Euthanasie Papst für aktive Sterbehilfe? 24. November 2017
(Rom) Die Päpstliche Akademie für das Leben unter der Leitung von Kurienerzbischof Vincenzo Paglia lud am 16./17. November zu einer Tagung über Euthanasie in den Niederlanden. Unter den Referenten befanden sich zahlreiche Euthanasie-Befürworter. Das allein, da in offenem Widerspruch mit der katholischen Lehre über die Heiligkeit des Lebens, wäre bereits ein Skandal, der nach Konsequenzen ruft, würde in Rom nicht Papst Franziskus regieren. Erzbischof Paglia gilt als ein enger Vertrauter des Papstes, der ihn erst am 15. August 2015 eigens auf diesen Posten gesetzt hatte.
Ein nicht minderer Skandal ist es, daß sich unter den Referenten auch die Vorsitzende des Schweizer Ablegers des weltgrößten Abtreibungskonzerns Planned Parenthood befand. Nicht erst seither steht die Frage unbeantwortet im Raum, wie bestimmte Kontakte zwischen dem Vatikan unter Papst Franziskus und den neomalthusianischen Überbevölkerungs- und Abtreibungsideologen zustande kommen.
Bis heute findet sich auf der Internetseite der Päpstlichen Akademie für das Leben kein Hinweis auf diese Tagung, weder vorher noch nachher, obwohl sie auf Einladung der Akademie sogar im Vatikan stattfand. Offenbar hat jemand ein schlechtes Gewissen oder will Wege unter Ausschluß der Öffentlichkeit beschreiten. Anders ausgedrückt: Es soll ein Weg beschritten werden, der sich mit der kirchlichen Lehre und dem bisherigen Kurs nicht vereinbaren läßt.
Der Papst wandte sich mit einer Botschaft an die Tagungsteilnehmer. Obwohl es Franziskus nicht so gesagt hat, waren sich die Massenmedien einig: Der Papst „öffnet für die Sterbehilfe“ und „geht neue Wege“ bei der Euthanasie. Aus dem Vatikan kam kein Dementi gegen diese „Falschmeldungen“.
Sie müssen also ernster genommen werden, als es den Katholiken lieb sein kann. Da Journalisten nicht willkürlich erfinden, was sie berichten, müssen ihnen von die päpstlichen Intentionen glaubwürdiger Seite in der Kirche in diesem Sinne nahegebracht worden sein.
Franziskus hatte in seiner Botschaft einerseits gesagt, daß Euthanasie immer „bleibt“. Gleichzeitig wandte er sich gegen eine „therapeutische Verbissenheit“ und sagte ein Wort, das das Gegenteil des bisher gesagten zum Ausdruck brachte. Verurteilte der Papst die Euthanasie, um sie wenige Sätze danach durch die Hintertür wieder hereinzuholen?
Papst Franziskus und sein Adlatus Paglia sorgen an einer weiteren Front, dem Lebensende, für Verwirrung, als gäbe es solcher Fronten in der Kirche inzwischen nicht schon genug.
Der ehemalige Richter, Kabinettschef mehrerer Minister und im Ruhestand nun auch Schriftsteller, Domenico Cacopardo, Mitglied des Aspen Institute Italien, schrieb gestern in der Tageszeitung Italia Oggi einen Kommentar zu dieser Verwirrung. Seine Position zum Thema Euthanasie ist abzulehnen. Sein Kommentar wir dennoch dokumentiert, um zu zeigen, wie das päpstliche Handeln aufgenommen wird:
Die Worte des Papstes verstärken die Mißverständnisse
von Domenico Cacopardo
Ich werde Msgr. Vincenzo Paglia nicht bezichtigen, mit den Worten gespielt zu haben. Ich werde nur sagen, daß Msgr. Paglia seine Pflicht gegenüber Papst Franziskus erfüllt und die ideologische (also doktrinelle) Richtigkeit der päpstlichen Neuerung in Sachen Lebensende oder Euthanasie, wie immer man das nennen will, vertreten hat. Wenn jemand mit den Worten gespielt hat, dann war es wenn schon der Papst selbst, der bei einem öffentlichen Anlaß anderes behauptet hat. Mehr oder weniger folgendes: Wenn es augenscheinlich ist, daß die Verhältnismäßigkeit zwischen der Behandlung und den Lebensperspektiven fehlt, ist es „eine moralische Pflicht“ [der Papst gebrauchte das Adjektiv „doveroso“, das vom italienischen Wörterbuch Sabatini Coletti erklärt wird 1) als moralische Pflicht oder 2) als Respekt, der anderen geschuldet ist], sie abzubrechen. Ein „doveroso“, das schwer wie ein Mühlstein wiegt auf dem von zweitausend Jahren Christentum vorgezeichneten Weg. Doch mit den doktrinellen und theologischen Auswirkungen von Franziskus werden sich die Theologen im Talar befassen.
Persönlich bin ich für die Euthanasie, glaube aber, daß es zu einem so sensiblen Thema der Klarheit bedarf. In der aktuellen Realität liegt die therapeutische Entscheidung in der Hand des Arztes. Er entscheidet, wenn er die Sinnlosigkeit der Therapien festgestellt hat, wann sie abgebrochen werden. Damit entscheidet er indirekt auch das Sterben des Patienten. Die Euthanasie scheint anders zu sein: Sie bedeutet den Willen des Patienten umzusetzen, nicht länger leben zu wollen. Das wird schwer zu verstehen sein, wer sich aber mit dem Übel des Jahrhunderts, dem Krebs, befaßt, kennt diese Dinge gut.
Bei uns würde es sich um Mord handeln. Viel hängt von der Sensibilität und der Barmherzigkeit des medizinischen Personals ab: ob und wann entschieden wird, die Behandlung abzubrechen. Sie wissen sehr gut, daß der Kranke innerhalb kurzer Zeit aufhören wird zu leben. Die „kurze Zeit“ ist ein weiterer kritischer Punkt: Ist es ein Tag, eine Woche, ein Monat des Leidens (und des Lebens), die dem Kranken „erspart“ wird (und der Gemeinschaft an Geld)? Wer urteilt darüber? Ein Richter könnte jeden Therapieabbruch für voreilig halten.
In philosophischer und begrifflicher Hinsicht ist es unmöglich, zwischen Euthanasie und einem moralisch verpflichtenden [„doveroso“] Abbruch der Behandlung zu unterscheiden. Zwischen den beiden Modalitäten ist die Grenze labil. Man sagt: Die Euthanasie geschieht auf Wunsch des Kranken. Der aber weiß häufig gar nicht, in welcher Phase er sich befindet. Deshalb verstärken die Worte des Papstes das Mißverständnis. Da es sich um einen Jesuiten handelt, der imstande ist, die Gegensätze zu konjugieren, ist das nicht verwunderlich. https://www.katholisches.info/2017/11/pa...ve-sterbehilfe/
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