Papstbesuch am Grab von Don Lorenzo Milani – Welches Priestermodell will Franziskus fördern? 21. Juni 2017 Genderideologie, Hintergrund, Nachrichten, Papst Franziskus 0
Ist Don Milani das Modell für die Priester?
(Rom) Papst Franziskus verließ gestern den Vatikan um in Bozzolo in der Lombardei und in Barbiana in der Toskana die Gräber der beiden Priester Don Primo Mazzolari (1890-1959) und Don Lorenzo Milani (1923-1967) aufzusuchen. Dabei handelte es sich um einen „Privatbesuch“, nicht um einen offiziellen Papstbesuch, der – wie aus dem Programm hervorgeht – vor allem Don Milani galt, den Papst Johannes XXIII. einen „Irren, der aus dem Irrenhaus entflohen ist“ nannte. Welches Priestermodell will Papst Franziskus fördern?
Das verhinderte Priestermodell: der heilige Pfarrer von Ars
Es halten sich hartnäckig Stimmen, die sagen, daß die gestrige Papstreise der Etablierung eines neuen Priestermodells dienen soll. Papst Benedikt XVI. hatte von März 2009 bis Juni 2010 ein „Jahr des Priesters“ ausgerufen. Die Eröffnung erfolgte am 150. Todestag des heiligen Pfarrers von Ars, Johannes Maria Vianney. Damit hatte Benedikt XVI. programmatisch den Rahmen abgesteckt für eine Erneuerung des Priestertums. Dieses befindet sich in westlichen Staaten in einer großen Krise, die durch Berufungsmangel zum Ausdruck kommt. Der Berufungsmangel in den vergangenen Jahrzehnten hat in vielen Diözesen zu einem akuten Priestermangel geführt.
Gegen die Bemühungen von Papst Benedikt XVI. gab es heftige Widerstände, die nicht zuletzt vom damaligen Präfekten der Kleruskongregation, dem Brasilianer Kardinal Claudio Hummes, ausgingen. Der Widerstand richtete sich gegen ein „vorkonziliares Priesterbild“. Die charakterliche Prädisposition Benedikts, nichts kraft seiner Autorität gegen Widerstände durchsetzen zu wollen, führte dazu, daß seine Absicht, den Pfarrer von Ars zum Patron und Vorbild der Priester zu erheben, im Juni 2010 stillschweigend aus dem päpstlichen Regierungsprogramm verschwunden ist. Die genauen Hintergründe dieser „Streichung“ sind bis heute unbekannt. Tatsache ist, daß Benedikt XVI. sich zum Abschluß des Priesterjahres durch sein persönliches Vorbild und die Ausrichtung der Vesper am Herz-Jesu-Fest 2010 bemühte, informell dem heiligen Johannes Maria Vianney als Modell des Priestertums Sichtbarkeit zu verschaffen. Da 17.000 Priester zu diesem Anlaß außer aller Welt nach Rom gekommen waren, ist zumindest diese Absicht zum Teil gelungen. Normative Akte haben naturgemäß dennoch eine ganze andere Wirkung.
Don Milani: großbürgerlicher Bohemien, katholischer Priester, Kommunistenfreund
In eine andere Richtung scheint Papst Franziskus zu streben. Wie es in Rom heißt, habe der gestrige „Privatbesuch“ des Papstes vor allem Don Milani gegolten. Don Mazzolari sei gewissermaßen ins Programm hineingerutscht, um die Fokussierung auf Don Milani nicht zu deutlich hervortreten zu lassen.
Papst Franziskus am Grab von Don Milani In Barbiana bei Florenz, wo sich das Zentrum der Anhänger Don Milanis befindet, fand dann auch ein umfassenderes Programm statt als in Bozzolo. In Bozzolo waren bis auf wenige Ausnahmen ausschließlich Priester zur Begegnung mit dem Papst geladen. Zugang wurde nur ausgewählten Personen mit vorab erteilter Berechtigung gewährt. Trotz beachtlicher Umdeutungsversuche einiger Apologeten eignet sich Don Primo Mazzolari nicht für ein progressives Kirchenverständnis. Seine Schriften sind in Fragen der Glaubenslehre und der Morallehre zu eindeutig. Beiden Priestern gemeinsam waren mehr oder ausgeprägte Sympathien für den Marxismus.
Ganz anders zeigt sich das Bild bei Don Lorenzo Milani. Wie der amtierende Papst hegte auch er starke Sympathien für die radikale Linke. Wenn er nicht Kommunist wurde, sondern atholischer Priester, dann nach eigenen Angaben deshalb, weil die Kommunisten keine Sakramente und keine Sündenvergebung haben.
Sein großbürgerliches Elternhaus war agnostisch und antiklerikal geprägt. Seine Mutter, Alice Weiss, entstammte dem liberalen, assimilierten Judentum. Die Eltern hatten nur standesamtlich geheiratet. Lorenzo widmete sich den schönen Künsten und besuchte die Kunstakademie Brera in Mailand.
Zeitlebens gespanntes Verhältnis zu den kirchlichen Regeln und Normen
In Mailand war, im Gegensatz zu seiner Heimatstadt Florenz, auch das Großbürgertum katholisch geprägt. In diesem neuen Klima kam es 1943, inmitten des Zweiten Weltkrieges, zu seiner Bekehrung, die offenbar Folge eines längeren Prozesses ohne ein bestimmtes Bekehrungserlebnis war. Er wurde im selben Jahr in Florenz gefirmt und in das dortige Priesterseminar aufgenommen. Sein Verhältnis zur Kirche blieb jedoch zeitlebens gespannt, weil er sich – der im homoerotischen Klima der Florentiner Bohemiens der Zwischenkriegszeit aufgewachsen war – schwertat mit den kirchlichen Regeln und Vorschriften. In den Regeln sah er eine „Ferne“ gegenüber der „Direktheit“ des Evangeliums.
1947 erfolgte seine Priesterweihe. Bereits in seinen ersten Seelsorgestationen knüpfte er Kontakt zu sozial engagierten Priestern. Die Toskana gehörte nach dem Zweiten Weltkrieg zu den „roten Regionen“ Italiens, in denen die Kommunistische Partei Italiens (KPI) den Ton angab.
1954 wurde er in ein kleines Bergdorf im Mugello versetzt. Dort setzte er die ersten Schritte zu einem Schulversuch, der seine Lebensaufgabe werden sollte. Er gründete eine Ganztagsschule für die Arbeiterfamilien der Umgebung.
Rundherum entstand sein pädagogisches Reformprojekt eines „sozial engagierten“ Katholizismus. Aus diesem Umfeld stammen auch seine heutigen Anhänger und Apologeten. Finanziert wurde das Schulprojekt, die „Schule von Barbiana“ durch die Spenden großbürgerlicher Florentiner Familien, die dafür von Don Milani beschimpft wurden. 1965 schrieb er in der Zeitschrift der Kommunistischen Partei:
„Ich fordere das Recht. sagen zu dürfen, daß auch die Armen die Reichen bekämpfen dürfen und sollen.“ Hauptwerk „Brief an eine Lehrerin“
Als Hauptwerk gilt das 1967, kurz nach seinem Tod, erschienene Buch „Brief an eine Lehrerin“, das Don Milani mit seinen Schülern verfaßt hatte. Es ist eine radikale Anklage gegen das Schulwesen und gilt als ein Schlüsselwerk für die italienische Studentenbewegung von 1968. Sein didaktisches Modell war der „Lehrer als Freund“. Kritiker werfen ihm vor, Stichwortgeber der antiautoritären Erziehung zu sein. Der Entwurf zum Buch soll so abschätzige und vulgäre Worte enthalten haben, daß der Verleger eine Veröffentlichung verweigerte.
Das Buch „Brief an eine Lehrerin“ Die Schriftstellerin und Lehrerin Paola Mastrocola unterzog das Buch 2011 einer kritischen Analyse. Sie kritisierte vor allem den Schlußteil. Das Buch endet mit einem Traum von neuen, demokratischen Lehrern, die endlich ihren Schülern sagen, daß sie von ihnen eigentlich gar nichts wollen. Ihnen weder etwas beibringen noch ihre Kenntnis prüfen wollen. Die Menschen sollen so bleiben, wie sie sind! Jeder soll seine Vorstellungen behalten, die er schon hat, die ihm die Familie, in die er hineingeboren wurde, weitergegeben hat. Jeder soll das Leben haben, das ihm das Schicksal zugewiesen hat. Es wird eine Schule verlangt, die nichts hinzufügt, nicht aufbaut, nicht herausfordert und nicht fördert. Es ist eine Schule, die sich anpaßt, die sich gleich macht den Gleichen, sich verstellt und unweigerlich auf die unterste Stufe des Gleichseins begibt. Damit benachteiligt sie alle, aber vor allem die Schwächsten, die nicht gestärkt und zu den anderen hinaufgehoben werden, sondern denen alle anderen gleich schwach gemacht werden sollen. Alle ganz unten, aber alle gleich. Die Entfernung des Podestes, auf dem das Pult stand, entstellte das normale Verhältnis zwischen Lehrer und Schüler. Das kumpelhafte „Du“ statt des „Sie“ machte aus dem Lehrer irgendeinen Gleichen des Schülers. Die Deklassierung der formalen Sprache zum Alltagsgerede führte zu einer Veränderung der Lerninhalte. Die Idee, daß die mitgebrachte Bildung und Erziehung eines jeden Studenten bereits ausreiche, führt zur Überzeugung der Schüler, daß sie sich selbst genügen würden, letztlich gar keiner Bildung mehr bedürften und schließlich zur Leugnung jeder Notwendigkeit, sich überhaupt noch verbessern zu müssen.
Der zu früh verstorbene Rechtsphilosoph Mario Palmaro schrieb im November 2013 kurz vor seinem Tod in seinem berühmt gewordenen Aufsatz „Die Kirche als Feldlazarett der Followers“, daß es „vielleicht gar kein Zufall ist, daß am Ursprung der Revolutionierung der Schule zumindest in Italien ein Priester steht“.
Don Milani: Priester mit pädophilen Neigungen?
Vor einem Monat erschien im Verlag Mondadori das Gesammelte Werk von Don Lorenzo Milani. Es handelt sich um eine mehrbändige Ausgabe von 3.000 Seiten, die von Alberto Melloni, dem Leiter der progressiven Schule von Bologna, herausgegeben wurde. Alberto Melloni wiederum ist ein enger Freund von Papst Franziskus. Das Werk wurde von Franziskus persönlich in einem Kurzfilm für die Mailänder Buchmesse vorgestellt und beworben.
Fast zeitgleich wurde auch der neue Roman „Bruciare tutto“ (Alles verbrennen) des progressiven Schriftstellers Walter Sitti (Strega-Preisträger) veröffentlicht. Der Roman handelt von einem Priester mit pädophilen Versuchungen, die er allerdings nicht auslebt. Der Autor, selbst bekennender Homosexueller, identifiziert seine Romanfigur mit Don Lorenzo Milani. Diesem widmete er sein Buch mit ungewöhnlichen Worten:
„Gewidmet dem verletzten und starken Schatten von Don Lorenzo Milani“. In einem sehr zurückhaltenden Interview mit der Tageszeitung La Repubblica sagte Sitti zu seinem Roman:
„Alles entstand, als ich in einem fast unauffindbaren und alten Buch von Santoni Rugui1) einige Sätze aus Briefen von Don Milani las: ‚Ich weiß: Wenn ich Gefahr für meine Seele laufe, dann sicher nicht, weil ich zu wenig geliebt habe, sondern weil ich zuviel liebe (das heißt, sie mir auch mit ins Bett nehme!‘ Wenig später schrieb er in einem Brief an einen Journalisten, der dann sein Biograph wurde: ‚Wer könnte die Kinder bis auf den Knochen lieben, ohne damit zu enden, ihn ihnen auch in den Arsch zu stecken, wenn nicht ein Lehrer, der mit ihnen auch Gott liebt und die Hölle fürchtet?‘ Vielleicht habe ich gewagt interpretiert, aber es schien mir, daß Don Milani hier zugibt, sich von Kindern physisch angezogen zu fühlen, und ich finde seine Fähigkeit heroisch, sich alles im Herzen behalten und die Nerven bewahrt zu haben, ohne jemals Ärgernis zu geben. Die Widmung ist eine Art, meine Wertschätzung und meine tiefe Bewunderung für ihn zum Ausdruck zu bringen.“ Entdeckte der Homosexuelle Walter Sitti in Don Milani einen tatsächlichen oder fiktiven „Seelenverwandten“?
Don Milanis Anhänger verteidigen solche Briefe, indem sie sagen, der Priester habe sich einfach nur einer „sehr direkten Sprache“ bedient. Für eine solche war er tatsächlich bekannt, wie die Erstfassung des Buches „Brief an eine Lehrerin“ belegt, das erst von anstößigen Worten gereinigt werden mußte, ehe der Verleger bereit war, es in Druck z geben. Selbst Silvia Ronchey, eine Milani-Hagiographin, schrieb allerdings in La Repubblica – von Milanis „nicht verhüllter Homosexualität im Florenz der 30er Jahre“ (zu Ronchey siehe Hypatia, die Wahrheit und die ideologischen Lügen).
Don Milani „kein geeignetes Priestermodell“
Don Milani in Barbiana „Don Milani eignet sich nicht als Priestermodell“, weshalb der Papstbesuch in Barbiana zweifelhaft sei, so die traditionsverbundene Seite Messa in Latino. Im Gegensatz zum heiligen Pfarrer von Ars sei Don Milani kein Vorbild für die Priester, weil „er sich einer obszönen Sprache bediente, mit allen im ständigen Streit lag, weil er das Privateigentum in Frage stellte, das Soldatenleben kritisierte und einen absoluten Pazifismus predigte. Ihn als Priestermodell zu präsentieren, zeugt zumindest von einem seltenen Mangel an Klugheit“, so Messa in Latino zu den Worten von Papst Franziskus gestern in Barbiana.
Papst Franziskus bezeichnete Don Milani als „leuchtende Spur“, als Ausdruck eines „tiefen Gleichgewichts zwischen Härte und Liebe“, „ein Priester, transparent und hart wie ein Diamant, der weiterhin das Licht Gottes auf dem Weg der Kirche vermittelt“. Folgt man den Worten des Papstes, entsteht der Eindruck, daß Don Milani ein „Prophet“ war. Franziskus zog die Bischöfe posthum an den Ohren, die „Don Lorenzo leiden“ hätten lassen.
Papst Johannes XXIII. nannte Don Milani hingegen einen „Irren, der aus dem Irrenhaus entflohen ist“. Welches Priestermodell will Papst Franziskus also fördern, indem er zum Grab eines Priesters pilgert, die zu Lebzeiten vor allem gespalten hat?
Die „leuchtende Spur“ Milani schrieb am 21. Juni 1952 über den Aufbau der Christdemokratischen Partei (DC) nach dem Zweiten Weltkrieg, die eine kommunistische Machtübernahme abwehrte:
„Ich habe meinen Jungs gesagt, daß wir mit unseren Vorzugsstimmen eine christliche Partei aufbauen können, die zur Gänze aus Gewerkschaftern und Hausfrauen besteht. Von der [christlichen Gewerkschaft] CISL hast Du mir den Verdacht von Infiltrationen aus dem Dollar-Bereich angedeutet.“ Um dann anzudeuten, was er von wem hält:
„Von der Katholischen Aktion Scheiße, von Pius XII. Scheiße, von De Gasperi Scheiße, von Giuseppe [Dossetti] Verzweiflung. Oder nein, vielleicht Schlimmeres. Für Dossetti unbegrenzte Wertschätzung. […] Wir fühlen uns wie zwei oder drei an der Seite Gottes und der ganze Rest im schmutzigsten Verrat.“ Giuseppe Dossetti war ein christdemokratischer Politiker, der sich in den 50er Jahren zum Priester weihen ließ. Als Linkskatholik strebte er eine große Linksallianz mit den Kommunisten an. Als rechte Hand von Kardinal Lercaro, dem Erzbischof von Bologna, spielte Dossetti eine zentrale Rolle beim Zweiten Vatikanischen Konzil. Als geübter Politiker erkannte er die Gelegenheit, mit Hilfe der Geschäftsordnung das Konzil zugunsten der Rheinischen Allianz zu lenken, bis es Papst Paul VI., allerdings erst sehr spät, zu bunt wurde, und er Dossetti aus Rom verbannte.
Text: Giuseppe Nardi Bild: MiL
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