Bollwerk der Freiheit
Andreas Püttmann zu Kirche und Kanzlerin Standpunkt | Bonn - 24.01.2017
Angela Merkel hat ein langes Sündenregister bei Katholiken, die sich zu den Treuesten der Treuen ihrer Kirche zählen. Kardinal Meisner trieb sie öffentliche Falten auf die Stirn mit ihrer Auskunft, sie nutze den Sonntag "zum Ausschlafen und zum Nachdenken". Für Christen sei der Sonntag doch auch "der Tag der Feier des Glaubens"! Als Redner zu ihrem Fünfzigsten wählte sie den Hirnforscher Wolf Singer, Stiftungsbeirat der kirchenfeindlichen Giordano-Bruno-Stiftung. In Straßburg erklärte sie die Toleranz zur "Seele Europas" – was für Adenauer noch das Christentum war. Auch der unnötig brüskierende Parteitagsbeschluss zur embryonalen Stammzellforschung und die auffällige "Protestantisierung" der CDU-Bundesspitze sorgten für Irritationen schon bevor Merkel bei einer Pressekonferenz mit einem muslimischen Autokraten geplant den deutschen Papst wegen eines geistlichen Gnadenakts maßregelte. Tausende verließen in den Wochen danach die CDU. Auch ich. Und heute? An Amt und Herausforderungen gewachsen, stemmt sich die Kanzlerin als christlich-liberales Bollwerk dem autoritären Rollback im In- und Ausland entgegen: in Aufgeregtheiten versachlichend, empathisch, pflichtbewusst, frei von Eitelkeit und Affären, mit beachtlichen "Steherqualitäten". Das katholische Deutschland hat sie damit – bis auf jene Trump-, Putin- und Kaczynski-Geneigten, die sich auch am Papst reiben – wieder versöhnt. Deutlich wurde dies gestern am demonstrativ herzlichen Applaus beim Würzburger Diözesanempfang. Im Reich der CSU. Am 1. Februar wird sie in Stuttgart mit dem Eugen-Bolz-Preis für praktizierte christliche Verantwortung in der Politik ausgezeichnet. Laudator: Kardinal Marx. Der Namensgeber, ein klarsichtiger und standhafter Katholik, wurde 1945 von den Nationalsozialisten ermordet. Der Wandel der Zeit erfordert eine Neujustierung der politisch-ethischen Prioritäten und Loyalitäten, wenn man seinen Werten treu bleiben will. Themenreduzierte Katholiken auf alten Trampelpfaden oder im Lager-Schützengraben festgefroren, begreifen das nicht. Präsident Obamas letzter Anruf galt der Kanzlerin, als wolle er die Fackel der Freiheit an sie als Hoffnungsträgerin des freien Westens übergeben. Merkels CDU ist Adenauers CDU der Fünfzigerjahre weit ähnlicher als die mit Rechtsextremen paktierende AfD. Deren neurechte Irrlichter führen in die Zwanzigerjahre zurück, zur "Konservativen Revolution", die die Weimarer Demokratie sturmreif schoss – mit reaktionären Rechtskatholiken an vorderster Front. Wer heute wieder die Devise: "Keine Freiheit für den Irrtum!" in Kirche und Staat etablieren will und dazu mit den unbelehrbaren Rechten paktiert, der muss auf ein kämpferisch-katholisches: "Nicht mit uns!" stoßen. "Wir wählen die Freiheit!" (Adenauer). Auch an den Urnen 2017. Von Andreas Püttmann[ http://www.theeuropean.de/andreas-puettmann
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