Syrischer Bürgerkrieg Kindheit in Trümmern
Sechs Jahre Krieg in Syrien hinterlassen zerstörte Familien. Traumatisierte Kinder wachsen in Armut und Ruinen auf. SOS-Kinderdorf bietet Kindern und Jugendlichen ein sicheres Zuhause und die Rückkehr zur Normalität. Aber die Arbeit der Helfer ist bedroht.
Das SOS-Kinderdorf in Saboura soll 80 Mädchen und Jungen ein Zuhause geben, für die es keine Hoffnung auf eine Rückkehr in ihre Herkunftsfamilie gibt.
Länger als der Zweite Weltkrieg: Der Bürgerkrieg in Syrien dauert seit März 2011 an und ein Ende ist nicht in Sicht. Der IS ist zwar aus seinen urbanen Zentren vertrieben worden, doch die Kämpfe zwischen den verfeindeten Parteien gehen weiter. Das Ausmaß der Gewalt und die Zerstörung von zivilen Einrichtungen wie Krankenhäusern und Schulen hat zuletzt wieder zugenommen.
2,3 Millionen Kinder und Jugendliche sind innerhalb Syriens auf der Flucht, viele von ihnen haben Eltern, Geschwister oder Freunde verloren. Die Kinder werden inmitten von Bomben und Ruinen groß. Gewalt und Zerstörung sind für sie Alltag. Schulbesuche finden unregelmäßig oder gar nicht mehr statt. Viele Kinder müssen schon früh arbeiten und in dieser katastrophalen wirtschaftlichen Situation zum Lebensunterhalt der Familie beitragen. Oft werden sie Opfer von Ausbeutung.
Es fehlen Schulen, Ärzte und Psychologen SOS-Kinderdorf kämpft mit Nothilfe- und Aufbauprojekten gegen das Leid. Mobile Tanks stellen Trinkwasser für zehntausende Menschen zur Verfügung. Hilfspakete mit Nahrungsmitteln und Medikamenten helfen in der schlimmsten Not. Provisorische Kindertagesstätten bieten Kindern geschützte Räume, in denen sie eine Zeit ohne Zwang und Furcht verbringen. Hier können sie malen, musizieren und spielen. Eine Atempause vom täglichen Leid.
Betreuungseinrichtungen an mehreren Standorten in Syrien wie Aleppo, Tartus und Damaskus kümmern sich um hunderte vom Krieg traumatisierte Kinder. SOS-Mitarbeiter Andreas Papp war im Frühjahr 2017 in Syrien und kennt die Situation vor Ort gut: „Die Kinder haben Schreckliches erlebt, sie brauchen mehr psychologische Unterstützung. Ärzte, Psychologen und pädagogische Fachkräfte haben das Land in großer Zahl verlassen. Wir haben einen großen Mangel an qualifiziertem Personal.“
Rund 6,5 Millionen syrischer Kinder sind auf humanitäre Hilfe angewiesen.
Von den Eltern bleiben nur Fotos In dieser dramatischen Situation entsteht südlich von Damaskus in Saboura ein neues SOS-Kinderdorf für 80 Mädchen und Jungen. Es soll Kindern und Jugendlichen ein Zuhause geben, für die es keine Hoffnung auf eine Rückkehr in ihre Herkunftsfamilie gibt.
Zu ihnen zählen die Geschwister Sham, elf Jahre, Nour, neun Jahre, und ihr siebenjähriger Bruder Muhanad. Sie stammen aus Daraja, einer ehemaligen Hochburg der Oppositionellen. Heute ist der Ort vom Krieg verwüstet. Die Mutter starb durch Schüsse, der Vater ist seit langem schwer krank und nicht in der Lage, sich um die Kinder zu kümmern. Dass SOS-Kinderdorf auf die drei aufmerksam wurde, rettete ihnen das Leben.
In der Region von Saboura finden aktuell keine Kampfhandlungen statt, die Menschen haben zum Alltag zurückgefunden. Die Kinder im neuen SOS-Kinderdorf sind zu acht in einer Familie. Eine geregelte Tagesstruktur mit Frühstück, Schule, Hausaufgaben und Zeit für gemeinsame Ausflüge, Spiel und Sport hilft dabei, neuen emotionalen Halt zu finden. Ärzte haben ein offenes Ohr, Lehrer geben ihnen Selbstvertrauen. Ein Psychologe redet mit den Kindern über ihre inneren Schreckensbilder. Tagreed, die Kinderdorfmutter, ist immer da und gibt den Geschwistern lang entbehrte menschliche Nähe. Manchmal holen Sham, Nour und Muhanad zwei verblichene Fotos hervor. Sie sind alles, was ihnen von ihrem früheren Leben geblieben ist. Eines zeigt die Familie, als die Mutter noch lebte. Das andere den Vater. Die Erinnerungen sind schmerzlich – aber auch verbunden mit dem Willen, in eine bessere Zukunft zu gehen.
Hoffnung für eine ganze Generation Projekte wie Saboura sind ein Erfolg, um die Not vor Ort zu bekämpfen. Aber sie existieren bislang nur in geringer Zahl und kommen lediglich einem Bruchteil der Betroffenen zugute. Für die Arbeit ist SOS-Kinderdorf auf finanzielle Unterstützung angewiesen.
„Es ist unser aller Aufgabe dafür zu sorgen, dass aus den syrischen Kindern und Jugendlichen von heute keine verlorene Generation von morgen wird“, sagt Dr. Kay Vorwerk, Vorstandsvorsitzender von SOS-Kinderdorf e.V. „Wir brauchen geschulte Menschen, die die Kinder liebevoll und dauerhaft begleiten und ihnen helfen, ihre Traumata zu verarbeiten.“ Mit den Spenden werden deshalb nicht nur Unterkunft, Nahrung und Kleidung für die Mädchen und Jungen in Saboura bezahlt. SOS-Kinderdorf engagiert sich auch dafür, pädagogische und medizinische Fachkräfte für den Umgang mit schwer traumatisierten Kindern auszubilden.
SOS-Kinderdorf ist ein unabhängiges, nichtstaatliches und überkonfessionelles Kinderhilfswerk, das weltweit aktiv ist. Die Hilfsorganisation hat es sich zur Aufgabe gemacht, bedürftigen Kindern, Jugendlichen und ihren Familien zu einem besseren Leben zu verhelfen. Die Hilfsprojekte sind langfristig angelegt. Eine regelmäßige Unterstützung, wie etwa eine SOS-Patenschaft, ermöglicht es, die Arbeit von SOS-Kinderdorf sinnvoll und nachhaltig zu fördern. http://www.spiegel.de/politik/anzeige-so...-a-1173682.html
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