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  • 22.08.2017 00:26 - Nachrichten Politik Experten Kampf gegen Terror: Geheimagent verrät, wie er in fremde Identitäten schlüpft
von esther10 in Kategorie Allgemein.

Nachrichten Politik Experten Kampf gegen Terror: Geheimagent verrät, wie er in fremde Identitäten schlüpft
"Undercover gegen den Terror"
Geheimagent verrät, wie er in fremde Identitäten schlüpft



Dienstag, 22.08.2017, 19:13
Nach den Anschlägen auf die Londoner U-Bahn 2005 wurde Tom Marcus* vom britischen Inlandsgeheimdienst MI5 rekrutiert. Als hochspezialisierter Undercover-Agent machte er unter anderem Jagd auf islamistische Terroristen in London. FOCUS Online veröffentlicht exklusiv Vorab-Auszüge aus seiner Autobiographie "Undercover gegen den Terror".
Es braucht schon ziemlichen Mut, um ganz allein in ein Glasgower Pub zu gehen, das als Treffpunkt von Terroristen bekannt ist. Seine persönliche Sicherheit muss einem da schon ziemlich egal sein. Besonders, wenn man ein Undercover-Agent des MI5 ist und die vier beobachteten Zielpersonen sich im Pub darüber unterhalten, welche Polizisten sie ermorden sollten.
"Sie waren mir lieber als islamische Extremisten"
Ich bekämpfte mittlerweile seit Jahren irische Terroristen. Sie waren mir lieber als islamische Extremisten, weil sie für eine Sache eintreten und wirklich glauben, sie handelten zum Besten der Nordiren. Das betrachten sie als eine Art familiäre Pflicht. Bei den Islamisten, die sich aus eigenem Antrieb radikalisiert hatten, gab es keine solche Anbindung an die Familie oder die Heimat, sie wollten einfach nur möglichst viele Leute umbringen – egal wo.
Es ging ihnen gar nicht wirklich um Religion oder die Errichtung eines Kalifats. Die Anführer dieser Gruppen, die vornehmlich in Syrien, Irak und Afrika saßen, wollen Macht und Kontrolle. und die Religion benutzten sie als Köder, um Leute anzulocken, die sich für ihre Zwecke einspannen ließen. Wenn die IRA (Irish Republican Army) eine Autobombe hochgehen ließ, rief sie vorher wenigstens bei der Polizei an und gab eine codierte Warnung durch, so dass die Gegend evakuiert werden konnte.
Über den Autor
Tom Marcus wurde nach den Anschlägen vom 7. Juli 2005 in London rekrutiert. Er verbrachte fünf Jahre bei einer verdeckten Sondereinheit in Nordirland, bevor er nach intensivem Training in der Undercover-Terrorabwehr des MI5 eingesetzt wurde. Der MI5 machte einen hochspezialisierten Agenten aus ihm – einen Menschenjäger, wie er selbst sagt. "Undercover gegen den Terror" ist Tom Marcus' Autobiographie.
* Name zur Geheimhaltung seiner Person geändert
Sympathisch waren sie mir deswegen aber noch lange nicht. Sie waren für mich und meinesgleichen auch viel gefährlicher als Islamisten. Ihr konspiratives Verhalten und ihre Art der Spionageabwehr war besser als bei manch einem russischen Geheimdienstler. Nordirische paramilitärische Organisationen wie IRA und UDA bewegten sich auf heimischem Territorium und merkten sofort, wenn irgendetwas nicht stimmte. Ich vergegenwärtigte mir immer wieder, dass sie schon andere Agenten geschnappt hatten.
Als wir uns dem Pub näherten, hörte ich über Funk, wie die anderen Teammitglieder ihre Positionen einnahmen.
„Charlie Vier, ich habe den nördlichen Zugang.“
„Charlie Fünf blickt auf den Eingang des Pubs und kann das Signal zum Bereithalten geben.“
„Eins Acht hat den südlichen Zugang.“
„Null Sechs, hier Basis. Hörst du mich?“
„Ja, ich höre.“ Das würde meine letzte Nachricht über das versteckte Funkgerät sein; ich würde es ablegen müssen, bevor ich das Pub betrat.
„Null Sechs, sei gewarnt. Das Pub ist brechend voll und alle Ziele haben ihre Handys zuhause gelassen. Soweit alles verstanden?“
„Null Sechs, verstanden.“
Das bedeutete nichts Gutes. Wir wussten nicht, ob schon Zielpersonen im Pub waren, und sie im Gedrängel zu finden würde ebenfalls schwer. Ich musste mich mehr oder weniger blind ins Abenteuer stürzen.
„Außerdem steht der Sohn des Wirts im Verdacht, letzte Woche am Mord eines bekannten loyalistischen Paramilitärs in Shankill, Belfast, beteiligt gewesen zu sein.“
"Undercover gegen den Terror": Tom Marcus' Buch auf Amazon
Na toll, ladet ruhig noch ein paar extremistische Spinner ins Pub ein, oder rollt ihnen besser gleich in Thames House einen roten Teppich aus und werft mich den verdammten Wölfen zum Fraß vor.
„Null Sechs an alle, ich bin vor Ort, betrete in etwa fünf Minuten das Pub. Ich lege jetzt das Funkgerät ab.“
Die irischen Paramilitärs waren gut darin, Undercover-Leute aufzudecken
Das Funkgerät musste ich im Lieferwagen zurücklassen – die irischen Paramilitärs waren verdammt gut darin, Undercover-Leute von Polizei und Militär aufzuspüren. Wenn sich solche hochrangigen Zielpersonen trafen, durfte deswegen nur das MI5 ran.
Wir arbeiteten völlig anders als andere verdeckte Ermittler. Die Mitglieder unseres Teams unterschieden sich schon allein von ihrem äußeren Erscheinungsbild extrem voneinander – selbst wenn wir alle nebeneinander ständen, würde niemand auf die Idee kommen, dass wir als Team zusammenarbeiten: Junge, Alte, Weiße, Nerds, Scheichs, Muslime, Männer, Frauen... die Liste ließe sich ewig fortsetzen. Dazu kommt eine Unzahl von Verkleidungen: als Bauarbeiter, Landstreicher, Betrunkene, Geschäftsleute, Schwangere, Senioren usw. Selbst unsere Fahrzeuge passen zu unseren Rollen, schließlich kann man als Landstreicher schlecht aus einem brandneuen Audi steigen.
Heute spiele ich einen Maler, der seine Sorgen ertränkt, nachdem er beim Pferderennen einen Haufen Geld verloren hat. Ich lege das Funkgerät ab und stecke es ins Handschuhfach, während ich mir die Karte der Umgebung noch einmal einpräge. Ich muss mich im Viertel gut auskennen, für den Fall, dass alles den Bach runter geht. Wie komme ich schnellstmöglich zur Hauptstraße, wo mein Team mich auflesen kann?
Ich trage einen mit verschiedenen Farben beklecksten weißen Maleroverall und ausgelatschte Sportschuhe mit Farbspritzern. Jetzt schnappe ich mir Pinsel und einen Eimer Wandfarbe. Ich habe das schon so oft gemacht. Beim Aussteigen aus dem Lieferwagen stippe ich den Pinsel in den Farbeimer.
In neue Identitäten schlüpfen: Verkleidung alleine reicht nicht aus
Eine Verkleidung allein reicht nicht. Niemand darf auch nur auf den Gedanken kommen, an dir könne etwas faul sein. Denn beim kleinsten Zweifel bist du erledigt. Ich halte den Pinsel über meine linke Hand und streiche mit dem rechten Daumen über die Borsten. Die Farbspritzer besprenkeln meine Hand und das Handgelenk. Jetzt das Gleiche mit der rechten Hand, und ich bin fertig. Ich habe überall Farbpünktchen auf der Haut, als hätte ich gerade irgendwo eine Decke gestrichen. Dann werfe ich den Farbeimer und den Pinsel in den Laderaum meines weißen Lieferwagens. Ich weiß, dass ich absolut echt wirke; ich lebe meine Tarnidentität.
Schnell springe ich in ein Wettbüro direkt neben dem Pub, denn ich muss ein paar Wetten platzieren und mich über ein paar Rennen informieren, die diesen Nachmittag stattfinden. All das verschafft mir einen Grund, in der Gegend herumzuhängen, und liefert Anknüpfungspunkte für Unterhaltungen, sollte mich im Pub jemand ansprechen. So hoffe ich, jeden möglichen Verdacht zu meiner Person zu zerstreuen.
Auf dem Weg vom Wettbüro zum Pub schaue ich mich unauffällig um. Ich erkenne keines unserer Fahrzeuge. Das ist ein gutes Zeichen – wenn ich keine sehe, fallen sie auch sonst niemandem auf. Vor allem interessiert mich, ob jemand das Pub überwacht. Die Iren kennen sich mit Abwehrmaßnahmen bestens aus; für sie gehört das Aufspüren feindlicher Agenten zum Tagesgeschäft.
Okay, jetzt weiß ich, dass das Treffen stattfinden wird: Drei Teenager in Hoodies mit den Kapuzen auf dem Kopf sitzen auf einer Mauer, von der aus sie die Straße und den gesamten Verkehr perfekt im Blick haben. Ich muss direkt an ihnen vorbei. Den Wettschein in der Hand, verlangsame ich meinen Schritt ein wenig und lasse ich meine Schuhe über den Asphalt schleifen.
"Wen kümmert schon ein abgerissener Maler?"
Einer der Jungs mustert mich kurz, dann wendet er sich wieder ab. Offenkundig stelle ich keine Bedrohung dar. Wen kümmert schon ein abgerissener Maler, der versucht, sein Pech beim Wetten mit zwei bis zehn Bier zu vergessen?
Noch von der Straße höre ich die Fernseher des Pubs. Celtic spielt, das Pub ist gesteckt voll. Zwölf Fans, alle in Celtic-Trikots, stehen rauchend vor dem Pub, reißen Witze und lachen. Keiner von ihnen beachtet mich. Sehr gut: Draußen steht niemand Wache.
Ich hoffe, dass noch keine unserer Zielpersonen im Pub ist. Das würde mir Zeit geben, mich in die Umgebung einzufügen, mir einen guten Beobachtungsplatz zu sichern und mit ein paar Gästen von vor Ort in Kontakt zu kommen. Dabei durfte ich natürlich nicht vergessen, dass auch die andere Seite wahrscheinlich schon Leute vor Ort hatte, die dafür sorgten, dass ihre Chefs sich hier ohne Bedenken treffen konnten.
"In Situationen wie diesen muss man sogar darauf aufpassen, das richtige Getränk zu bestellen"
Durch Gedrängel und dicken Rauch schiebe ich mich direkt zum Tresen durch. In Situationen wie diesen muss man sogar darauf aufpassen, das richtige Getränk zu bestellen. Nimmt man das Falsche, fällt man sofort auf. Kleinigkeiten entscheiden, weshalb nur die besten Agenten des MI5 in die Nähe dieser Leute dürfen. In solch einer Spelunke darfst du dir keine Diät-Cola bestellen.
Ich werfe einen raschen Blick auf die leeren Flaschen und Gläser und stellte fest, dass die Mehrheit Budweiser aus der Flasche trinkt. Das kommt mir gelegen, denn Budweiser-Flaschen sind dunkelbraun – ich kann also ganz langsam an meinem Bier nuckeln, ohne dass das weiter auffällt. Zweitens kann ich die Flasche zur Not jemandem über den Schädel ziehen, falls hier alles den Bach runter geht.
Es besteht ein gewaltiger und oft lebenswichtiger Unterschied zwischen gewöhnlichen Undercover-Ermittlern und Leuten wie mir. Man muss seine Tarnexistenz wirklich leben, bis hin zum Bezahlen seines Drinks. Ich gebe hier einen abgebrannten Maler, der versucht, die Miete für die nächste Woche zusammenzukratzen, indem er auf Pferde wettet. So jemand bezahlt sein Bier natürlich nicht mit einem druckfrischen 20-Pfund-Schein. Solche Ungereimtheiten könnten dem Wirt auffallen – dessen Sohn, wir erinnern uns, erst in der vergangenen Woche einen politisch motivierten Mord begangen hatte.
„Eine Flasche Bud und einen Kurzen JD.“
Ich lege eine Handvoll Münzen auf die klebrige Holztheke, suche die Pfundmünzen heraus und bezahle damit. Bei diesen Preisen ist der Whisky garantiert verwässert. Der Wirt findet: „Du siehst aus, als bräuchtest du einen Doppelten.“ Ich erkenne seinen Akzent sofort: West-Belfast. Er hebt ein speckiges Schnapsglas an den Ausguss der Whiskyflasche, füllt es und stellt Glas und Flasche vor mich.
Mit dem Rücken zur Tür sitze ich da vor mit meinen Drinks, umgeben von jubelnden Fußballfans, die ihre Weisheiten zum Besten geben, wie sie Weltklassespieler trainieren würden.
Im Video: "IS kommt aus unseren Reihen": Islamgelehrter redet Glaubensbrüdern ins Gewissen

VIDEO
http://www.focus.de/politik/videos/terro...id_7488448.html

Nach Anschlag in Spanien
"IS kommt aus unseren Reihen": Das erwartet ein Islamgelehrter von Muslimen

hier geht es weiter
http://www.focus.de/politik/experten/und...id_7495913.html

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