Mordfall Susanna F. Die Jagd auf Ali B. – wie es wirklich war
Mordfall Susanna: Todenhöfer kritisiert Ali B.s Auslieferung nach Deutschland FOCUS Online/WochitAli B. hat den Mord bereits gestanden
Montag, 11.06.2018, 19:28
FOCUS Online hat die Fahndung nach dem mutmaßlichen Täter Ali B. und die Umstände seiner Festnahme akribisch recherchiert. Fazit: Ohne Bundespolizeipräsident Dieter Romann wäre nichts passiert. Und: Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) gab gegen alle Widerstände in der Bundesregierung grünes Licht für die Festnahmeaktion. Eine Rekonstruktion.
Er gilt als durchsetzungsfähig, ein harter Hund, der auch gerne mal abseits des üblichen Protokolls eigene Weg geht. Einer, der die Sprache seiner 40.000 Polizisten spricht. Unkonventionell gewiss, wenn er sich wieder eine Zigarette dreht.
Dennoch hat es der promovierte Jurist geschafft, das einst etwas bräsige Image der größten Polizei-Organisation der Republik aufzupolieren. Zugleich schafft Romann trotz unbequemer Ansichten über die Folgen der Asylpolitik den Spagat, um auf dem schlüpfrigen Berliner Polit-Parkett nicht auszurutschen.
Das liegt nicht zuletzt daran, dass der 57-Jährige durch sein persönliches Engagement in etlichen heiklen Missionen wieder mehr Vertrauen in die hiesigen Sicherheitsbehörden erzeugt hat.
Spezialisten der kurdischen Polizei und des Nachrichtendienstes
Romann hatte sich nach Informationen von FOCUS Online früh in die Fahndung nach dem mutmaßlichen Mörder von Susanna F. aus Wiesbaden eingeschaltet. Als sich herausstellte, dass die Familie um den gesuchten Ali B. in ihre nordirakische Heimat zurückgekehrt war, nahm der Bundespolizeichef über den Berliner Residenten Dilshad Barsani Kontakt zu dessen Bruder Massud auf.
Letzterer verfügt als Ex-Präsident der Autonomen Region Kurdistan rund um das nordirakische Erbil immer noch über den entscheidenden Einfluss in der Region. Seit Jahren bilden Bundespolizei und Bundeswehr die kurdischen Peschmerga an Waffen aus. Romann unterhält seit Langem exzellente Beziehungen zur einflussreichen Barsani-Familie.
Vergangenen Donnerstag kabelten die Fahnder Unterlagen und Fotos des Gesuchten nach Erbil. Die dortigen Behörden schickten Spezialisten der kurdischen Polizei und des Nachrichtendienstes los. Die Ermittler forschten bei der weitverzweigten Familie der 20-jährigen Zielperson nach. Dabei ließen sie verlauten, dass Ali B. in Deutschland wegen Mordes an einem Mädchen gesucht werde. Daraufhin lieferte die Familie den entscheidenden Tipp über den Aufenthaltsort des Delinquenten.
Mord in erster Vernehmung gestanden
Freitags um fünf Uhr morgens setzten die Einsatzkräfte Ali B. fest. Er hatte friedlich draußen auf dem Anwesen seines vermögenden Onkels geschlafen.
Bald darauf klingelte es bei Romann in Berlin: „Wir haben ihn“, meldete Barsani stolz.
Die hiesigen Behörden reagierten erleichtert, schließlich hatten die Kurden Telefongespräche des Beschuldigten mitgehört, wonach er bald in der irakischen Hauptstadt Bagdad oder im Iran abtauchen wollte.
In seiner ersten Vernehmung vor Ort gestand der Gefasste bereits die schreckliche Tat, allerdings bestritt er, das Mädchen vorher vergewaltigt zu haben. Alsbald übermittelten die kurdischen Stellen den Wunsch, Ali B. abzuschieben. Diese Aufgabe fällt in die Zuständigkeit der Bundespolizei, ebenso sind die Bundes-Cops für die Sicherheit in der Luft verantwortlich. Umgehend plante man die Rückführung von Ali B.
Im Video: Hier landet Ali B. im Hubschrauber bei der Polizei in Wiesbaden
https://www.focus.de/politik/deutschland...id_9078939.html
Hier landet der mutmaßliche Mörder von Susanna F. bei der Polizei in Wiesbaden
FOCUS Online/WochitHier landet der mutmaßliche Mörder von Susanna F. bei der Polizei in Wiesbaden Fortan liefen die Telefondrähte in Berlin heiß. Nach Informationen von FOCUS Online wurden Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) und sein Staatssekretär schon sehr früh über die Möglichkeiten einer baldigen Rückholaktion des mutmaßlichen Mörders informiert. Beide gaben grünes Licht für das Unternehmen. Auch, dass der Bundespolizeipräsident selbst mitreiste, um den Delinquenten in Empfang zu nehmen, fand ihre Zustimmung. Schließlich wollte man die hochrangigen kurdischen Emissäre nicht mit dem Besuch eines kleinen Hauptkommissars verärgern.
Politikum mit Minister Maas
Bevor aber die Reise losging, sollen Bundesjustizministerium und Auswärtiges Amt (AA) Bedenken angemeldet haben. Tenor: Da es kein Auslieferungsabkommen mit dem Irak gebe, drohten diplomatische Verwicklungen. Wie FOCUS Online aus Berliner Regierungskreisen erfuhr, soll das Haus von Außenminister Heiko Maas (SPD) sogar gedroht haben, dass von den Mitarbeitern des deutschen Generalkonsulats in Erbil keine Hilfe zu erwarten sei. Doch das BMI gab Romanns Vorhaben volle Rückendeckung. Das AA bestreitet den Vorgang. Aber Insider in Berlin haben FOCUS Online das Geschehen versichert. Ein Politikum, das sicher noch im Bundeskabinett für Unruhe sorgen wird.
Begleitet von Elite-Polizisten
Vergangenen Samstagmorgen um 9.30 Uhr startete der Flieger von Frankfurt am Main gen Erbil. An Bord befanden sich sieben Mitglieder der Anti-Terroreinheit GSG 9 und zwei Air-Marshalls nebst Polizeichef Romann. Während des Fluges weihten Beamte den Piloten in das Vorhaben ein. Man werde auf dem Rückflug einen Gefangenen mitnehmen, hieß es, aber alles werde ruhig verlaufen. Der Kapitän willigte ein.
Am Nachmittag landete die Airbus-Maschine auf dem neuen Flughafen 15 Kilometer entfernt von der Stadt. Die deutschen Polizisten verharrten im Flieger, um außenpolitischen Zwist mit der irakischen Zentralregierung in Bagdad zu vermeiden.
Ali B. wurde in den hinteren Teil des Jets auf einen Mittelplatz verfrachtet. Neben ihm nahmen zwei Elite-Polizisten Platz, hinter und vor ihm sicherten zwei weitere Kollegen ab.
Untersuchungshaft
Insgesamt saßen nur 20 weitere Fluggäste in der Maschine. Nach der Landung stand Polizeichef Romann auf und dankte allen Mitgliedern der Crew für ihre Unterstützung. Ein Moment, der kaum einen unberührt ließ.
Ali B. verhielt sich während der Reise ruhig, meist schlief er bis zur Landung in Frankfurt. Vor dem Amtsrichter hat der Verdächtige sein Teilgeständnis wiederholt, inzwischen sitzt er in Untersuchungshaft in der Justizvollzugsanstalt Frankfurt/Main und wartet auf seinen Prozess.
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Im Video: Mord an Susanna schürt Ängste - Experte verrät, was gegen die Furcht hilft https://www.focus.de/politik/deutschland...id_9078939.html
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