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  • 14.09.2018 00:26 - Gedanken von Roberto de Mattei* Kirche und Kirchenmänner
von esther10 in Kategorie Allgemein.

Gedanken von Roberto de Mattei*
Kirche und Kirchenmänner
12. September 2018



Roberto de Mattei über die Kirchenkrise, den Schmutz in der Kirche, über unwürdige Hirten und einen treuen Teil der heldenhaft treu bleibt.
Die mutige Anklage der kirchlichen Skandale durch Erzbischof Carlo Maria Viganò hat viel Zustimmung gefunden, aber auch Ablehnung durch einige, die überzeugt sind, daß man alles, was die Vertreter der Kirche diskreditiert, durch Schweigen zudecken sollte.
https://www.katholisches.info/2018/09/ki...kirchenmaenner/

Dieser Wunsch, die Kirche zu schützen, ist verständlich, wenn der Skandal eine Ausnahme darstellt. Es besteht in einem solchen Fall die Gefahr einer Verallgemeinerung, indem allen das Verhalten weniger angelastet wird. Anders liegt der Fall, wenn die Unmoral zur Regel oder zumindest zu einer verbreiteten und als normal akzeptierten Lebensart wird.

In diesem Fall ist die öffentliche Anklage der erste Schritt zu einer notwendigen Erneuerung der Sitten. Das Schweigen zu brechen, gehört zu den Pflichten des Hirten, wie der heilige Gregor der Große ermahnt:

„Was nämlich ist für einen Hirten die Angst, die Wahrheit zu sagen, wenn nicht mit seinem Schweigen dem Feind den Rücken zu kehren? Wenn er hingegen für die Verteidigung der Herde kämpft, errichtet er gegen die Feinde einen Schutzwall für das Haus Israel. Deshalb ermahnt der Herr durch den Mund Jesajas: ‚Rufe aus voller Kehle, halte dich nicht zurück! Laß deine Stimme ertönen wie eine Posaune!‘ (Jes 58,1)“.

Ausgangspunkt eines schuldhaften Schweigens ist meist die fehlende Unterscheidung zwischen der Kirche und den Männern der Kirche – ob einfache Gläubige oder Bischöfe, Kardinäle oder Päpste. Einer der Gründe für diese Verwirrung ist gerade der Rang der in die Skandale verwickelten Autorität.

Je höher die Würde, desto mehr besteht die Neigung, sie mit der Kirche gleichzusetzen, indem Gut und Böse unterschiedslos beiden zugeschrieben wird. In Wirklichkeit steht das Gute allein der Kirche zu, während das Böse allein den Menschen geschuldet ist, die sie repräsentieren.

Deshalb kann die Kirche nicht als Sünderin bezeichnet werden.

„Sie bittet den Herrn um Vergebung nicht für von ihr begangene Sünden, sondern für die Sünden, die ihre Söhne und Töchter begehen, indem sie nicht auf sie als Mutter hören“, so P. Roger T. Calmel OP (1920–1998).1)

Alle Glieder der Kirche, die der Ecclesia docens und der Ecclesia discens angehören, sind Menschen mit ihrer von der Erbsünde verletzten Natur. Weder macht die Taufe die Gläubigen noch das Weihesakrament die Angehörigen der Hierarchie makellos. Selbst der Papst kann sündigen und sich irren, ausgenommen er handelt im Charisma der Unfehlbarkeit.

Es ist daran zu erinnern, daß die Gläubigen nicht die Kirche bilden, wie es hingegen für die menschliche Gesellschaft gilt, die aus den Gliedern besteht, die sie bilden. Eine Bindung die sofort endet, sobald sie sich von ihr lösen.

Zu behaupten: „Wir sind die Kirche“, ist daher falsch, weil die Zugehörigkeit der Getauften zur Kirche nicht von ihrem Willen abhängt: Es ist Christus selbst, der einlädt, Teil seiner Herde zu sein, indem er zu jedem sagt:

„Nicht ihr habt mich erwählt, sondern ich habe euch erwählt“ (Joh 15,16).

Die von Jesus Christus gegründete Kirche hat eine menschliche und göttliche Verfassung: menschlich, weil sie eine materielle und passive Komponente hat, die von allen Gläubigen gebildet wird, sowohl vom Klerus als auch von den Laien; übernatürlich und göttlich, wegen ihrer Seele.

Jesus Christus, ihr Haupt, ist das Fundament, der Heilige Geist ist ihr übernatürlicher Antrieb. Die Kirche ist also nicht heilig wegen der Heiligkeit ihrer Glieder, sondern ihre Glieder sind heilig durch Jesus Christus, der sie leitet, durch den Heiligen Geist, der sie lebendig macht. Der Kirche eine Schuld anzulasten, ist demnach, als würde man sie Jesus Christus und dem Heiligen Geist anlasten. Von Ihnen kommt alles Gute, das heißt, alles was „wahrhaft, edel, recht, lauter, liebenswert, ansprechend ist, was Tugend heißt und lobenswert ist“ (Phil 4,8), und von den Menschen der Kirche kommt alles Übel: Unordnung, Skandale, Mißbrauch, Gewalt, Schmutz, Sakrilege.

Der Passionisten-Theologe Enrico Zoffoli (1915–1996), der diesem Thema einige schöne Zeilen widmete, schreibt:

„Wir haben also nicht das geringste Interesse, die Fehler der schlechten Christen, der unwürdigen Priester, der feigen, nutzlosen, unehrlichen und arroganten Hirten zu decken. Die Absicht, ihre Sache zu verteidigen, ihre Verantwortung kleinzureden, die Folgen ihrer Irrtümer herunterzuspielen, auf historische Kontexte und Ausnahmesituationen zurückzugreifen, um damit alles zu erklären und alle freizusprechen, wäre naiv und vergebens.“2)

Heute gibt es viel Schmutz in der Kirche, wie der damalige Kardinal Ratzinger beim Kreuzweg am Karfreitag 2005 sagte, der seinem Aufstieg zum Pontifikat vorausging.

„Wie wenig Glaube ist in so vielen Theorien, wieviel leeres Gerede gibt es? Wieviel Schmutz gibt es in der Kirche und gerade auch unter denen, die im Priestertum Ihm [Jesus] ganz zugehören sollten?“

Das Zeugnis von Msgr. Carlo Maria Viganò ist verdienstvoll, weil er, indem er den Schmutz ans Licht bringt, das Werk der Reinigung der Kirche um so dringender macht. Es muß klar sein, daß das Verhalten von unwürdigen Bischöfen und Priestern nicht den Dogmen oder der kirchlichen Moral entspricht, sondern ihren Verrat bedeutet, weil es die Leugnung des Gesetzes des Evangeliums ist.

Die Welt, die die Kirche anklagt, klagt sie an, eine Moralordnung verletzt zu haben: Doch im Namen von welchem Gesetz und welcher Lehre maßt sich die Welt an, die Kirche anzuklagen? Die Lebensphilosophie, zu der sich die moderne Welt bekennt, ist der Relativismus, laut dem es keine absolute Wahrheit gibt und das einzige Gesetz des Menschen das ist, keinem unveränderlichen Gesetz zu unterstehen. Die praktische Konsequenz daraus ist der Hedonismus, laut dem die einzig mögliche Form, glücklich zu sein, darin besteht, die eigenen Freuden und Instinkte zu befriedigen. Wie kann die prinzipienlose Welt über die Kirche urteilen und sie verurteilen?

Die Kirche hat das Recht und die Pflicht, über die Welt zu urteilen, weil sie über eine absolute und unveränderliche Lehre verfügt.

Die moderne Welt, ein Kind der Französischen Revolution, entfaltet folgerichtig die libertinen Ideen des Marquis de Sade (1740–1814): freie Liebe, freie Gotteslästerung, totale Freiheit, jede Bastion des Glaubens und der Moral zu leugnen und zu zerstören, so wie in den Tagen der Revolution die Bastille niedergerissen wurde, in der Sade eingesperrt war. Das Ergebnis von alledem ist die Auflösung der Moral, die zur Zerstörung der Grundlagen für das zivilisierte Zusammenleben führt, und aus den beiden vergangenen Jahrhunderten die dunkelste Epoche der Geschichte machte.

Das Leben der Kirche ist auch eine Geschichte von Verrat, Abtrünnigkeit, Apostasie und mangelnder Entsprechung der Göttlichen Gnade. Diese tragische Schwäche wird aber immer von einer außerordentlichen Treue begleitet: Dem Sturz, selbst den erschreckendsten Fällen durch viele Angehörige der Kirche, steht das Heldentum der Tugend vieler anderer ihrer Kinder gegenüber.

Ein Strom der Heiligkeit ergießt sich aus der Seite Christi und fließt üppig durch die Jahrhunderte: Es sind die Märtyrer, die sich den wilden Tieren im Kolosseum stellen; es sind die Eremiten, die der Welt entsagen, um ein Leben der Buße zu führen; es sind die Missionare, die bis zu den äußersten Grenzen der Erde vordringen; es sind die unerschrockenen Bekenner des Glaubens, die Schismen und Häresien bekämpfen; es sind die kontemplativen Ordensleute, die mit ihrem Gebet die Verteidiger der Kirche und der christlichen Zivilisation stützen.

Sie alle haben auf unterschiedlichen Wegen ihren Willen dem Göttlichen Willen gleichgemacht. Die heilige Teresa vom Kinde Jesu hätte alle diese Berufungen in einem höchsten Akt der Liebe zu Gott zusammenfassen wollen.

Jeder Heilige ist vom anderen verschieden, aber gemeinsam ist allen die Verbundenheit mit Gott: Es ist diese Verbundenheit, die nie aufhört, und die aus der einen, katholischen und apostolischen Kirche vor allem und zu allererst eine vollkommen heilige Kirche macht. Die Heiligkeit der Kirche hängt nicht von der Heiligkeit ihrer Kinder ab: Sie ist ontologisch, weil sie mit ihrer Natur zusammenhängt. Damit die Kirche heilig genannt werden kann, ist es nicht nötig, daß alle ihre Kinder heiligmäßig leben. Es genügt, daß dank des Lebensstromes des Heiligen Geistes ein Teil von ihnen, vielleicht auch nur ein kleiner, in den Zeiten der Prüfung dem Gesetz des Evangeliums heldenhaft treu bleibt.

*Roberto de Mattei, Historiker, Vater von fünf Kindern, Professor für Neuere Geschichte und Geschichte des Christentums an der Europäischen Universität Rom, Vorsitzender der Stiftung Lepanto, Autor zahlreicher Bücher, zuletzt in deutscher Übersetzung: Verteidigung der Tradition: Die unüberwindbare
Wahrheit Christi, mit einem Vorwort von Martin Mosebach, Altötting 2017.
https://www.katholisches.info/2018/09/ki...kirchenmaenner/
Bild: MiL



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