Recycelte Kirchen? Was tun mit den aufgelassenen Kirchen? Ein Problem, das die Kirche bewegt. Im Herbst findet in Rom eine Tagung dazu statt. (Rom) Mit dem brennenden Thema aufgelassener Kultstätten wird sich eine Tagung an der Päpstlichen Universität Gregoriana im kommenden November befassen.
Das offizielle Tagungsthema enthält eine provokante Frage:
„Wohnt hier nicht Gott? Das Auflassen von Kultstätten und die integrierte Verwaltung kirchlicher Kulturgüter“.
Die Tagung findet am 29./30. November statt und diskutiert das Schicksal aufgelassener Kultstätten. Das Thema beschäftigt die Kirche vor allem in den sich entchristlichenden Staaten Westeuropas, wo durch die Zusammenlegung von Pfarreien, schrumpfende Meßbesucherzahlen und Priestermangel immer mehr Kirchen aufgelassen werden.
Was aber soll mit den aufgelassenen und aufgegebenen Kirchen geschehen? Die Pfarreien und Diözesen stöhnen unter den Erhaltungskosten.
Derzeit werden die Kapellen und Kirchen zum Teil verkauft, wie in Belgien und den Niederlanden. Sie werden zu Supermärkten, Wohnungen, Diskotheken, oder sie werden abgerissen.
Das schmerzt vor allem die Gläubigen. Jede verlassene Kirche, jede Kirchenruine ist Sinnbild einer Verfallserscheinung. Ihr Anblick zeigt nicht nur eine historische Fehlentwicklung an, sondern verlangt eigentlich nach dem Wiederaufbau nach dem Vorbild des heiligen Franz von Assisi.
Präsentation der Tagung Am 10. Juli wurde die Tagung vom Päpstlichen Kulturrat in Anwesenheit von Kardinal Giancarlo Ravasi und dem gewesenen Generalsekretär der Italienischen Bischofskonferenz und nunmehrige Präfekt der Güterverwaltung des Apostolischen Stuhls (APSA), Msgr. Nunzio Galantino, in Rom vorgestellt.
Abriß des Immenrather Domes St. Lambertus Abriß des Immenrather Domes St. Lambertus Das Thema sei „delikat, schmerzhaft und komplex“, so Kardinal Ravasi bei der Präsentation.
Der Heilige Stuhl verfügt über keine Statistiken über aufgelassene Kirchen. Eine systematische Zählung wurde bisher nicht veranlaßt.
Wie aus der Präsentation hervorging, bewegt die Kirchenführung vor allem der Umgang der Medien mit dem Thema. Diese berichteten in der Vergangenheit vor allem die teils heftigen Reaktionen der Gläubigen auf den Verkauf oder den Abbruch von Kirchen. Die Menschen empfinden einen Identitätsverlust. Die Kirche bildet in Europa in den meisten Orten den Mittelpunkt und durch den Kirchturm einen festen Orientierungspunkt.
Definitiv zum Konfliktfall wird eine völlige Zweckentfremdung oder der Verkauf an Vertreter einer anderen Religion. Gerade die Umwandlung in Moscheen weckt starken Widerstand.
Die Tagung finde vor allem in Frankreich, Belgien, den Niederlanden, der Bundesrepublik Deutschland, den USA und Kanada reges Interesse, wie Kardinal Ravasi mitteilte.
„Reversible Umwidmung“ Was das Thema konkret bedeutet, verdeutlichte am 15. Juli die spanische Tageszeitung El Pais mit einem Artikel über Barcelona. Dort planen die Stadtverwaltung und das Erzbistum Barcelona die Herausgabe eines Buches von Alba Arboix über die Nutzung nicht mehr gebrauchter Kirchen. El Pais titelte:
„Recycelte Kirchen?“
Demnach wird nach einer „neuen, sozialen und kulturellen Nutzung“ von Kirchengebäuden in den 132 Pfarreien von Barcelona gesucht, die ein „reiches, ungenütztes Kulturerbe“ darstellen.
Es gehe darum, die aufgelassenen Kirchen der Nutzung durch die Gemeinschaft zu „erhalten“, denn für die Gemeinschaft wurden sie errichtet. Damit werde, so Arboix, dessen Buch an der Universitat Politecnica de Catalunya (UPC) als Doktorarbeit approbiert wurde, die zentrale Bedeutung der Kirche für die Stadtarchitektur und die städtebauliche Geschichte anerkannt. Die kirchliche Architektur macht in Europa 70 Prozent der erfaßten Kulturgüter aus. Diese Zahl verdeutliche, so Arboix, den großen Anteil am europäischen Kulturerbe und den Verlust, der potentiell im Raum stehe. Daher plädiert er für eine „regulierte Umwidmung“.
Auch in Barcelona gibt es Beispiele von aufgelassenen Kirchen, die einer anderen Nutzung zugeführt wurden. In die Kapelle des früheren Hauses der Barmherzigkeit zog eine Buchhandlung ein. In einer anderen Kapelle steht heute der gigantische Computer des EU-Projekts MareNostrum und in ein aufgelassenes Kloster und die dazugehörende Klosterkirche zog ein Supermarkt ein.
Es gebe aber weit mehr aufgelassene Kirchen und Kapellen in der Stadt. Arboix plädiert für eine Nutzung, die mit dem religiösen Zweck der Kirchenbauten vereinbar sei. Gemeint ist, daß sie als Gebäude in der ursprünglichen Form erhalten bleiben. Als mögliche Nutzung nennt er Konzerte, Preisverleihungen, Theateraufführungen, Ausstellungen. Konkret meint Arboix „reversible“ Veränderungen. Die Umwidmung sollte jederzeit problemlos rückgängig gemacht werden können, falls das Gebäude wieder ihrer ursprüngliche Nutzung zugeführt werden kann.
Arboix spricht von einer „funktionalen Gemeinschaftsnutzung“, die er als Idee der Politik nahelegt, und in der er für die Kirche eine Hilfe bei der Erhaltung der Kirchengebäude sieht. Die gemeinsame Herausgabe des Buches durch Stadtregierung und Erzbistum zeigt, daß Arboix-Idee bei den genannten Adressaten Anklang findet.
Text: Andreas Becker Bild: El Pais (Screenshot)/Wikicommons
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