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  • 24.04.2017 00:15 - Vergewaltigt, gedemütigt, auf der Flucht: Die Geschichte des Mädchens Angelina
von esther10 in Kategorie Allgemein.

Vergewaltigt, gedemütigt, auf der Flucht: Die Geschichte des Mädchens Angelina

Heute, 08:16 Uhr
Beitrag von Jenny Schuckardt
Der Tag, an dem sich Angelinas Leben für immer ändern sollte, war ein Tag wie jeder andere. Es war Sommer in dem Land am Horn von Afrika und die Sonne brannte schon am Morgen so heiß, dass man besser den ganzen Tag im Schatten verbrachte, als sich der Gluthitze auszusetzen.

Auszug aus "Beyond Survival", Flüchtlingskinder erzählen ihre Geschichte.


Vierzehn Jahre alt war Angelina damals. Wie immer aß sie mit großem Appetit, was die Mutter gekocht hatte. Große Portionen waren es nicht, denn die anderen Familienmitglieder mussten auch satt werden.

2Meine Mutter hatte Canjeero gemacht, dazu Eier in einer Tomatensauce. Ich wusste, dass ich das lange nicht mehr essen können würde, deshalb habe ich ganz schön viel gegessen."

Angelina hatte sich entschlossen, an diesem Tag zu fliehen. Sie wollte Somalia verlassen, ihr Zuhause verlassen. Sie wollte nach Europa gehen und dort eine Chance auf ein gutes Leben haben.

Angelinas Familie ist arm, sie ist das älteste Kind, hat noch einen kleinen Bruder und fünf kleine Schwestern. Zu essen gab es immer nur das Nötigste, das Mädchen musste seiner Mutter mit den jüngeren Geschwistern helfen, dem Vater beim Hüten der wenigen Ziegen, die ihm geblieben sind.

"Viele Ziegen sind verdurstet, weil es nicht genug Wasser gibt." Angelina musste jeden Tag sehr früh aufstehen und mit einem Kanister zur Wasserstelle gehen, damit die Tiere verpflegt werden konnten. 2011 erlebte Somalia die schlimmste Dürreperiode seit sechzig Jahren. Damals flohen nach Schätzungen der Vereinten Nationen täglich fast viertausend Menschen vor der schweren Hungersnot aus dem Land. Brunnen versiegten, die Vorräte waren aufgebraucht, Tiere starben reihenweise. Besonders hart traf es die Viehzüchter, da sie zusehen mussten, wie ihre Tiere ihnen qualvoll verendeten.

Alle mussten mit anpacken, damit es irgendwie für die Familie zum Überleben reichte.

"Manchmal hat mich mein Vater losgeschickt, um Feuerholz zu holen. An eine Stelle, zu der ich sehr weit laufen musste. Und ich musste sehr vorsichtig sein vor Männern mit Macheten."

Zeit für Hausaufgaben, zum Spielen oder Träumen blieb Angelina nicht. Gerne wäre sie länger in die Schule gegangen und Lehrerin geworden, doch ihr Vater hat es nicht erlaubt. Schule, Arbeit, ein gutes Einkommen – von diesen Dingen konnte das Mädchen nur träumen.

Auch anzuziehen, was ihr gefiel, war für Angelina nicht möglich. Die islamistische Al-Shabaab-Miliz, die viele Regionen in Ostafrika terrorisiert, verbietet Kleider im westlichen Stil. Frauen müssen Kleidung tragen, die so weit geschnitten ist, dass die Körperkonturen nicht deutlich hervortreten, auch die Haare mussten bedeckt sein.

Was ist Flucht?

Die Al-Shabaab-Kämpfer verüben Anschläge in Kenia, Somalia und im Südsudan und kontrollieren mehrere ländliche Regionen. Sie gehören zum Terrornetzwerk Al-Qaida und haben sich zum Ziel gesetzt, ihre ostafrikanischen Landsleute gegen den Westen zu mobilisieren und einen islamischen Gottesstaat zu errichten.
Zudem wird Somalia seit dem Sturz des letzten Diktators Siad Barre 1991 von blutigen innerstaatlichen Konflikten erschüttert, insbesondere in Zentral- und Südsomalia herrschen Bürgerkrieg und Anarchie.

Ende 2013 waren über eine Million Somalierinnen und Somalier vor Krieg, Hunger und Elend auf der Flucht. Damit zählt Somalia nach Afghanistan und Syrien weltweit zu den Ländern mit der höchsten Flüchtlingsrate. Angaben des UNHCR zufolge sind eine weitere Million Menschen als Binnenvertriebene innerhalb der Landesgrenzen auf der Flucht.

Angelina wollte nicht mehr in Somalia leben, wollte keinen Hunger und keine Angst vor den vielen bewaffneten Männern mehr haben müssen. Ihr Vorbild war Leila, ein Mädchen aus dem Nachbardorf, das zwei Jahre zuvor aus Somalia geflüchtet war und seither auf Facebook allen, die es wissen wollen, sein schönes neues Leben beschreibt. Auch Angelina las diese Nachrichten.

"Leila hat geschrieben: ›Seht mal, meine schönen neuen Schuhe!‹ und: ›Ich habe jetzt ein Auto und eine schöne Wohnung und gutes Essen!‹ und dass sie jeden Tag ein anderes Kleid anziehen kann, was bei uns nicht geht", erzählt Angelina leise, als ich sie in einer Notunterkunft treffe, in der die sechzehnjährige Somalierin ein paar Tage bleiben wird, bis klar ist, in welchem Bundesland sie längerfristig leben können wird.

Denn Angelina, die man hier so nennt wegen ihrer auffälligen Ähnlichkeit mit Angelina Jolie, hat es tatsächlich bis nach Deutschland geschafft.

Erst vor Kurzem ist sie angekommen. Mit dünner Kleidung voller Sandflöhe, fast barfuß, mit abgewetzten, zusammengeflickten Sandalen an den Füßen. Ihre Kleider wurden gefriergetrocknet, minus dreißig Grad überleben die Flöhe nicht.

Angelina sitzt auf einem dunkelblauen Sofa. Sie trägt eine hellgrüne Strickmütze auf dem Kopf, darüber ein blaues Tuch, dazu Strickleggins mit Rentiermuster und einen dunkelblauen Strickpulli. Ihre Füße stecken in dicken, winterweißen Boots mit Kunstfellbesatz. Dennoch friert sie, zieht sich eine rote Wolldecke fast bis unter die Nase.

Um nach Deutschland zu kommen, ist Angelina durch die Hölle gegangen. Das Mädchen trägt unübersehbar schwer an seinen Fluchterlebnissen. Verschüchtert kuschelt es sich an seine Freundin Amira, die neben ihr sitzt.

Auch Amira ist sechzehn Jahre alt, auch sie ist aus Somalia nach Deutschland geflohen, als sie vierzehn war. Wie Angelina hat sie Dinge erleben müssen, die kein Mensch jemals erleben sollte. Auch Amira ist ein sehr hübsches Mädchen. Sie ist groß, zart, hat wache, dunkle Augen. Aus den Kleiderspenden in der Unterkunft hat sie sich eine Jeans ausgesucht, darüber trägt sie einen himmelblauen Pulli und ein Tuch in derselben Farbe. Ihre nackten Füße stecken in blauen Flipflops, ihr rechter Knöchel ist bandagiert, sie hat ihn sich auf der Flucht verletzt.

Dass minderjährige Mädchen allein nach Europa fliehen, kommt seltener vor, passiert aber laut Caritas seit einigen Jahren immer häufiger. Die überfüllte Notunterkunft, in der sich Angelina und Amira befinden, bestätigt diese These. Vor allem Mädchen aus Somalia nehmen die gefährliche Reise, die durch die Wüste führt, auf sich, in der Hoffnung, in Europa ein besseres Leben führen zu können.
Wir unterhalten uns mithilfe eines Dolmetschers, beide Mädchen sprechen kein Englisch.

Angelina zieht ihre dünnen Beine an und schlingt ihre knochigen Arme darum. Ihr müder Blick verrät, dass sie in der vergangenen Nacht nicht viel geschlafen hat. Nachts wirken die bösen Erinnerungen noch stärker nach als bei Tageslicht. Einige Zeit fixiert sie einen Punkt an der Decke des Raumes. Dann erzählt sie.

"Somalia ist kein gutes Land für Mädchen." Eine Erkenntnis, die ihr offenbar sehr schwerfällt. Sie stockt, schluckt, lehnt ihren Kopf auf die angezogenen Beine. "Ich habe gedacht, Mädchen wie Leila aus meinem Nachbardorf sagen die Wahrheit. Ich wollte nicht leben wie meine Mutter. Immer nur zu Hause, alles mit dem Wasser aus dem Brunnen waschen, immer so viel Arbeit, immer nur machen, was der Mann sagt, immer nur Angst, nie genug zu essen. Nein, das will ich nicht, habe ich gedacht. Also habe ich diesen Mann getroffen. Er hat zu mir gesagt: ›Du bist ein sehr schönes Mädchen, du siehst aus wie eine Prinzessin, du wirst ein gutes Leben in Europa haben. Ich bin sicher, du kannst als Model arbeiten, und dann kannst du viel Geld verdienen.‹ Er war sehr nett. Er hat gesagt: ›Es ist ganz einfach. Ich kann dich bis zur Wüste bringen.‹ Er sagte, dass ich dafür nicht viel bezahlen muss."

Angelina glaubte den Versprechungen des nigerianischen Schleppers, vertraute darauf, dass sie in Deutschland ein Leben führen können würde, wie sie es sich wünschte. Also lief sie von zu Hause weg.

"Meine Eltern haben nichts gewusst, aber eine meiner kleinen Schwestern hat etwas gespürt. Sie hat mich den ganzen Tag nicht mehr losgelassen. Als die Sonne untergegangen ist, bin ich zum Markt gegangen."

Auf dem staubigen Marktplatz in ihrem Dorf, neben Obst- und Gemüseständen, wartete tatsächlich, wie von dem Schlepper versprochen, ein Lastwagen, auf dem schon viele andere Menschen zusammengedrängt saßen. Die Stimmung war gut, die Mitfahrer lachten und scherzten.

"Der Fahrer war sehr nett, er hat sich gut um mich gekümmert, er hat mir Wasser gegeben und Fladenbrot."

Der Lastwagen fuhr über holprige Naturstraßen durch Somalia, vorbei an vielen Militärkontrollen.

"Das war kein Problem, der Fahrer hat ihnen Geld gegeben, sie haben gewunken und wir sind weitergefahren."

Mal wechselte der Fahrer, mal musste die Gruppe auf einen anderen Wagen umsteigen. Die Grenzen stellten kein Hindernis dar, die Polizisten waren von der Schleppermafia geschmiert – ein gut funktionierendes System.

Bis in die Sahara wurde Angelina auf diese Weise tatsächlich problemlos gebracht. Dann änderte sich ihre Situation.

"Sie haben uns mit einem Lastwagen in ein Lager in der Wüste gefahren, am Eingang waren Männer mit Messern und anderen Waffen. Sie haben ihr Gesicht vor uns versteckt, nur die Augen konnte man sehen. Sie sahen böse aus."

Angelina zieht die rote Decke noch enger an sich, so als könne sie sich dadurch vor den Erinnerungen schützen.

"In dem Lager mussten wir alle aussteigen. Es war viel Wind, der den Sand in meine Augen geweht hat. Das Auto ist weggefahren. Die Männer haben uns in das Lager getrieben und angebunden. Dort waren schon viele andere Menschen und sehr viele Mädchen. Die Männer haben gesagt, wir müssen jetzt hierbleiben und ihnen gehorchen, sonst töten sie uns."

Das Transportsystem der Schlepper, wie Angelina es erlebt hat, basiert meist auf denselben Abläufen: Bis in den Sudan werden die Afrikanerinnen von einer regionalen Menschenhändlerbande zur anderen weiterverkauft, was für die Mädchen weitgehend kostenfrei und problemlos verläuft. In den Wüstenlagern im Sudan ist dann erst einmal Endstation, Zahltag für die Schlepper. Die Mädchen werden hier in Lagern festgehalten, mit Schlägen und Vergewaltigungen zwingen die Menschenhändler sie, Lösegeld von ihren Familien anzufordern, egal wie arm sie sind. Der ganze Familienverband legt dann zusammen, macht alles zu Geld, was er besitzt, um das Lösegeld aufzubringen. Zu groß wäre die Schande für alle, würden sie ihre Töchter in der Wüste sterben lassen.

"Nachdem die Männer uns festgebunden hatten, haben wir im Sand geschlafen. Am Tag mussten wir viele Stunden unter der heißen Sonne sitzen, durften uns nicht bewegen und nur ganz wenig Wasser trinken«, schildert Angelina mit stockender Stimme. »Mein Mund war so trocken, dass meine Zunge festgeklebt ist. Ich konnte nicht mehr schlucken, überall war Sand, es gab keine Duschen."

Stumme Tränen laufen über Angelinas Wangen, für einen Augenblick kann sie nicht mehr weitersprechen. Amira legt den Arm um sie.
Dann holt Angelina tief Luft. "Noch schlimmer als der Tag in der Sonne war der Abend. Da sind die Männer zu uns gekommen mit Waffen und haben sich Mädchen ausgesucht, haben sie mitgenommen. Sie mussten alles tun, was die Männer wollten."

Angelina wurde geschlagen und vergewaltigt. Wieder und wieder. "Ich musste mich ausziehen und auf dem Bauch auf den Boden legen, dann haben sie mich mit der Peitsche geschlagen. Ich habe gesagt: ›Bitte, bitte, schlagt mich tot!‹ Aber sie haben mich nur ausgelacht."

Angelina zieht sich die Decke fest um die Schultern. In ihren Augen spiegeln sich Scham, Angst und Schmerz.

"Die Männer haben nach meiner Familie gefragt. Ich musste ihnen die Telefonnummer von meinen Eltern geben. Die haben sie dann angerufen. Sie haben mich geschlagen und mir das Handy hingehalten, als es zu sehr wehtat und ich geschrien habe. Ich wollte nicht schreien, aber es ging nicht. Zu meinem Vater haben sie dann gesagt: ›Wir schlagen deine Tochter jeden Tag, bis du für sie bezahlst!‹ Ich habe mich sehr geschämt, dass ich diese Schande über meine Familie bringen musste. Meine Eltern sind sehr arm, sie haben nicht gewusst, wie sie das Geld für mich auftreiben sollten. Diese Männer sind keine Menschen«, stößt Angelina mit Hass und Verachtung in der Stimme hervor. Das zarte Mädchen bebt vor Wut, Trauer, Hilflosigkeit. Drei Monate war Angelina in dem Lager in der Wüste gefangen. Ihr schönes Gesicht wurde ihr zum Verhängnis, immer wieder wurde sie am Abend von den vermummten Männern ausgesucht. Andere, weniger hübsche Mädchen wurden nicht so oft ausgewählt.

"Die anderen Mädchen waren froh, dass ich immer eine Extra-Flasche Wasser mitgebracht habe, wenn ich zu ihnen zurückkam. Die haben wir dann zusammen getrunken", sagt Angelina und lächelt leicht, als sie an eine der seltenen Situationen denkt, in denen sie dazu beitragen konnte, dass es ihr und den anderen ein bisschen besser ging.

Es dauerte über neunzig Tage, bis Angelinas Vater das Geld für die Auslöse seiner ältesten Tochter zusammenhatte. »Mein Vater ist zu allen gegangen, die er kannte. Jeder hat etwas gegeben. Die Männer sind dann zu mir gekommen und haben gesagt: ›Hau ab, Mädchen.‹ Da kam dann gerade ein Lastwagen an, er hat neue Menschen gebracht. Sie wurden alle im Lager abgeladen, mich haben sie rausgestoßen, vor den Zaun. Von dort habe ich noch gesehen, wie ein kleines Mädchen aus dem Lastwagen gehoben wurde. Ich habe sehr geweint um sie. Die Männer haben mich und andere Menschen mit einem Wagen durch die Wüste gebracht und über die Grenze zu Libyen. Dort haben schon andere Männer auf uns gewartet. Auch sie hatten Waffen
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