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  • 13.06.2017 00:38 - Tschetschene tötete aus Eifersucht Nach „Ehrenmord“: Das milde Urteil ist schwer zu ertragen – aber es ist kein Skandal
von esther10 in Kategorie Allgemein.

Tschetschene tötete aus Eifersucht
Nach „Ehrenmord“: Das milde Urteil ist schwer zu ertragen – aber es ist kein Skandal



Patrick PleulBlick in einen Verhandlungssaal im Landgericht von Cottbus
FOCUS-Online-Redakteurin Anja Willner

Dienstag, 13.06.2017, 21:30

Der Fall aus dem südbrandenburgischen Senftenberg ist schwer zu ertragen. Ein Mann, ein 32-Jähriger aus Tschetschenien, glaubte, seine Frau sei ihm untreu. Er brachte sie auf bestialische Art und Weise um: Er stach auf sie ein, warf sie aus dem Fenster und schnitt ihr die Kehle durch. Das muss Mord sein, sagt sich vermutlich jeder juristische Laie.

Der zuständige Richter am Landgericht Cottbus urteilte anders: Zwar verurteilte er den Täter zu einer langjährigen Haftstrafe – aber nicht wegen Mordes, sondern wegen Totschlags. Die Begründung, warum die schreckliche Tat für ihn kein Mord war, regt viele auf. Der Richter verwies unter anderem auf den kulturellen und religiösen Hintergrund des Mannes.

Der 32-Jährige habe nicht unbedingt erfassen können, dass seine Tat in Deutschland als besonders verachtenswert eingestuft wird – anders als vermutlich in seinem Heimatland Tschetschenien. Das wäre der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) zufolge aber notwendig, damit die Mordmerkmale erfüllt sind und jemand wegen Mordes verurteilt werden kann. Daran musste sich der Richter orientieren – für eine abweichende Rechtsprechung hätte es eine sehr gute Begründung gebraucht.

Richter berücksichtigte nicht nur die Herkunft

Auf den ersten Blick wirkt die Argumentation des Richters kaltherzig, als entschuldige das Urteil die schreckliche Tat ein Stück weit. Als sei der Tod einer Frau, der die Kehle durchgeschnitten wird, weniger schlimm, weil der Täter möglicherweise nicht wusste, dass in Deutschland andere Ehrvorstellungen herrschen als in seinem Heimatland.

Diese Vorstellung ist schrecklich. Und zum Glück stimmt sie so nicht: In die Bewertung des Richters floss nicht nur der Faktor des kulturellen Hintergrunds ein. Er berücksichtigte einem Gerichtssprecher zufolge auch, dass das tschetschenische Paar erst wenige Monate in Deutschland gewesen war: So sei kaum festzustellen, ob der Täter tiefere Einblicke in deutsche Moralvorstellungen gewinnen konnte.
Hätte das Paar schon viel länger hier gelebt, würde das Urteil wohl anders aussehen
Hätten Täter und Opfer schon viele Jahre in Deutschland gelebt und ausreichend Gelegenheit gehabt, die hierzulande geltenden Vorstellungen kennenzulernen, wäre das Urteil sicher anders ausgefallen.

Auch ein Faktor: Der Täter hat nie eine Schule besucht, wahrscheinlich kann er nicht richtig schreiben und lesen. Das hat es ihm vermutlich erschwert, sich von den – für uns kaum nachvollziehbaren – Ehrvorstellungen seines Heimatlandes Tschetschenien zu lösen.

Die sind tatsächlich archaisch. Tschetschenien ist ein vom Islam geprägtes Land, aber die Vorstellungen von Ehre und Moral, die dort herrschen, speisen sich vor allem aus einem uralten Regelwerk namens Adat. Es sieht Blutrache vor – und mancherorts gibt es noch die Tradition, dass um Bräute „geworben“ wird, indem man sie aus dem Elternhaus entführt.

Nach traditioneller Vorstellung ist die Frau Eigentum des Mannes und dessen Familie. Selbst die eigenen Kinder gehören nicht ihr, sondern können nach Tod des Mannes seiner Familie zugesprochen werden. Auch Täter und Opfer stammten offenbar aus diesen archaischen Kreisen und kamen mit Vorstellungen nach Deutschland, die uns sehr fremd sind. Der BGH entschied in vergleichbaren Fällen mehrmals: Das könne ein Grund für Zweifel daran sein, dass der Täter die Schwere und Niedertracht seiner Tat erfassen kann.

Die Logik der Gerichte widerspricht oft unserem Bauchgefühl

Mordmerkmale erfüllt oder nicht, niedere Beweggründe oder nicht – auf viele Menschen wirken solche Differenzierungen wie Haarspalterei auf Kosten der Opfer. Das widerspricht unserem Gerechtigkeitsempfinden, das ganz andere Forderungen stellt. Zum Beispiel danach, dass doch wohl die deutschen Rechtsvorschriften und auch die in unserem Land üblichen Auffassungen gelten müssten.

Schließlich geschah die Tat hier und es urteilte ein deutsches Gericht und kein tschetschenisches. Unser Gefühl sagt uns: Wer einen anderen Menschen so grausam tötet, ist ein Mörder und hat eine entsprechend hohe Strafe verdient.

Auf Gefühlsebene ist das alles absolut nachvollziehbar. Gerade bei der Tat des Tschetschenen: Sie ist brutal und abstoßend und kein Mensch hat die Qualen verdient, die das Opfer vor seinem Tod erleiden musste. Aber vor Gericht hat unser Bauchgefühl nichts zu melden.

Niemand ist gezwungen, der Argumentation des Richters zu folgen

Hier gilt eine Logik, die kühl wirken kann, aber im besten Fall zu einem gerechten Urteil führt. Ein Beispiel: Unser Bauchgefühl fordert ein, alle Menschen, die einen anderen Menschen töten, gleich zu bestrafen – wer der Täter auch sei. Aber wie würde das Urteil in einem Fall lauten, in dem eine Frau ihren Mann brutal tötet, der sie jahrelang gequält und erniedrigt hat? Hätte sie dasselbe Strafmaß verdient wie ein Mann, der seine Frau tötet, weil er eifersüchtig ist?

Die meisten würden wohl eine mildere Strafe für die Frau fordern. Dieses Gedankenspiel zeigt schon, dass es eben nicht egal ist, wer eine Tat begeht, was der Tat vorausgegangen ist, ob und wie der Täter sie geplant hat, welches Verhältnis Täter und Opfer zueinander hatten und so weiter. Ein Richter wird versuchen, dieses Gesamtbild in seinem Urteil angemessen zu berücksichtigen. Wie es – nach allem, was bekannt ist – auch der Richter des Cottbusser Landgerichts tat.

Man muss seiner Argumentation und der des BGH nicht folgen. Man kann sie rundweg ablehnen. Jeder darf weiter finden, der Verurteilte sei eben doch ein gemeiner und heimtückischer Mörder, der eine höhere Strafe als 13 Jahre Haft verdient hat. Bevor man die Entscheidung aber zum „Skandal-Urteil“ ausruft, sollte man zumindest versuchen zu verstehen, wie sie zustande kam.

Video: Bluttat von Hameln: So tickt der Mann, der seine Ex-Partnerin am Seil durch die Straßen schleifte
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