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  • 21.07.2019 00:23 - Roberto de Mattei über: Das Ende des Rechts
von esther10 in Kategorie Allgemein.

Roberto de Mattei über: Das Ende des Rechts
LÖST SICH IN DER KIRCHE DAS LEGALITÄTSPRINZIP AUF?
11. Juli 2019


Warum werden nach den Enthüllungen von Erzbischof Viganò keine Ermittlungen gegen den neuen Substituten des Kardinalstaatssekretärs eingeleitet?
Von Roberto de Mattei*

Sollte Papst Franziskus von irgendeinem Richter irgendwo auf der Welt eines Verbrechens angeklagt werden, müßte er sich seiner Würde als Oberhaupt der katholischen Kirche entblößen und dem Urteil eines Gerichts unterwerfen. Das ist die logische und notwendige Konsequenz der aufsehenerregenden Entscheidung, mit der der Heilige Stuhl dem Apostolischen Nuntius in Frankreich, Msgr. Luigi Ventura, der sexueller Belästigungen beschuldigt wird, die diplomatische Immunität entzogen hat.

Der Heilige Stuhl hätte den Nuntius seines Amtes entheben und – in Erwartung, daß die französische Justiz ihren Lauf nimmt – eine kanonische Untersuchung gegen ihn, aber auch für ihn einleiten können, um seine Rechte zu garantieren. Die Entscheidung, den päpstlichen Repräsentanten einem weltlichen Gericht auszuliefern, sprengt das Rechtsinstitut der diplomatischen Immunität in die Luft, die Ausdruck par excellence der Souveränität der Kirche und ihrer Freiheit und Unabhängigkeit ist. Es geht um dieselbe diplomatische Immunität, um es noch deutlicher zu sagen, auf die man sich berufen hat, um Kardinal Konrad Krajewski, den Almosenier von Papst Franziskus vor einer Strafverfolgung in Italien wegen der von ihm begangenen Straftaten zu schützen.

Instrumentalisierter Gebrauch des Kirchenrechts
Was hier geschieht, fügt sich in das Bild einer besorgniserregenden Auflösung rechtsstaatlicher Prinzipien innerhalb der Kirche. Das Recht ist mitwesentlich für die Kirche, die eine charismatische Dimension und eine rechtliche Dimension hat, die untrennbar miteinander verbunden sind wie Seele und Körper. Die rechtliche Dimension der Kirche ist jedoch auf ihr übernatürliches Ziel ausgerichtet und steht im Dienst der Wahrheit. Wenn die Kirche ihren übernatürlichen Zweck aus dem Auge verliert, wird sie zu einer Machtstruktur und die Gewalt der kirchlichen Funktion überwiegt gegenüber dem, was wahr und richtig ist. Dieses „funktionalistische“ Verständnis der Kirche wurde von Kardinal Gerhard Müller jüngst in einem Interview von Edward Pentin im National Catholic Reporter beklagt. Kardinal Müller erklärte, daß mit der sogenannte Kurienreform, wie sie seit Monaten diskutiert wird, die Gefahr besteht, die Römische Kurie in eine Institution zu verwandeln, in der die ganze Macht im Staatssekretariat konzentriert ist und das Kardinalskollegium und die zuständigen Kongregationen entmachtet werden:

„Sie sind dabei, die Institution der Kurie in eine reine Bürokratie umzuwandeln im Sinne des bloßen Funktionalismus und nicht einer kirchlichen Institution.“

Ein Ausdruck dieses Funktionalismus ist der instrumentalisierte Gebrauch des Kirchenrechts, um religiöse Orden und einzelne Priester mit Sanktionen zu belegen, die nicht bereit sind, sich dem neuen Paradigma von Papst Franziskus anzupassen.

Im Fall der religiösen Gemeinschaften erfolgt der repressive Eingriff im allgemeinen, indem sie einer kommissarischen Verwaltung unterstellt werden, auf die ein Dekret zur Auflösung oder des völligen Umbaus des Instituts folgt, ohne daß eine angemessene Begründung genannt wird und meist in „forma specifica“, also mit päpstlicher Approbation und somit ohne Rekursmöglichkeit. Diese Vorgehensweise, die immer öfter zur Anwendung kommt, trägt sicher nicht dazu bei, die Gemüter einer kirchlichen Situation zu beruhigen, die von starken Spannungen erschüttert ist. Selbst wenn man davon ausgeht, daß es in einigen Ordensgemeinschaften menschliche Mängel gibt: Wäre es nicht besser, sie zu korrigieren, anstatt sie zu zerstören? Was wird aus jungen Priestern und Seminaristen, die sich dafür entschieden haben, ihr Leben der Kirche zu widmen, denen aber das Charisma, an dem sie sich orientieren, entzogen wird? Welche Barmherzigkeit wird ihnen gegenüber geübt?

Der Fall der Franziskaner der Immakulata macht leider in diesem Sinne Schule.

Was die einzelnen Priester angeht, entspricht die Auflösung dem Ausschluß aus dem Rechtsstatus des Klerikers, also die sogenannte Laisierung. Der Klerikerstand, der sich auf den Rechtsstatus bezieht, ist nicht mit dem Weihesakrament zu verwechseln, das den sakramentalen Status anzeigt und der Seele des Priesters einen unauslöschlichen Charakter einprägt.

Der Verlust des Klerikerstatus ist eine problematische Maßnahme, vor allem was die Bischöfe betrifft, die Nachfolger der Apostel sind. Viele Bischöfe sind im Laufe der Geschichte in schwere Sünden, Schismen und Häresien gefallen. Die Kirche hat sie oft exkommuniziert, aber nie in den Laienstand zurückversetzt, weil ihre Bischofsweihe unauslöschlich ist. Heute hingegen wird die Laisierung mit großer Leichtigkeit vollzogen und oft nicht nach einem Gerichtsverfahren, sondern durch Anwendung eines Verwaltungsverfahrens, das 1983 in den neuen Codex des Kirchenrechts eingeführt wurde. Im Verwaltungsverfahren gibt es keinen Instanzenweg. Es gibt nur einen Entscheidungsgrad, der Ermessenspielraum der Richter ist sehr weitreichend, und der Angeklagte, dem manchmal nicht einmal ein Rechtsbeistand zugestanden wird, ist der Rechte beraubt, die ihm ein ordentliches Gerichtsverfahren garantiert. Der Präfekt der zuständigen Kongregation hat zudem die Möglichkeit, zum Beispiel bei der Aufhebung einer Ordensgemeinschaft, um die päpstliche Approbation in forma specifica anzusuchen, die den Betroffenen jede Möglichkeit nimmt, den Rechtsweg zu beschreiten und Einspruch dagegen einzulegen.

Bedenkliche Praxis des kurzen Prozesses
Die Folge ist eine Praxis des kurzen Prozesses ausgerechnet durch jene Institution, die sich in der Geschichte am meisten um Rechtsgarantien verdient gemacht hat. Es werden die Worte von Pius XII. vergessen, die er an die Juristen richtete:

„Die Funktion des Rechts, seine Würde und das für den Menschen natürliche Gefühl der Gerechtigkeit erfordern, daß die Strafmaßnahmen von Anfang bis Ende nicht auf Willkür und Leidenschaft gründen, sondern auf klaren und festen Rechtsnormen [. . . ]. Wenn es nicht möglich ist, eine Schuld mit moralischer Gewißheit festzustellen, muß der Grundsatz zur Anwendung kommen: ‚In dubio standum est pro reo‘“ (Rede vom 3. Oktober 1953 an die Teilnehmer der Internationalen Tagung über das Strafrecht, in AAS 45 (1953), S. 735–737).

Im Unterschied zur Exkommunikation, die auf die Idee absoluter Wahrheiten verweist, die der Kirche anvertraut sind, wird die Zurückversetzung in den Laienstand von der Welt leichter verstanden, die die Kirche als ein Unternehmen sieht, das seine Angestellten auch ohne berechtigten Grund „entlassen“ kann. Dieses funktionalistische Verständnis der Autorität macht die Bußdimension der Kirche zunichte. Indem sie den Schuldigen Gebet und Buße auferlegt, zeigt die Kirche, daß ihr vor allem ihre Seelen am Herzen liegen. Um der Welt zu gefallen, die nach exemplarischen Strafen verlangt, ist man an den Seelen der Schuldigen desinteressiert, die nach Hause geschickt werden, ohne daß die Kirche sich weiter um sie kümmert.

Der wirkliche Grund für den moralischen Kollaps der Kirche
In einem am 11. April 2019 vom Corriere della Sera verbreiteten Aufsatz hat Benedikt XVI. den Grund für den moralischen Kollaps der Kirche dem „Garantismus“ zugeschrieben, einer überzogenen Verteidigung der bürgerlichen Rechte und Garantien. Für die Zeit nach 1968 schreibt er:

„Dazu kam aber ein grundsätzliches Problem in der Auffassung des Strafrechts. Als ‚konziliar‘ galt nur noch der sogenannte Garantismus. Das heißt, es mußten vor allen Dingen die Rechte der Angeklagten garantiert werden und dies bis zu einem Punkt hin, der faktisch überhaupt eine Verurteilung ausschloß. Als Gegengewicht gegen die häufig ungenügende Verteidigungsmöglichkeit von angeklagten Theologen wurde nun deren Recht auf Verteidigung im Sinn des Garantismus so weit ausgedehnt, daß Verurteilungen kaum noch möglich waren.“

Das Problem war in Wirklichkeit aber nicht ein Übermaß an Rechtsgarantien für die Angeklagten, sondern eine überzogene Toleranz gegenüber ihren Verbrechen. Einige von ihnen wie die Homosexualität wurden seit den Jahren des Zweiten Vatikanischen Konzil, das der 68er-Revolution vorausging, nicht mehr als solches betrachtet. In den Jahren des Konzils und der Nachkonzilszeit drang in die katholischen Seminarien, Kollegien und Universitäten eine relativistische Kultur ein, in der die Homosexualität als moralisch irrelevant betrachtet und anstandslos toleriert wurde. Benedikt XVI., der „Nolltoleranz“ gegen die Pädophilie forderte, hat nie eine „Nolltoleranz“ gegen die Homosexualität gefordert und sich damit – wie auch sein Nachfolger – den Gesetzen der Welt gebeugt.

Wovor hat die Kirche Angst?
In den vergangenen Wochen wurden von Erzbischof Carlo Maria Viganò schwerwiegende Verbrechen gegen die Moral enthüllt, die von Erzbischof Edgar Peña Parra begangen wurden, den Papst Franziskus zum Substituten des Kardinalstaatssekretärs gemacht hat. Warum haben die kirchlichen Autoritäten, die seit Jahren von diesen Anschuldigungen unterrichtet waren, nie Untersuchungen eingeleitet, so wie sie auch nie Ermittlungen zu den Verbrechen aufgenommen haben, die im Präseminar Pio X begangen wurden, das die Ministranten für die päpstlichen Zeremonien im Petersdom ausbildet? Die Autoritäten haben die Pflicht eine Untersuchung einzuleiten, eine unverzichtbare Pflicht, nachdem die Worte des mutigen Erzbischofs in der ganzen Welt zu hören waren.

Noch eine andere Frage verlangt nach einer Antwort: Kardinal George Pell ist seit vergangenem März in einem Hochsicherheitsgefängnis in Melbourne isoliert, wo er auf das Berufungsurteil wartet, nachdem er in erster Instanz verurteilt wurde. Warum berauben ihn die kirchlichen Autoritäten eines kanonischen Prozesses, der seine Schuld oder Unschuld nicht vor der Welt, sondern vor der Kirche feststellt? Es ist ein Skandal, daß Kardinal Pell im Gefängnis sitzt und die Kirche schweigt, indem sie das Urteil der Welt abwartet und sich weigert, ein eigenes Urteil zu fällen, das möglicherweise im Widerspruch zu dem der Welt sein könnte.

Wovor hat die Kirche Angst? Ist Jesus nicht gekommen, um die Welt zu besiegen? Das Recht, das ein Instrument der Wahrheit sein sollte, ist zu einem Instrument der Macht jener geworden, die heute die Kirche regieren.

Eine Kirche, in der sich das Legalitätsprinzip auflöst, ist eine Kirche ohne Wahrheit, und eine Kirche ohne Wahrheit hört auf, Kirche zu sein.

*Roberto de Mattei, Historiker, Vater von fünf Kindern, Professor für Neuere Geschichte und Geschichte des Christentums an der Europäischen Universität Rom, Vorsitzender der Stiftung Lepanto, Autor zahlreicher Bücher, zuletzt in deutscher Übersetzung: Verteidigung der Tradition: Die unüberwindbare Wahrheit Christi, mit einem Vorwort von Martin Mosebach, Altötting 2017.
https://katholisches.info/2019/07/11/rob...nde-des-rechts/

Übersetzung: Giuseppe Nardi
Bild: Corrispondenza Romana



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