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  • 21.06.2017 00:21 - Wie man die Antisemitismus-Quote hochtreibt
von esther10 in Kategorie Allgemein.

Wie man die Antisemitismus-Quote hochtreibt
21. Juni 2017 Forum, Hintergrund 1


ARD sendet heute Abend umstrittene Antisemitismus-Dokumentation
Neue Verschwörungstheorien: Christentum und antichristliche Aufklärung, Rechtsradikale und Linke bis hin zu Martin Schulz, Antisemitismus und Antizionismus würden sich zu europaweitem Judenhass verbinden.

Ein Gastkommentar von Hubert Hecker.

Der deutsch-französische Sender ARTE und die öffentlich-rechtliche Sendeanstalt WDR haben bei zwei Journalisten eine Dokumentation zu „Antisemitismus in Europa“ in Auftrag gegeben. Doch für das fertige Produkt lehnten die beiden Sender eine Ausstrahlung ab. Die offizielle Begründung lautete, dass „der Film nicht dem angemeldeten Programmvorschlag“ entspreche. Das Medienhaus BILD zeigte kürzlich die 90minütigen Filmreportage. Die ARD will die Dokumentation nun doch zeigen – am Mittwoch, den 21. Juni.

Streit um die politisch-korrekte Linie

Neben den formal-rechtlichen Ablehnungsgründen der Sender spielen offenbar auch inhaltliche Vorbehalte eine Rolle. Die Kernthese des Films lautet: Der neue, moderne Antisemitismus in Europa zeigt oder tarnt sich in einem Antizionismus, also der (einseitigen) Kritik an der Politik Israels bei Parteinahme für die Palästinenser. In dieser Sichtweise kommen der arabisch-pälästinensische Judenhass ebenso ins Visier wie die europäischen Unterstützergruppen von Links- und Rechtsradikalen, auch säkulare und christliche Nicht-Regierungsorganisationen. Bei den Linken reiche der als Israelkritik verkappte Antisemitismus bis in die Mitte der SPD, etwa zu Martin Schulz.

Vermutlich haben die überzogene Kernthese des Filmberichts, der aufgezeigte Judenhass von Muslimen und Palästinensern wie auch die Anklage an die linke Szene im Vorfeld der geplanten Ausstrahlung zu interner Kritik geführt. Man erinnert sich an die Proteste, als im Jahre 2012 der Journalist Jakob Augstein („im Zweifel links“) vom Simon-Wiesenthal-Center zu den ‚Top Ten der antisemitischen / antiisraelischen Beschimpfungen‘ gezählt wurde. Allerdings sind die tendenziösen Kommentare des Films sowie dessen einseitige Parteinahme für israelische Politik ebenso kritikwürdig. Sowohl der journalistische Anspruch einer Dokumentation wie auch die Leitlinien der öffentlich-rechtlichen Anstalt WDR fordern eine „ausgewogene“ Darstellung vom neutralen Standpunkt.



Die Christen sind an allem schuld!

Die ressentimentgeladene Einstellung der Film-Journalisten kommt auch in einer Passage im Aufmacher der ‚Dokumentation’ zum Ausdruck. Darin heißt es einleitend: „Die christliche Kultur ist die Mutter allen Judenhasses.“ Man erwartet bei dieser kategorischen Schlag-Zeile fundierte Begründungen. Doch es folgen nur vier äußerst dürftige Thesen, die nichts belegen bzw. falsch sind:

▪ Jedes Kruzifix würde für den angeblichen Judenhass der Christen Zeugnis ablegen – so die erste Unsinnsthese. Die Kreuzesdarstellung bildet ein historisches Ereignis ab, das Leiden und Sterben des Jesus von Nazareth, „König der Juden“. Was soll daran judenhassend sein? Bei der Frage, wer an dem Tod des Gerechten beteiligt und schuldig war, kommen die damals herrschenden jüdischen Kreise in den Blick. Aber die Christen und die kirchliche Lehre haben niemals Rache oder Vergeltung an die Verantwortlichen für die Kreuzigung Christi verlangt. Denn die Gläubigen sind sich bewusst, dass es auch ihre eigenen Sünden sind, die Christus ans Kreuz brachten. Die Schuldübernahme Jesu Christi und damit die Heilung und Erlösung für die gläubigen Christen ist der primäre Aspekt der christlichen Kreuzverehrung. Jedenfalls ist es eine böswillige Unterstellung, in der Darstellung und Lehre vom Erlösungstod Christi „Judenhass“ zu verorten.

Absurde Judas-Legenden

▪ Die Autoren geben sich keine Mühe, ihre Thesen mit Sorgfalt und Wahrheit zu formulieren: „Für eine Handvoll Silberlingen haben die Juden den Messias verraten.“ Eine Tatsachenbehauptung mit zwei substantiellen Fehlern: Der „Verrat“ lag allein auf der Seite des erwählten Apostels Judas Iskariot. Es waren auch nicht „die Juden“, die für die Verratsinitiative des Jesus-Jüngers 30 Silberlinge anboten. Judas wandte sich nur an die Hohenpriester – so in Mt 26,14.

▪ Absurd ist die folgende Behauptung: „Um die Juden für alle Zeiten zu stigmatisieren, heißt der Verräter ‚Judas’“. Hier wird ohne Beleg unterstellt, dass die frühen Christen bzw. Evangelisten den Namen für den Verräter erfunden hätten. Völlig abwegig ist die Folgethese: Das Motiv der Namensgebung sei gewesen, die Juden für die nächsten 2000 Jahre zu dämonisieren – gemeint ist wohl als ‚Verrätervolk’. Dabei war ‚Judas’ damals ein Allerweltsname. Er war in diesem Fall mit der Herkunftsbezeichnung ‚Mann aus Kariot’ als identifizierbare Person von anderen unterscheidbar – auch von dem anderen Apostel Judas (Thaddäus), Sohn des Jakobus.

Paulus‘ Kritik an der Christenverfolgung durch Juden

▪ Schließlich wird verkürzt und verfälschend ein Paulus-Zitat (1 Thess 2,14-16) vorgebracht – hier vollständig und im Kontext zitiert: „Brüder, ihr seid Nachahmer der Gemeinden Gottes geworden, die in Judäa sind in Christus Jesus. Denn auch ihr habe dasselbe von den eigenen Landsleuten erlitten, was ihnen von den Juden angetan wurde. Die haben sowohl den Herrn Jesus als auch die Propheten getötet und uns verfolgt. Das wird Gott nicht gefallen. Und allen Menschen sind sie feindlich.“

Paulus’ Argumentation: Die Christengemeinde in Thessaloniki ist von ihren Landsleuten, also Griechen, verfolgt worden. Damit teilte sie das Schicksal von judenchristlichen Gemeinden in Judäa, die von Juden Verfolgung erlitten. Die Nachstellungen von jüdischer Seite gegen Jesus Christus und seine Anhänger stellt Paulus in die alttestamentliche Tradition vom gewaltsamen Geschick vieler Propheten. Nach dieser altjüdischen Argumentation wird Israel für die Verfolgung der Propheten mit der Zerstörung Jerusalems und Deportation bestraft, schließlich aber doch mit Umkehr und Heimkehr begnadigt. Diese Traditionslinie überträgt Paulus im späteren Römerbrief (Kap. 11,25-32) auf das Schicksal der nach-christlichen Juden, indem sie am Ende der Zeiten das Erbarmen Gottes finden. Im Thessalonicher-Brief bleibt Paulus zunächst dabei stehen, dass die jüdische Verfolgung der Christen gegen den Willen Gottes geschehe. Damit seien die Juden „allen Menschen Feind“.

Wenn Paulus und die Evangelisten den Ausdruck „die Juden“ gebrauchen, so bedeutet das in Übereinstimmung mit den alttestamentlichen Parallelstellen der Teil des jüdischen Volkes, der gegen Gottes Willen steht. Im Kontext der jüdischen Verfolgung von Jesus Christus und den frühen judenchristlichen Gemeinden sind mit ‚den Juden’ die jeweils Nachstellenden gemeint. Vergleichbar ist dieser Wortgebrauch mit dem Brief an „die Römer“, womit auch nur die Teilgruppe der Christen in Rom gemeint war.

Paulus benutzt den Begriff ‚Menschenfeindlichkeit’. Der ist im Sinne des modernen Ausdrucks von ‚gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit’ zu verstehen: Jüdische Kreise von Eiferern, zu denen auch der junge Saulus gehörte, überzogen jahrzehntelang die judenchristlichen Gemeinden mit Ausgrenzung, Verfolgung, Gefängnis und Steinigung – wie bei Stephanus.

Wie man die Antisemitismus-Quote hochtreibt

Sind diese christentumsfeindlichen Film-Verleumdungen eine „kaum zu überbietende Infamie“ oder persönliche „Frechheit“ der Journalisten, wie eine kath.net-Kommentatorin kürzlich meinte? Nein, dahinter steckt System.




Niederlande
Seit etwa zwei Jahrzehnten wird bei demoskopischen Befragungen sowie soziologischen und historischen Untersuchungen ein „erweiterter Antisemitismus-Begriff“ zugrunde gelegt. Die früheren Unterscheidungen zwischen Kritik, Antijudaismus und rassistischem Antisemitismus sind fallengelassen. Bei allen Konflikten zwischen Juden / Israel und Nicht-Juden werden die philosemitische Perspektive oder wertschätzende Akzeptanz gegenüber allem Jüdischen als politisch-korrekter Maßstab angelegt. Studien auf dieser Basis ‚produzieren’ gewöhnlich sehr hohe Antisemitismus-Quoten in der Zivilgesellschaft. Der sogenannte „israelbezogene Antisemitismus“ soll in Deutschland bei 40 Prozent liegen. In diesem Fall werden Vorbehalte, Einwände oder kritische Äußerungen zu Israels Politik pauschal als Judenhass eingeordnet. Mit einer solchen Einschätzung sah sich kürzlich der deutsche Außenminister Sigmar Gabriel bei seinem Israelbesuch konfrontiert: Die staatlich-israelische Leitlinie fordert, ausländische Staatsbesucher dürften sich nicht mit israelkritischen NGOs treffen, denn die seien „Verräter, Nestbeschmutzer und Israel-Hasser“.

Der erweiterte Antisemitismus-Begriff wird auch auf die Christentumsgeschichte und die christlichen Grundschriften angewandt. Dabei deutet man die Konfliktgeschichte zwischen jüdisch-religiösen Gruppen einerseits und Jesus, seinen Jüngern und den frühen Christen andererseits einseitig als vom Judenhass motiviert. Der jüdisch-amerikanische Autor Daniel Goldhagen hatte sogar 400 Stellen in den Schriften des Neuen Testaments als antisemitisch inkriminiert. Davon müsste die christliche Bibel gereinigt werden – so seine Forderung.

Ist auch die hebräische Bibel antisemitisch infiziert?

Goldhagen versäumte es allerdings, auch die hebräische Bibel nach antijüdischen Stellen zu untersuchen. Denn bei vielen Prophetenreden, die Schimpf und Schande über jüdische Kreise, auch Unheil und Verderben gegen das ganze Volk verkündeten, wäre nach dem erweiterten Antisemitismusbegriff das Urteil ‚Hassrede auf Juden’ zu fällen. Dann müsste Amos’ Anklage gegen die Raffgier jüdischer Händler als antisemitische Stereotype gebrandmarkt werden. Und Jesaias Brandreden gegen die Verderbtheit des störrischen Volkes Israel wäre anti-völkischer Judenhass.

Die Absurdität dieser pauschalen Antisemitismus-Kategorie wird an diesem Beispiel offensichtlich. Um die säkularen Medien und Historiker zu überzeugen, werden aber noch viele Einzelkritiken notwendig sein. Insbesondere die Kritik an der unsachlich begründeten, ressimentgeladenen Beschuldigung der ersten Christen zu Anti-Judaismus ist dabei eminent wichtig. Denn für viele Journalisten ist es eine bequeme Methode, Ursache und Triebkraft für Judenverfolgungen „aller Zeiten“ den Christen in die Schuhe zu schieben.

Der moderne Antisemitismus als Neuansatz der Aufklärung

In dem besprochenen Film ist noch ein zweiter Argumentationsbruch festzustellen. Bevor die Autoren die christliche Kultur als Mutter allen Judenhasses behaupten, erwähnen sie „antisemitische Stereotypen in den Schriften von anerkannten Geistesgrößen“ der europäischen Aufklärung. Genannt werden Voltaire, Kant, Hegel, Wagner, Heidegger, Rousseau, Diderot u. a. Alle diese Autoren waren mehr oder weniger kirchen- und christentumsfeindlich eingestellt. Der moderne Antisemitismus etwa von Voltaire und Kant, Diderot und Heidegger wurde ausdrücklich im Widerspruch zu christlicher Kultur und kirchlicher Tradition entwickelt. Demnach ist der rassistische Antisemitismus der Neuzeit ein Neuansatz – eher in Absetzung von kirchlicher Lehre entstanden. Daher ist die Filmthese, dass aller Judenhass auf die christliche Kultur zurückgehe, offensichtlich unhaltbar. Auch die Filmpassagen, in denen muslimische Rapper Gewalt gegen Juden besingen, sprechen gegen die tendenziöse Richtung der Reportage, dem Christentum alle Schuld für jeglichen Antisemitismus in die Schuhe zu schieben.

Es sind diese Pauschalisierungen und groben Verallgemeinerungen, die die Filmtendenz unglaubwürdig machen – trotz richtiger Einzelbeobachtungen. So ist etwa die Kritik an der palästinensischen Flüchtlingspolitik berechtigt und überfällig: Seit Jahrzehnten werden Palästina-Flüchtlinge der zweiten und dritten Generation („vererbter Flüchtlingsstatus“) in regelrechten Slums als Faustpfand gehalten und instrumentalisiert, um Milliarden Hilfsgelder vom Westen einzusammeln, die die Gaza-Verwaltung zweckentfremdet. Andere Darstellungen sind zwar belegt, aber in ihre Folgerungen unberechtigt: Von der israelischen NGO B’Tselem hatte ein Aktivist den Holocaust als Lüge bezeichnet. Die Organisation hat inzwischen die Trennung von dem Mitarbeiter angekündigt. Gleichwohl nimmt der Film diesen kritischen Einzelfall, um die gesamte israelische Organisation in antiisraelisch-antisemitisches Licht zu rücken. Die Verallgemeinerung geht noch weiter, wenn die evangelische Organisation Brot für die Welt als Geldgeber in den Geruch des Judenhasses gebracht wird.

Das Resümee des Filmautors Joachim Schroeder im FAZ-Interview vom 21. 6.: „Der Antisemitismus drückt sich heute antizionistisch aus. Der Hass gegen Juden wurde kollektiviert.“ Der Judenhass sei nach wie vor das „zivilisierte Herzstück europäischer Kultur“, heißt es im Film. Wenn diese maßlos überzogene Behauptung zuträfe, dann hätten hochgelobte Aufklärer Europa das kalte Herz des Antisemitismus eingepflanzt.
http://www.katholisches.info/2017/06/wie...ote-hochtreibt/
Text: Hubert Hecker
Bild: FAZ/Il Foglio (Screenshots)



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