22. JANUAR 2019
Kaspers „Komplott“ – „Ein erzwungener Rücktritt von Papst Franziskus wäre nicht gültig“
22. Januar 2019
Ist ein Komplott gegen Papst Franziskus im Gange? Kardinal Kasper ist überzeugt davon. . (Rom) Kardinal Kasper, der Spiritus rector des derzeitigen Pontifikats, warnt vor einem erzwungenen Rücktritt von Papst Franziskus.
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Der ehemalige Bischof von Rottenburg-Stuttgart und emeritierte Präfekt des Päpstlichen Rats zur Förderung der Einheit der Christen ist eine der Gestalten, die das Pontifikat des amtierenden Papstes vorbereitet haben. Kasper trat gleich nach dem Rücktritt von Papst Benedikt XVI. auf, indem er das soeben abgetretene Kirchenoberhaupt während der Sedisvakanz von 2013 öffentlich warnte, sich in die Wahl seines Nachfolgers einzumischen. Katholisches.info schrieb damals: „Warnung an Benedikt XVI. von einem Kasper – Anti-Ratzinger-Pontifikat in Planung„.
Heute ist bekannt, daß Kasper dem innerkirchlichen Geheimzirkel von Sankt Gallen angehörte, in dem sich seit den 90er Jahren hohe und höchste, progressive Kirchenmänner gesammelt hatten. Er gehörte zudem dem Team Bergoglio an, einem vierköpfigen „Exekutivorgan“ des Geheimzirkels mit dem Auftrag, die Wahl von Kardinal Jorge Mario Bergoglio vorzubereiten. Ihn hatte der Geheimzirkel als Kandidat der progressiven Fronde auserkoren.
Seit der Wahl von Papst Franziskus gilt Kardinal Kasper, dessen Theologie hegelianisch geprägt ist, als „der Theologe des Papstes“. In den umstrittensten Momenten des derzeitigen Pontifikats ist die Handschrift Kaspers zu erkennen: von der Zulassung sogenannter wiederverheirateter Geschiedener zu den Sakramenten bis zur Zulassung der Protestanten zur heiligen Kommunion. In beiden Fällen kann von einer real existierenden Protestantisierung der katholischen Kirche gesprochen werden.
Gestern warnte Kasper in einem Zeitungsinterview vor einem „erzwungenen Rücktritt“, also einer faktischen Absetzung von Papst Franziskus. Das Interview veröffentlichte die linksliberale, italienische Tageszeitung Il Fatto Quotidiano (FQ). Anlaß war ein ARD-Interview Kaspers, bei dem er von innerkirchlichen Gegnern von Papst Franziskus sprach, die das argentinische Kirchenoberhaupt zum Rücktritt zwingen wollen. Das Wort „Komplott“ ging anschließend um die Welt. Die italienische Tageszeitung Libero sprach von „Kaspers Bombe„. Die Gegner des Papstes, wollen Franziskus „ausschalten, um zu einem neuen Konklave zu gelangen“.
Die Interviews zeugen von einer gewissen Nervosität, die im Zusammenhang mit den jüngsten Mißbrauchsskandalen und zweifelhaftem Lebenswandel von Bischöfen und Kardinälen stehen, die im Laufe der vergangenen 12 Monate bekannt wurden und Papst Franziskus auf unterschiedliche Weise nicht im besten Licht zeigen. Es entstand der Eindruck, daß er in mehreren Fällen trotz Kenntnis über Fehlverhalten oder Mißbrauch untätig blieb oder potentielle Täter sogar protegierte. Alle in diesem Zusammenhang bekannt gewordenen Fälle betreffen Bischöfe oder Kardinäle, die Papst Franziskus nahestehen.
Die erwähnte Nervosität erhöhte sich schlagartig, seit Ende August der ehemalige Nuntius für die USA, Erzbischof Carlo Maria Viganò ein Dossier zum Fall von Ex-Kardinal McCarrick veröffentlicht und darin schwerwiegende Anschuldigungen gegen Papst Franziskus erhob. Und seit Oktober 2018, als direkte Reaktion darauf, eine Initiative von katholischen Laien in den USA bekanntgab, alle Kardinäle mit Blick auf ein künftiges Konklave durchleuchten zu wollen, um Mißbrauchstäter oder Vertuscher aufzudecken. Vor allem will die Initiative mit Dossiers aber verhindern, daß die wählenden Kardinäle, aber auch die Journalisten und die Weltöffentlichkeit über manche Kardinäle so gut wie gar nichts weiß, vor allem nicht, welche Positionen sie vertreten, wie es bei Jorge Mario Bergoglio der Fall war. Die Initiative stellt jährlich mehr als eine Million Dollar für eine sachkundige und professionelle Recherchearbeit zur Verfügung.
Seit dem Auftreten dieser Laieninitiative ist durch liberale weltliche und progressive kirchliche Medien eine Gegenreaktion festzustellen, die von der New York Times ausging. Es wird eine „Konspiration“ gegen Papst Franziskus behauptetund der Eindruck erweckt, als gebe es so etwas wie einen konservativen Geheimzirkel von Sankt Gallen. Von einem solchen fehlt allerdings jede Spur. Die Absicht hinter diesem Versuch ist allerdings um so klarer. Die Enthüllung des progressiven Geheimzirkels von Sankt Gallen wird im Umfeld von Papst Franziskus als Belastung empfunden. Pikant daran ist, daß es ausgerechnet ein Mitglied des Geheimzirkels selbst war, nämlich der liberale, belgische Kardinal Godfried Danneels, der in offensichtlicher Siegerlaune über die gelungene Wahl von Franziskus und den neuen Kurs der Kirche, für seine Biographie, die Existenz des Geheimzirkels Sankt Gallen ausplauderte.
Kaspers Wortmeldungen zeigen: Mit dem Näherrücken des Mißbrauchsgipfel Ende Februar, der von neuen Mißbrauchsskandalen überschattet wird, steigt im päpstlichen Umfeld die Spannung.
Das Wort „Komplott“ will der Kardinal im ARD-Interview nicht gebraucht haben, jedenfalls nicht offen. In der Sache aber wiederholte er seine Aussage und sandte mit seinen genau abgewogenen Worte mehrere Signale aus.
„Ein erzwungener Rücktritt wäre nicht gültig“ FQ: Wenn sie von Komplott gegen Papst Franziskus sprechen, worauf beziehen Sie sich genau?
Kardinal Kasper: Ich muß die Übersetzung meines deutschen Textes noch anschauen. Ich kann nicht sagen, ob die Übersetzung ganz richtig ist. Dennoch: Ich spreche von Gruppen, die öffentlich kritisch gegenüber Papst Franziskus sind.
FQ: Wer will heute das Ende dieses Pontifikats und warum?
Kardinal Kasper: Die Antwort findet sich im Internet, auf katholischen Internetseiten, auf italienisch, deutsch, englisch…
FQ: Was passiert an der Kurie im Moment von so hoher Spannung: Sind Dossiers in Umlauf?
Kardinal Kasper: Ich bin ein emeritierter Kardinal. Ich habe keinen Zugang zu diesen Dossiers. Ich betreibe wieder Theologie.
FQ: Sie behaupten, daß das Thema des sexuellen Mißbrauchs zu einem Modus geworden ist, um Franziskus zu diskreditieren und nicht, um ein altes und sehr schwerwiegendes Übel zu beseitigen.
Kardinal Kasper: Ich sage nicht, daß der Skandal des sexuellen Mißbrauchs nur ein Instrument gegen Papst Franziskus ist. Im Gegenteil, das ist für mich ein wirklicher Skandal und ein Verbrechen, und man muß alles tun, um es auszumerzen und Klarheit zu schaffen. Ich sage nur, daß einige diesen Skandal ausnützen, um dem Papst zu schaden. Andere hingegen instrumentalisieren ihn für ihre Agenda gegen den Zölibat. Das nenne ich einen Mißbrauch des Mißbrauchs.
FQ: Sie haben Franziskus und sein Reformhandeln immer unterstützt. Haben Sie nie mit dem Papst über das Komplott gesprochen?
Kardinal Kasper: Es stimmt, daß ich an der Seite des Papstes stehe, aber es gibt nur sehr seltene, persönliche Begegnungen. Ich verwende nicht den Begriff Komplott. Ich habe nie mit ihm darüber gesprochen.
FQ: Würde Franziskus nie zurücktreten?
Kardinal Kasper: Laut den Regeln des Kirchenrechts und den dort festgelegten Bedingungen kann ein Papst zurücktreten. Das ist eine völlig persönliche und freie Entscheidung, die in Wirklichkeit bisher sehr selten war. Ein erzwungener Rücktritt wäre ungültig. Für mich gilt: Habemus Papam und ich bin froh darüber. Deswegen hatte ich noch keinen Grund, über eine so unwahrscheinliche Eventualität nachzudenken und zu diskutieren.
FQ: Der Rücktritt von Joseph Ratzinger erfolgte spontan?
Kardinal Kasper: Ich kenne Benedikt XVI. seit 55 Jahren. Ich weiß, daß er lange nachgedacht und gebetet hat, schon lange bevor er den Verzicht auf das Petrusamt bekanntgegeben hat. Er hat erklärt, und das nehme ich ernst, daß er es in völliger Freiheit und aus den Gründen getan hat, die er in seiner Erklärung vor den Kardinälen genannt hat. Es war eine demütige, großzügige und mutige Entscheidung, die allen Respekt verdient.
Text: Giuseppe Nardi Bild: FQ (Screenshot)
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