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  • 16.09.2017 00:01 - Die „Broeders van Liefde“ aus Belgien: in den Wirren des 2. Vatikanischen Konzils (3)
von esther10 in Kategorie Allgemein.

Die „Broeders van Liefde“ aus Belgien: in den Wirren des 2. Vatikanischen Konzils (3)
16. September 2017 0


Broeders van Liefde und die Krise nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil

Der katholische Hospitalorden der Broeders van Liefde (Brüder der Liebe) sorgt in der katholische Kirche für heftige Diskussionen, weil der belgische Zweig des Ordens Ende April bekanntgab, in seinen Krankenhäusern und Betreuungseinrichtungen die Euthanasie einzuführen. Nach einem vatikanischen Ultimatum, diese Entscheidung zurückzunehmen und sich zur katholischen Lehre der Unversehrtheit des menschlichen Lebens zu bekennen, erklärte die Ordensprovinz am Dienstag, am Euthanasie-Beschluß festzuhalten. Diese Entwicklung veranlaßte unseren Autor Ferdinand Boischot, sich mit dem Orden zu befassen. Nach dem ersten Teil, der sich mit der Entwicklung des Ordens von der caritativen Kongregation zum Sozialkonzern befasste, und dem zweiten Teil, der die Entwicklung des Ordens im 19. Jahrhundert zum bedeutendsten caritativen Hospitalorden Belgiens skizziert, stellt nun der dritte Teil die Turbulenzen und den Niedergang des belgischen Ordenszweiges seit dem Zweiten Vatikanischen Konzil dar.

von Ferdinand Boischot

Ende der 50er Jahre geriet die katholische Kongregation der Broeders van Liefde (Fratres caritatis, FC) in spirituell und strukturell sehr schwieriges Fahrwasser; für einen belgischen Orden relativ spät, dafür aber um so gravierender.

Belgien erlebte ab 1959 schwerwiegende politische und wirtschaftliche Turbulenzen. De Flamen protestierten massiv gegen die seit der Gründung Belgiens vorhandene Zurücksetzung und Unterdrückung ihrer Sprache, Kultur und Schule und ihre Vertretung im Staat, im Heer und in der Diplomatie. Die französischsprachigen Wallonen protestierten gegen den ökonomischen Niedergang der Eisen-, Stahl- und Kohleindustrie und gegen die Mehrsprachigkeit. In der belgischen Kolonie Kongo gärte es, wobei zur Vermeidung eines Kolonialkriegs – mit einem in der Bevölkerung nicht durchsetzbaren Einsatz des Heeres – die Kolonie am 30. Juni 1960 abrupt in die Unabhängigkeit entlassen wurde. Große Teile der Bevölkerung forderten die Föderalisierung des Landes, was von anderen Bevölkerungsgruppen ebenso vehement abgelehnt wurde.

Eine schwere Rezession erschütterte die Wirtschaft, die Arbeitslosigkeit stieg an, international kam es fast zu einem Atomkrieg zwischen den Großmächten USA und Sowjetunion (Kubakrise, Anfang des Zweiten Indochinakriegs, Berliner Mauerbau) mit starken Ängsten in der belgischen Bevölkerung.

Parteipolitisch gerieten die große Volksparteien unter Druck. Seit 1958 erlebten die christlich-demokratische Partei (dominant im Norden) und die sozialdemokratische Partei (im Süden) einen fast kontinuierlichen Niedergang bis jetzt zur Minderheitenposition.

Die Broeders van Liefde, stets belgisch-national und volkskatholisch orientiert, gerieten mit in die Tribulationen der christlich-demokratischen Partei und wurden in ihrer Einbettung und Prägung sehr schwer erschüttert.

Nach dem Zweiten Weltkrieg und besonders in den fünfziger Jahren nahmen die positiven Wissenschaften eine gewaltige Entwicklung, besonders auch im Gesundheitssektor. Professionalisierung und Spezialisierung spielten eine immer größere Rolle. Bildung wurde immer mehr nachgefragt: auf Wissen, Schulung und strukturierten Wissen konnte nicht mehr verzichtet werden.

Die Kongregation der Broeders van Liefde, niemals aufgefallen durch Wissen und Intelligenz, sondern viel eher durch Einfachheit (simplicité) und Gutmenschlichkeit, hatte da plötzlich einen sehr schweren Stand.

Schon ab Ende der 40er Jahre gab es starke reformatorische und modernisierende Bestrebungen in Teilen der katholischen Kirche, besonders ausgeprägt, aber teils noch verdeckt, in Belgien.
Gerade belgische Bischöfe (Kardinal Suenens voran) und Theologen sollten das Zweite Vatikanische Konzil dann zu gewaltigen Veränderungen induzieren.

In diesen wirren Umständen geriet der Orden der Broeders van Liefde in schwere Turbulenzen.


Belgische Ordensprovinz und ihr Euthanasie-Beschluß von 2017

Die ursprüngliche Regel kombinierte einen monastischen Lebensstil mit karitativen und erzieherischen Aktivitäten (Bernhardus Simon de Nooter; Aloisius Bourgeois). Dies wurde von vielen Brüdern in der modernen Zeit als nicht mehr passend und als einengend für die Persönlichkeit empfunden.

Die alltäglichen Regeln und Vorschriften („Toepassingen en Gebruiken“) wurden als viel zu umfangreich und antiquiert empfunden.

Die geringen Bildungsmöglichkeiten im Orden und sein geringes Interesse an Hochschulbildung und Diplomen führten zu Unzufriedenheit bei vielen jüngeren Brüdern. Gleichzeitig wurde Bildung eine organisatorische Notwendigkeit bei den staatlichen Anforderungen in vielen Sektoren, wo der Orden tätig war.

Die Laien, in großer Zahl in den vielen Einrichtungen und Schulen beschäftigt, fühlten sich bevormundet und zurückgesetzt, rieben sich am paternalistischen Führungsstil der Brüder und strebten nach Mitsprache.

Der revolutionäre Elan des Zweiten Vatikanischen Konzils (1962-1965) und seiner in Belgien sehr lebhaften Vorbereitungsphase (1958-1962) wirkten sich desaströs für den Orden aus.

Das Lexikon für Theologie und Kirche (unter Ägide von Walter Kardinal Kasper), mit sehr viel Sympathie für die Reform und das Moderne, schreibt trotzdem treffend, daß „das Konzilsdekret betr. das Ordensleben ‚Perfectae caritatis‘ (1964) schon von den Konzilsvätern als ungenügend angesehen wurde“. Für den Orden der Broeders van Liefde führten die konziliaren Reformen und die Revolution der späten 60er Jahre zur Katastrophe.

Viele jüngere Brüder traten aus, heirateten und versuchten sich mit guter Bildung in sozialen Berufen die Selbstverwirklichung.
Der Nachwuchs fiel abrupt und weitgehend weg.
In den Niederlassungen verblieben vielfach nur die ältere und die einfacheren Brüder mit Berufen wie Koch, Gärtner, Hausmeister und Aufpasser.
Der Orden begann sich plötzlich aufzulösen.

Ab 1958 kam es zu einem raschen Verschleiß von Generaloberen, die meist schon nach wenigen Jahren wegen „gesundheitlicher Probleme“ aus dem Amt schieden (obwohl sie dann ein Lebensalter von 80 und mehr Jahren erreichten).

1964 wurde mitten in den Konzilsperikeln ein allgemeines Ordenskapitel zusammengerufen und Hals über Kopf eine tiefgehende Reform ausgelöst:

Die gesamte monastische Prägung mit gemeinsamen Stundengebet, Eucharistie und Gebet wurde kurzerhand total und ersatzlos gestrichen; das Beten wurde der individuellen Person überlassen.
Der Kodex der alltäglichen Regeln und Vorschriften ( „Toepassingen en Gebruiken“) wurde abgeschafft und durch eine minimale Regel ersetzt.
Der Orden hatte damit sein spirituelles Herz verloren.

Für den unitär-belgischen (auf die Einheit des belgischen Staates ausgerichtete) Katholizismus weitaus schlimmer war, daß das Konglomerat karitativer Einrichtungen der Broeders mit seinen enormen öffentlichen Geldströmen und seinem Quasimonopol in der Langzeitunterbringung von psychiatrischen Patienten und Behinderten und in der Heilpädagogik in seiner Funktionalität ernsthaft bedroht wurde.

Die karitativen Werke wurden deshalb schnell und nicht selten Hals über Kopf in die Hände von Laien gelegt. Der Orden öffnete in allen belgischen Provinzen ein separates „Provinzialat“, das die lokalen Häuser verwaltete, jedoch selbst keine Ordensniederlassung war.

Diese Einrichtungen liefen und laufen als jeweils unabhängige „Vereinigungen ohne Gewinnerzielungsabsicht“ (Vereniging zonder winstoogmerk alias VZW), geführt von Laien in Steuerungsgruppen und Aufsichtsräten. Das dadurch entstandene Netzwerk der „Provinzialate“ ist, gelinde gesagt, zumindest undurchsichtig, und die Kriterien zur Ernennung in den Führungsgremien sind sehr mysteriös.

Bei den Erschütterungen und dem raschem Niedergang in Belgien nahm der bis dahin weitestgehend belgische Orden auf Empfehlung des Vatikans 1967 seinen Hauptsitz in Rom und fing an sich vermehrt international zu betätigen (ab 1967 in Rwanda).

Illustrativ für die Wirren:


Agnel Degadt (Generaloberer 1967-1976)
Die neuen Konstitutionen von 1964 wurden 1966 vorläufig approbiert. Typisch übrigens für die gewaltige Verwirrung auf höchster Ebene: diese Statutes wurden erst 1986 von Rom endgültig approbiert (d.h. 19 Jahre nach ihrer Einführung).

Am 13. Mai 1966 verkündeten die belgischen Bischöfe ihr berüchtigtes Mandement bezüglich der Sprachprobleme an der Katholischen Universität Löwen. Mit einem Schlag verschwand ein Großteil der niederländischsprachigen Gläubigen aus den Kirchen. Die Seminare und Juvenate leerten sich in kürzester Zeit. Gerade für die belgischnational orientierte Kongregation der Broeders van Liefde war diese Entwicklung vernichtend.

Zwei Generalkapitel, 1968 und 1969, führten zu stürmischen Diskussionen und starker Verwirrung. Der biographische Eintrag von Bruder Agnel Degadt (1916-2001), Generaloberer 1967-1976, auf Wikipedia ist da sehr kurz:

„Degadt blieb Obere in diesen neun schwierigen Übergangsjahren. Er besuchte regelmäßig die Brüder in den verschiedenen Ländern. Jeden Monat schickte er allen Brüdern einen Brief mit Nachrichten von dem, was in der Kongregation geschah. Die rasanten Entwicklungen, mit denen er manchmal Schwierigkeiten hatte und seine etwas wacklige Gesundheit [Degadt wurde 85 Jahre alt!, Anm. Boischot] führten dazu, daß Degadt sich 1976 nicht mehr zur Wahl stellte.“


Waldebert Deveste (Generaloberer 1976-2000)

Ihm war 1967 als Generalvikar mit besonderen Befugnissen zur Erneuerung der Ordensregeln, und als eigentlicher starker Mann, Bruder Waldebert Devestel, geboren 1930 in Brügge in Westflandern, Jahrgangskollege von Godfried Danneels, zur Seite gesetzt. 1976 wurde Waldebert Devestel im Alter von 46 Jahren Generaloberer und die neue Generation übernahm das Kommando für die nächste 24 Jahren (und auch danach weiterhin zumindest als Provinzobere für Belgien und die Niederlande).

Eine neue (und diesmal keine bessere) Ära war angebrochen.

Diese Periode in der Ordensgeschichte wird in der Literatur nur sehr dürftig behandelt. Merkwürdig, weil in dem vergangenen halben Jahrhundert stets laut und insistierend über die Notwendigkeit und den Glanz des Zweiten Vatikanischen Konzils und besonders über seine sogenannten und vielen Früchte gesprochen wurde. An diesem Obstgarten scheint man jedoch nicht sehr interessiert.

Die „Broeders van Liefde“ aus Belgien: von der caritativen Kongregation zum Sozialkonzern (1)
Die „Broeders van Liefde“ aus Belgien: der caritative Hauptorden Belgiens (2)
http://www.katholisches.info/2017/09/die...chen-konzils-3/



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