Attentat in Jerusalem: War junger Palästinenser „Sympathisant“ des Islamischen Staates (IS)? 9. Januar 2017
LKW-Attentat gegen israelische Soldaten in Jerusalem. Was aber hat der Islamische Staat (IS) damit zu tun?
(Jerusalem) Israels Ministerpräsident Netanyahu sagte: „Alle Elemente“ weisen darauf hin, daß der 28 Jahre alte Palästinenser Fadi Qunbar ein Unterstützer der Dschihad-Miliz des „Kalifen“ war. Beweise für seine Aussage legte Netanyahu allerdings nicht vor. Am Sonntag hatte Qunbar einen Lastwagen in eine Gruppe israelischer Soldaten gelenkt. Vier Soldaten wurden dabei getötet, 17 weitere verletzt. Qunbar wurde von Sicherheitskräften erschossen. Nimmt Israel eine Kurskorrektur gegenüber dem Islamischen Staat (IS) vor? Beobachter, darunter die Franziskanerkustodie des Heiligen Landes, schlossen bisher eine geheime Unterstützung des Islamischen Staates durch Israel nicht aus. Der IS habe bisher jede Art von Feindseligkeit gegen Israel und Juden insgesamt vermieden. Deshalb staunen Beobachter über den Zusammenhang, den Netanyahu nach dem Attentat herstellte.
„Alle Elemente“ der Ermittler zeigen, so Premier Benjamin Netanyahu, daß der junge Palästinenser Fadir Qunbar, der am Steuer des LKWs saß, der – nach dem Vorbild ähnlicher LKW-Attentate in Nizza und in Berlin – Sonntagmittag in Jerusalem in eine Gruppe von Soldaten raste, ein „Sympathisant“ der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) war. Netanyahu wollte jedoch die Beweise für seine Aussage nicht öffentlich bekanntgeben.
Der Attentäter sei der 28 Jahre alte Fadi Qunbar aus dem Stadtteil Jabel Mukaber in Ost-Jerusalem, der in unmittelbarer Nähe des Attentatsorts liegt. Nachdem er die israelischen Soldaten angegriffen hatte, wurde er – auch in diesem Punkt vergleichbar den Attentaten von Nizza und Berlin – von den Sicherheitskräften erschossen.
Krisensitzung: Israels Regierung beschließt Sicherheitsverwahrung „ohne Prozeß“
Nach einer Krisensitzung beschloß die israelische Regierung eine Sicherheitsverwahrung „ohne Prozeß“ für Unterstützer und Sympathisanten des Islamischen Staates (IS). Kritiker äußerten Zweifel, daß eine Reduzierung rechtsstaatlicher Standards ein geeignetes Mittel zur Bekämpfung des Terrorismus sei.
Beim Attentat kamen vier Soldaten ums Leben, drei Frauen und ein Mann, die aller kaum mehr als 20 Jahre alt waren. Hinzu kommen 17 Verletzte. Eine Überwachungskamera hielt den Moment des Angriffs fest. Der LKW raste mit hoher Geschwindigkeit direkt in die Gruppe der Soldaten. Der Fahrer legte den Rückgang ein und fuhr ein zweites Mal über die Opfer.
In einer Erklärung der israelischen Streitkräfte wurden die Namen der Todesopfer veröffentlicht. Es sind Yael Yekutiel, 20 Jahre, Shir Hajaj, 22 Jahre, Erez Orbach, 20 Jahre, und Shira Tzur, ebenfalls 20 Jahre.
In den Stunden nach dem Angriff führte die israelische Polizei Razzien im besetzten Ost-Jerusalem durch und verhaftete neun Personen, darunter fünf Familienmitglieder Qunrabs.
Netanyahu sprach bei seinem Besuch des Attentatsortes von einer „Verbindung“ zwischen den Vorfällen in Frankreich und in der Bundesrepublik Deutschland und dem Ereignis von gestern in Jerusalem. Polizeichef Roni Alseich fügte hinzu, daß der Anschlag in Berlin weitere „Motive“ geliefert habe.
Die militante Palästinenserorganisation Hamas, die den Gaza-Streifen kontrolliert und von den USA und der EU als Terrororganisation eingestuft ist, begrüßte das Attentat und feierte den Attentäter als Helden. Hamas-Sprecher Abdul-Latif Qanou sprach von einer „heroischen“ Geste, die andere Palästinenser „ermutigen“ solle, „den Widerstand zu verstärken“.
Israelisch-palästinensisches Gewaltklima
Der Vorfall fällt in ein seit dem Oktober 2015 herrschendes Gewaltklima, das durch eine Reihe von Provokationen von ultra-orthodoxen Juden ausgelöst wurde, die auf dem Tempelberg vor den Moscheen beten wollten, der vom ganzen Islam als heilig betrachtet wird.
Seither haben sich die Zwischenfälle in Israel und den besetzten Palästinensergebieten im Rahmen der sogenannten „Messer-Intifada“ vervielfacht. Mindestens 35 Israelis wurden seither durch Messerattacken, Auto- und LKW-Angriffe oder Schußwaffen getötet. Gleichzeitig wurden mehr als 200 Palästinenser getötet.
Im Jahr zuvor war es 2014 zur israelischen Operation Protective Edge gekommen, nachdem drei israelische Jugendliche im israelisch besetzten Westjordanland entführt und ermordet worden waren. Kurz darauf entführten und ermordeten israelische Juden als „Vergeltungsmaßnahme“ einen jungen Palästinenser. Die darauf folgenden schweren Unruhen und die israelische Militäroperation forderten bis Ende August 2014 laut israelischen Angaben 73 Tote auf israelischer Seite (davon sieben Zivilisten) und mehr als 2.000 Tote auf palästinensischer Seite (davon fast die Hälfte Zivilisten).
Für die Palästinenserführung im Westjordanland ist die jüngste Gewaltwelle Ausdruck einer wachsenden Frustration über die Besatzungspolitik der derzeitigen israelischen Regierung.
Kustos des Heiligen Landes: „Anti-Assad-Milizen vom Pentagon unter Einbindung Israels in Jordanien ausgebildet“
Netanyahus Behauptung, es gebe beim Attentat in Jerusalem eine „Verbindung“ zum Islamischen Staat (IS), deutet eine noch nicht entzifferbare Kursänderung an.
Der IS steht spätestens seit dem Sommer 2014 auf dem Golan und ist damit direkter „Nachbar“ Israels. Bei syrischen Luftangriffen gegen islamistische Stellungen wurde am 27. August 2014 durch ein verirrtes Geschoß ein israelischer Offizier verletzt. Kurz zuvor wäre das Anlaß für eine ernste diplomatische Verstimmung, wenn nicht sogar eines militärischen Gegenschlages durch Israel gewesen. Israel verhielt sich gegenüber dem IS jedoch auffallend ruhig.
Der Kustos der Franziskanerkustodie des Heiligen Landes, Pater Pizzaballa, heute Weihbischof des Lateinischen Patriarchats von Jerusalem, sagte damals in einer Erklärung der Kustodie, daß dieses Stillhalten damit zu tun habe, daß Israel nicht unwesentliche Mitverantwortung an der Stärke der Islamisten und des Kalifats trage. Anti-Assad-Kämpfer seien nämlich „in vielen Fällen durch die entscheidende Unterstützung der USA, Jordaniens und auch Israels ausgebildet“ worden, so die Franziskanerkustodie, die sich dabei unter anderem auf israelische
Militäranalysten (Debkafiles) berief. Die zentrale Entscheidungsstelle für „Ausbildung, Bewaffnung und Finanzierung der Anti-Assad-Milizen“ befinde sich in der jordanischen Hauptstadt Amman. Errichtet wurde sie unter Barack Obama vom amerikanischen Pentagon, doch seien dort auch israelische Offiziere maßgeblich eingebunden, so die Kustodie. Ähnlich hatte sich Kustos Pizzaballa bereits am 24. August 2014 beim CL-Meeting in Rimini, also wenige Tage vor dem Zwischenfall am Golan, geäußert.
Ändert Israel Kurs gegenüber dem IS?
Obwohl der Islamische Staat (IS) Terroranschläge auf allen fünf Kontinenten verübt, unterließ er bisher penibel jede Feindseligkeit gegen Israel. Beobachter schließen es nicht aus, daß der LKW-Angriff von einem palästinensischen Trittbrettfahrer der LKW-Attentate von Nizza und Berlin verübt wurde. Darauf deute auch hin, daß sich der IS nicht zum Attentat bekannte, das hingegen von Hamas gefeiert wurde. Ein Zusammenhang mit dem Islamischen Staat (IS) müsse genau untersucht werden und habe bis zum Beweis des Gegenteils als unwahrscheinlich zu gelten.
Die bisherige Haltung der israelischen Regierung und Sicherheitskräfte gegenüber dem Islamischen Staat (IS) macht es so erstaunlich, daß Premierminister Netanyahu unerwartet einen nicht direkt erkennbaren Zusammenhang zwischen dem Attentat in Jerusalem und der Dschihad-Miliz herstellt. Beobachter schließen nicht aus, daß es sich um einen Vorwand handelt, um härter gegen Palästinenser vorgehen zu können.
Auch ein Zusammenhang mit neuen Korruptionsvorwürfen gegen Netanyahu wird nicht ausgeschlossen, der den angeschlagenen Premierminister zu einem „sicherheitspolitischen“ Befreiungsschlag dank der Chiffre IS veranlassen könnte.
http://www.katholisches.info/2017/01/09/...hen-staates-is/ Text: Andreas Becker Bild: Asianews
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