Kolumne: „So läuft es“ Ich laufe täglich mit meiner Hündin Spagna – ein Zeichen von ihr hat alles verändert
Mike Kleiß lief jeden Tag mit seiner Hündin Spagna - bis sie ihm ein Zeichen gab. Mike KleissMike Kleiß lief jeden Tag mit seiner Hündin Spagna - bis sie ihm ein Zeichen gab. FOCUS-Online-Autor Mike Kleiß
Donnerstag, 25.04.2019, 17:59 FOCUS-Online Kolumnist Mike Kleiß hat dieser Tage eine Beobachtung gemacht. Eine, die ihm sehr unter die Haut ging. Es geht um seine Hündin Spagna, die sich plötzlich verändert hat.
Seit sieben Jahren laufe ich nun mit Spagna. Quasi jeden Tag. Bis vor einem Jahr war Dante an ihrer Seite. Beide hatte ich damals aus dem Tierschutz adoptiert. Dante ging letztes Jahr – viel zu früh – über die Regenbogenbrücke. Plötzlich und unerwartet ging er.
Ließ Spagna und mich zurück, obwohl wir morgens noch gemeinsam laufen waren. Wir konnten uns nicht einmal mehr richtig von Dante verabschieden, zu schnell setzten seine Organe aus, zu schnell mussten wir ihn erlösen. Dante hat ein riesiges Loch hinterlassen. Noch heute bilde ich mir manchmal ein, ihn am Waldrand stehen zu sehen.
–– ADVERTISEMENT ––
Er fehlt.
Jeden Tag.
Wir vermissen ihn.
Jeden Tag.
Es vergeht kaum ein Lauf, bei dem ich mich nicht frage, wie es ihm jetzt wohl geht. Ob er auf uns wartet, ob er dort oben über Felder und Wiesen rennt. In jede Pfütze mit Anlauf springt und sich unendlich freut. Noch immer ist es so, dass ich seinen Nachfolger Bilbo mit „Dante“ anspreche.
Kurzbiografie Mike Kleiß Mike Kleiß treibt seit seiner Kindheit Sport. „Wer sich bewegt, erreicht mehr“, ist sein Lebensmotto. Das Laufen war immer sein Lieblingsthema. Seit sieben Jahren läuft er nahezu täglich zwischen 15 und 20 Kilometern, oft Marathon, manchmal Ultra-Marathon. Bisher hat unser Kolumnist zwei Bücher zum Thema Laufen veröffentlicht. Er ist Gründer und Geschäftsführer der Kommunikationsagentur GOODWILLRUN. Mike Kleiß lebt mit seiner Familie in Hamburg und in Köln. Er schreibt hier jeden Donnerstag über das Laufen.
Und es gar nicht merke. Bis meine Partnerin leise sagt: „Nicht Dante, Schatz. Bilbo!“ Dann schießt mir die ein oder andere Träne in die Augen. Und es verschlägt mir die Stimme. Es wird noch einige Zeit brauchen, bis ich mit Dantes Tod klarkomme. Vergessen werde ich ihn nie.
Auch Spagna vermisst ihren großen Freund, ich bin sehr sicher. Natürlich hat sie in Bilbo einen jungen neuen Gefährten.
Sie liebt ihn.
Er liebt sie sehr.
Aber Dante war Spagnas große Liebe. Auch wenn sie es nicht so zeigen konnte.
Wir sind uns einig, haben das gleiche Ziel: Kolumnist Mike Kleiß mit Bilbo und Spagna (rechts) Mike Kleiß "Wir sind uns einig, haben das gleiche Ziel": Kolumnist Mike Kleiß mit Bilbo und Spagna (rechts)
Die Hündin setzt klare Signale Spagna zeigt mir jedoch deutlich Dinge. Gerade in den letzten Wochen setzt sie klare Signale, wenn auch auf ihre Art. Wenn auch sehr vorsichtig. Wer seinen Hund lesen kann, spürt bereits kleine Veränderungen. Oder Dinge, die uns der Gefährte auf seine Art und Weise sagen will. Spagna ist auf unseren täglichen Laufrunden etwas langsamer geworden.
Während Bilbo und ich schon einige Meter weiter sind, lässt sich das „alte Mädchen“ etwas zurückfallen. Ich habe es zunächst auf die plötzlich doch sehr hohen Temperaturen geschoben. Spagna mochte Hitze noch nie sonderlich gerne. Nun haben wir aber noch keinen Sommer. Und somit redete ich mir alles nur ein wenig schön.
Vor einigen Tagen nahm ich am Ende meines Laufs eine sehr lange Treppe. Ungefähr 300 bis 400 Stufen vom Fluß bis zum Marktplatz. Spagna nahm die ersten Stufen wie immer. Bei der Hälfte wurde es dann sichtbar: Meine wundervolle Hündin schonte sich, verlangsamte ihr Tempo, schließlich lief sie ganz normal die letzten Stufen. Bilbo und ich gingen hinter ihr her. Passten uns ihrem Schritt an.
Es war ein Moment, der mich schier verzweifeln ließ. Denn es war der Tag gekommen, an dem ich mir eingestehen musste, dass Spagnas beste Laufzeiten nun der gemeinsamen Vergangenheit angehörten. Sie hat mich zusammen mit Dante zum Laufen gebracht. Ich habe Spagna unendlich viel zu verdanken. Sie war es, die stets an meiner Seite gelaufen ist, bei Sonne, Regen, Hagel, Schnee oder brütender Hitze.
Mike Kleiss lief jeden Tag mit seiner Hündin Spagna - bis sie ihm ein Zeichen gab. Mike KleißMike Kleiss lief jeden Tag mit seiner Hündin Spagna - bis sie ihm ein Zeichen gab. Ohne die Hunde zu laufen, fühlt sich leer an
Nun war der Tag also da, ihre unendliche Güte zu belohnen. Indem ich mich ihr anpasste. Indem ich nun ab sofort auf sie Rücksicht nehme. So wie sie es umgekehrt ihr ganzes Leben lang für mich getan hat. Seit einigen Tagen also gehe ich mit Bilbo und Spagna spazieren, danach laufe ich. Alleine. Für Bilbo ist es in der Tat bereits zu warm.
Für Spagna ist es zu schnell und zu weit. Deshalb laufe ich ohne die Hunde und das fühlt sich leer an. Einfach leer. Eines Tages wird sich Bilbo an weite Distanzen gewöhnt haben, und ich kann ihn mitnehmen. Spagna wird vielleicht, wenn es wieder kühler wird, fünf bis zehn Kilometer mitlaufen können. Aber es wird der Tag kommen, an dem auch das zu weit für sie ist. Und das habe ich zu respektieren.
Auf keinen Fall werde ich ignorieren, was mir Spagna zu sagen hat. Auf keinen Fall werde ich egoistisch sein und dieses wunderbare Wesen überfordern, sie zwingen, sich mir anzupassen. Spagna soll in Würde altern. Darf gerne immer kauziger werden, mürrischer, störrischer, verwegener. Das ist völlig in Ordnung. Nur würde ich mir wünschen, dass wir noch viele Jahre gemeinsame, lange Spaziergänge machen.
Bis zu dem Tag, an dem sie auf Dante trifft. Um mit ihrer großen Liebe dort oben zu laufen. Hasen zu jagen, durch Rapsfelder zu rasen. So wie es immer war. Wenn auch Sie mit dem Hund laufen, achten Sie auf seine Signale. Und respektieren Sie diese.
Das sind wir unseren Gefährten wirklich schuldig.
So läuft es.
Hier geht es zu allen Texten der Kolumne "So läuft es" von Mike Kleiß.
Für Sie im Video: In 7000 Metern Tiefe entdeckt: Unbekannte Kreatur macht Forscher „sprachlos“