Ausbau des Staatssekretariats Die Korporation, auf die sich Papst Franziskus stützt 21. November 2017 0
An der Diplomatenakademie des Heiligen Stuhls werden die Vatikandiplomaten ausgebildet. Rechts ist das Pantheon erkennbar.
(Rom) Das Staatssekretariat des Heiligen Stuhls verfügt nun über drei Abteilungen. Dies wurde von Papst Franziskus so entschieden. Mitte Oktober schrieb er dazu ein entsprechendes Dokument an Kardinalstaatssekretär Pietro Parolin.
Bisher gab es die Sektion für die Allgemeinen Angelegenheiten, die sogenannte Erste Sektion, und die Sektion für die Beziehungen mit den Staaten, die sogenannte Zweite Sektion. Die Erste Sektion wickelte den regelmäßigen Kontakt mit den Nuntiaturen ab, das sind die diplomatischen Vertretungen des Heiligen Stuhls in zahlreichen Staaten und bei internationalen Institutionen, die den Botschaften und Gesandtschaften der anderen Staaten entsprechen. Sie wird vom Substituten des Kardinalstaatssekretärs geleitet, derzeit also von Kurienerzbischof Giovanni Angelo Becciu. Die Zweite Sektion ist mit den Konkordaten befaßt, die zwischen dem Heiligen Stuhl und den Staaten abgeschlossen wurden. Sie gilt als die politische Sektion. Ihr Leiter, derzeit Kurienerzbischof Paul Gallagher, wird daher auch als „Außenminister“ des Vatikans bezeichnet.
Päpstliche Verfügung
Nun schrieb Franziskus: „Ich verfüge folgendes“:
Das derzeitige Amt des Delegaten für die päpstlichen Vertretungen „wird verstärkt und zur Dritten Sektion des Staatssekretariats“ aufgewertet mit der „Bezeichnung als Sektion für das Personal des Diplomatischen Dienstes des Heiligen Stuhls“.
Diese Sektion wird vom Delegaten für die päpstlichen Vertretungen geleitet und mit einer ausreichenden Zahl von Offizialen (Beamten) ausgestattet.
„Sie wird den Zweck haben, dem Personal des Diplomatischen Dienstes die Aufmerksamkeit und die Nähe des Papstes und der Oberen des Staatssekretariats zu zeigen.“ Die neue Sektion wird mit allen Fragen befaßt sein, die mit dem diplomatischen Personal zu tun haben: „die Auswahl, die Ausbildung und Weiterbildung, die Lebens- und Dienstbedingungen, die Beförderungen, das örtliche Personal, usw.“.
Der dritte Sektionschef
Der Leiter der neuen Dritten Sektion wird, so die Anordnung des Papstes, zusammen mit den beiden anderen Sektionsleitern „an den wöchentlichen Koordinierungssitzungen teilnehmen, die vom Staatssekretär geleitet werden. Er beruft zudem die Ad-hoc-Sitzungen ein, und führt den Vorsitz, für die Vorbereitung der Ernennungen der päpstlichen Vertreter.“ Schließlich wird er, zusammen mit dem Rektor der päpstlichen Diplomatenakademie „für die Auswahl und die Ausbildung der Kandidaten verantwortlich sein“, die in den Diplomatischen Dienst treten sollen.
Die Anordnung von Papst Franziskus besagt, daß die bisherige Abteilung für die päpstlichen Vertretungen aus der Ersten Sektion ausgegliedert und aufgewertet wird. Leiter dieser Abteilung, und damit auch künftiger Leiter der neuen Dritten Sektion, ist der polnische Kurienerzbischof Jan Romeo Pawlowski. Der 57-Jährige wurde im Dezember 2015 in sein Amt berufen. Zuvor war er seit 2009 Nuntius in der Republik Kongo und in Gabun. Damals war ihm der Ägypter Yoannis Lahzi Gaid zugeteilt, der unter Franziskus zum zweiten, persönlichen Sekretär des Papstes wurde.
Peripherie gegen Zentrum – asymmetrisch
Das Pontifikat Franziskus steht unter einem antizentralistischen Stern, einer Art Aufbegehren der „Peripherie“ gegen die Zentrale in Rom. Zumindest wird sein Pontifikat so dargestellt. Dieser antirömische Affekt quält in unterschiedlicher Dosierung seit Jahrzehnten Teile der Kirche. Franziskus setzt diese Ressentiments auf seine ganz eigene Weise um: durch die Absetzung mehrerer Dikasterienleiter, den Umbau der Römischen Kurie und durch die Forcierung einer Dezentralisierung (Amoris laetitia, Magnum principium).
Kardinal Angelo Sodano
Dabei fiel nach seiner Wahl schnell auf, daß die etwas sozialromantisch verbrämte Darstellung „Peripherie gegen Zentrum“ nicht ganz zutrifft. Die Konfliktlinie ist weniger geographischer als mehr inhaltlicher Natur. Dafür sprach schon im März 2013 die Begeisterung von einem Teil der Römischen Kurie, besonders einiger emeritierter Kurialen, für den neuen Papst. Unter ihnen stach besonders der ehemalige Staatssekretär Angelo Sodano hervor, der Benedikt XVI. seine Emeritierung nachtrug. Überhaupt hatte der deutsche Papst den Einfluß der Vatikandiplomaten zurückgedrängt.
Die Revanche der Diplomaten
Das änderte sich unter Franziskus wieder. Mit seiner Wahl wurde schnell klar, daß die Diplomatenriege um Kardinal Sodano eng hinter dem neuen Kirchenoberhaupt stand. Die Ernennungen und Beförderungen ließen nicht lange auf sich warten, sodaß von der „Revanche“ der Vatikandiplomaten die Rede war, wobei nicht alle, sondern der Kreis um Sodano gemeint war, dessen graue Eminenz er nach wie vor ist. „Eine Korporation, auf die er [Franziskus] seit seiner Wahl zum Papst setzte“, so der Vatikanist Sandro Magister.
Seiter geht, im Widerspruch zur Schwächung der Römischen Kurie und zur Dezentralisierung, eine Stärkung des Staatssekretariats und insgesamt der Berufsdiplomaten einher. Dazu gehört die Ernennung von Diplomaten auf Posten, für die sie nur eine Qualifikation mitbrachten, nämlich Vertraute des Papstes zu sein: z.B. die Ernennung von Lorenzo Baldisseri zum Generalsekretär des Sekretariats der Bischofssynode und von Beniamino Stella zum Präfekten der Kleruskongregation. Beide erhob Franziskus auch in den Kardinalsrang. Substitut Becciu, Leiter der Ersten Sektion, machte er zum Sonderlegaten für den Souveränen Malteserorden, nachdem er Ende Januar 2017 den amtierenden Großmeister zum Rücktritt gezwungen hatte.
Als ungewöhnlichste Ernennung gilt nach wie vor jene von Battista Ricca. Ricca war bis 2004 an den diplomatischen Vertretungen von Algerien, der Schweiz und Uruguay tätig, bis er wegen „unmoralischen Verhaltens“ abgezogen und in den Vatikan zurückbeordert worden war. Dort wurde er Direktor des Gästehauses Santa Marta, das bis zur Wahl von Franziskus keine Rolle spielte. Seit aber der Papst dort residiert, steht es im Mittelpunkt. Ricca war im Juni 2013 von Franziskus zu seinem persönlichen Vertreter bei der Vatikanbank IOR gemacht worden. Der Vatikanist Sandro Magister machte Riccas wenig rühmliche Vergangenheit bekannt, um ihn vor bedenklichen Ernennungen zu warnen, zu denen auch jene von Francesca Chaouqui gehörte. Franziskus änderte seine Meinung aber nicht. Im Gegenteil: Auf den Fall Ricca geht jener berühmt-berüchtigte Satz von Franziskus zur Homosexualität zurück: „Wer bin ich, um zu urteilen?“ Ricca ist nach wie vor Direktor von Santa Marta, Prälat der Vatikanbank ist als dem Diplomatischen Dienst des Staatssekretariats zugeordnet.
Zur Aufwertung der Berufsdiplomaten gehört auch die nun erfolgte Errichtung einer Dritten Sektion, die exklusiv dem Diplomatischen Corps des Vatikans dient. Der ohnehin bereits vorhandene Korpsgeist, den Sodano förderte, erlebt eine weitere Verstärkung. Vor allem gibt Papst Franziskus zu verstehen, daß er mehr als bisher direkt an den Ernennungen mitwirken will.
Text: Giuseppe Nardi Bild: MiL/Vatican.va (Screenshot)
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