülle des Materials fokussieren wir uns auf einige wenige, aber maßgebliche Fakten. Eine solche Erörterung scheint dringlich. Viele haben ein starkes Bewußtsein von einer ablaufenden Gnadenfrist. Der emeritierte Papst geht auf seinen 90. Geburtstag zu.
Und höchstwahrscheinlich spürt auch er, in Bezug auf Fatima noch etwas sagen und tun zu sollen – oder zu dem derzeitigen Chaos in der Kirche. Denn der damalige Kardinal Ratzinger schien etwa im Jahr 1984 noch ein erheblich tieferes Problembewußtsein bezüglich des katastrophalen Zustandes der nachkonziliaren Kirche gehabt zu haben als später und er brachte das auch mit dem „Dritten Geheimnis“ in Verbindung.
Es sei festgehalten, daß die im folgenden geäußerte Kritik kein Selbstzweck ist. Sie beinhaltet den Respekt vor Amt und Person des emeritierten Papstes. Sie ist auch deswegen für den Autor dieser Zeilen schmerzlich, weil er, wie viele andere, mit dem Amtsantritt von Papst Benedikt im Jahr 2005 große Hoffnungen verbanden.
Das Gut der Wahrhaftigkeit verlangt aber deutliche Worte, besonders angesichts der apokalyptischen Vorgänge in Kirche und Welt.
In drei Teilen soll auf folgende Themen eingegangen werden: (1) auf Kardinal Bertones Buch „Die Seherin von Fatima“ und die dort veröffentlichten Ungeheuerlichkeiten der beiden Autoren, (2) auf die Erklärung von Kardinal Ratzinger vom 26.06.2000 zum „Dritten Geheimnis“ von Fatima, (3) auf die Selbstzensur in einer „konservativen“ katholischen Publizistik.
Sinn und Zweck dieser Ausführungen ist es, den Sinn für die Botschaft Fatima zu wecken und zu ihrer Befolgung in Gebet und Sühne anzuregen. Damit ist die Hoffnung verknüpft, auch Leser im Klerus und in der Hierarchie zu erreichen. Die Ausführungen sind auch ein (von Dr. Maike Hicksons Brief an Papst em. Benedikt XVI. inspirierter) Versuch, den emeritierten Papst zu angemessenen Stellungnahmen im derzeitigen Chaos zu ermutigen.
Kardinal Tarcisio Bertones Schwindelbuch: Die Seherin von Fatima
Anlaß der Ausführungen ist eine Auswertung von Kardinal Tarcisio Bertone, Die Seherin von Fatima – Meine Gespräche mit Schwester Lucia, Heyne, München 2009 (ital. Original 2007).
Bertones Buch „Die Seherin von Fatima“ Zu diesem Buch hat Papst Benedikt ein Vorwort beigesteuert. Auch der theologische Kommentar des damaligen Kardinals Joseph Ratzinger zum „Dritten Geheimnis“ vom 26. Juni 2000 ist abgedruckt.
Der Heyne-Verlag, ein weltlicher Verlag, der die deutsche Ausgabe besorgte, schreibt am Buchrücken:
„Im Mai 1917 sollen drei Hirtenkinder auf einem Feld bei Fatima Marienerscheinungen erlebt haben.“ Das sagt doch schon sehr vieles aus.
Papst Benedikt hat es anläßlich seiner Wahl gewußt, daß es „Wölfe“ gibt, die ihm das Leben schwer machen würden. „Betet, daß ich nicht vor den Wölfen fliehe“, sagte er damals. Angesichts dessen stellt sich die Frage: Wie muß man dann diese merkwürdige Abdankung verstehen? Als Flucht?
Ein genauerer Blick auf seine Aussagen zum Thema Fatima zeigen aber erschreckende Dinge. Offensichtlich brachte auch er den Botschaften nicht die nötige Zustimmung entgegen. Denn auch unter seinem Pontifikat wurden die Sühnesamstage nicht gefördert, geschweige denn die Rußland-Weihe endlich durchgeführt.
Sagen wir es unumwunden:
Das Buch, das Kardinal Bertone mit Interviewer Giuseppe di Carli geschrieben hat, ist ein einziger Schwindel. Daß Benedikt XVI. hier mitgewirkt hat, zeigt eine Krise des Papsttums. Hier gibt es eine untergründige Störung, die noch nicht behoben ist.
Um es kurz zu sagen: Kardinal Bertones Erklärungen und Erzählungen atmen nicht den Geist von Fatima. Er scheint gar nicht daran zu glauben, sein Compagnon di Carli auch nicht.
Unterminieren der Glaubwürdigkeit der Fatimabotschaft durch den Interviewer
Einige Beispiele aus der Einleitung von Gesprächspartner Dr. di Carli und kurze Entgegnungen:
„[Francisco] verdanken wir ein Gebet, das Eingang in den Rosenkranz gefunden hat [nämlich den Zusatz „O mein Jesus…“]“ (30). Das ist falsch. Nicht Francisco hat das erfunden, es wurde von der Muttergottes geoffenbart.
„Bußübungen“ als die „Lieblingsspiele“ der Seherkinder zu bezeichnen (31), ist degoutant. Eigentlich ist es eine frivole Verhöhnung der Seherkinder. Diese Bußübungen waren kein Kinderspiel. Im „Dritten Geheimnis“ ist nicht von einem „Versuch“ (32), den in Weiß gekleideten Bischof zu ermorden, die Rede, sondern von einer Ermordung. Daß sich Jacinta in den Heiligen Vater „verliebt“ haben sollte (33), ist wiederum eine Frivolität, die der Ernsthaftigkeit der jungen Seherin und ihrer Absichten nicht gerecht wird. Und so weiter, und so fort.
Das ist also der Co-Autor von Kardinal Bertone (und nach der Frage auf S. 132, ob Sr. Lucia dem Kardinal prophezeit hätte, ob er Staatssekretär werden würde, offenbar nicht frei von Schmeichelei). Was aber soll man von einem Autor halten, der die Studien u. a. von Yves Congar, Karl Rahner und Eugen Drewermann (!) als maßgeblich betrachtet (20)?
Kardinal Bertone als Beispiel für die angekränkelte Hierarchie unserer Zeit
Der Text des Kardinals selbst würde eine eigene ausführliche Untersuchung verdienen.
Hier aber nur in Kürze: Er ist das Zeugnis eines Kirchenmannes, der nicht an Fatima glaubt und die Botschaft von Fatima bei den Gläubigen unterminiert. Zudem bleibt zweifelhaft, was Sr. Lucia wirklich gesagt hat. In keiner Weise passen die Bertoneschen Berichte über Sr. Lucia mit dem Interview, das Sr. Lucia am 26. Dezember 1957 P. Augustin Fuentes gegeben hat, zusammen.
Sr. Lucia Santos Bertone pflegt einen unernsthaften Tonfall. Er paßt nicht zum Ernst der Dinge.
Es finden sich auch sachliche Fehler. So wußte Bertone offenbar nicht, daß Francisco bei den Visionen keine Audition erhielt (68). Die beiden Mädchen mußten ihm die Worte der Muttergottes mitteilen.
Der Interviewer di Carli legt mit Worten Umberto Ecos (!) und C. G. Jungs (!) nahe, daß die Niederschriften von Sr. Lucia unzuverlässig seien, weil sich Geschautes mit Interpretationen vermischt habe. Frivolerweise ergänzt der Interviewer mit der schon längst widerlegten pseudo-wissenschaftlichen Meinung der Spätdatierung der Evangelien: „Meiner bescheidenen Ansicht nach ist das entfernt auch mit den Evangelisten vergleichbar, die ihre Schriften eine ganze Weile nach Jesu Tod und Auferstehung verfaßt haben. Und auch Jesu Auferstehung wird als eine ‚Erscheinung‘ beschrieben“ (70).
Kardinal Bertone antwortet ungerührt: „Zweifellos“, und setzt nach: „Oft beklagte [Sr. Lucia], dass sie mit den Daten unsicher sei. Weder noch Jacinta und Francisco waren in der Lage, die Wochentage, Monate oder Jahre zu bestimmen“ (71). Die Seherkinder erinnerten sich im Gegenteil aber sehr gut an die Ereignisse! Aber der Kirchenmann sät Zweifel und verteidigt auch die zeitnahe Verfassung der Evangelien nicht: Wenn die Evangelien schon höchstwahrscheinlich nicht ganz zuverlässig sind, wird es Sr. Lucia wohl auch nicht sein.
Der Kardinal sagt dann zum Motiv des Papstes, das „Dritte Geheimnis“ im Jahr 2000 (im Anschluß an die Seligsprechung von Jacinta und Francisco) zu veröffentlichen1, es seien die „Fatimisten“ gewesen, die extrem hohen Druck ausgeübt hätten. „[M]an wollte keine Krise hervorrufen, das wäre nur Wind auf die Mühlen von Legionen lauernder Katastrophisten gewesen, hätte die absurdesten Thesen heraufbeschworen“ (72). „Fatimisten“ und „Katastrophisten“ – was für eine Wortwahl für einen Kardinal!
Pater Augustin Fuentes Bertone vergaß offenbar das psychologische Gesetz, daß die Geheimhaltung einer Sache diese noch interessanter macht. Warum wird überhaupt geheimgehalten? Warum alle die Eiertänze und die Wortakrobatik? Warum nicht die Veröffentlichung des Textes der Vision gleich nach dem 13. Mai 1981, wenn es ohnehin nur um das Attentat von 1981 gegangen sein soll?
Kardinal Bertone hält eben daran fest, daß die Vision von der Ermordung des „weiß gekleideten Bischofs“ das Attentat darstellen soll – und das, obwohl er den Widerspruch zu den Ereignissen selbst anerkennt! Er erklärt den Widerspruch aber weg: „Eine Prophezeiung, selbst wenn sie apokalyptisch ist oder eine Katastrophe voraussagt, kann, wie Kardinal Ratzinger einleuchtend erklärt hat, gar nicht unabwendbar sein“ (82). Das ist als Grundsatzaussage einerseits und als konkrete Anwendung auf den 13. Mai 1981 andererseits problematisch. Vorhergesagte Katastrophen können allenfalls abgemildert werden. Daß sie „gar nicht unabwendbar“ wären, ist bestimmt keine Aussage, die sich auf die Bibel berufen könnte. Andererseits ist ja aus den vatikanischen Dikasterien kein entschiedener Bußruf an die Gläubigen bekannt – auch von den Päpsten nicht! Man glaubte also nicht an die Dringlichkeit des Bußaufrufes von Fatima oder nahm ihn auf die leichte Schulter. Es gibt also auch keinen Versuch zur Abwendung oder zur Abmilderung der prophezeiten Katastrophen seitens der Hierarchie!
Resümee
Um hier den Leser nicht über Gebühr zu strapazieren, fassen wir zusammen: Kardinal Bertone bleibt wortreich und vage, vieles klingt nach Ausflüchten, manches ist frommes Gerede bzw. fideistische Ausflucht. Scharf wird der Tonfall nur, wo er beispielsweise das hervorragend recherchierte Buch von Antonio Socci, Das vierte Geheimnis von Fatima, kritisiert, das der Interviewer dreisterweise als „Pamphlet“ denunziert (99). Dem schließt der Kardinal eine überraschend unruhige Zurückweisung der (an sich ja hervorragend begründeten) Mutmaßung an, im „Dritten Geheimnis“ könnte es um eine Apostasie in der Kirchenhierarchie gehen. Er leugnet das etwas zu heftig – angesichts dessen, was wir seit Johannes XXIII. erleben.
Er leugnet auch zu wortreich, daß es Worte der Muttergottes zu dieser Vision gegeben haben soll.
Das ist rein psychologisch nicht glaubwürdig.
Weiterhin bezieht sich Kardinal Bertone positiv auf den sinistren Enzo Bianchi von Bose (153) und legt an verschiedenen Stellen nahe, daß er an ein übernatürliches Eingreifen Gottes gar nicht glaubt (z. B. 141, sehr unklar 145), und daß er die anderen Religionen auch für irgendwie respektabel hält, etwa den Islam („Der Groll gegen den Islam, den viele im Herzen tragen, muß ausgemerzt werden, trotz der Gefährdung des Lebens vieler Christen.“ [!] 172).
All das zeigt, daß Kardinal Bertone, immerhin einst Sekretär der Glaubenskongregation und danach Kardinalstaatssekretär, eine sehr zweifelhafte Beziehung zum überlieferten Glauben der Kirche hat. An das Wesen der Fatimabotschaft glaubt er offenbar nicht und seine Wortkaskaden zum „Dritten Geheimnis“ sind suspekt – um das Mindeste zu sagen.
Und in diesem Buch befinden sich zwei Texte von Benedikt XVI.
Dazu im nächsten Teil.
*MMag. Wolfram Schrems, Theologe, Philosoph, Katechist http://www.katholisches.info/2017/01/03/...theiten-1-teil/ Bilder: Infovaticana/Fatima.org (Screenshots)
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