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  • 05.10.2019 00:57 - Das Ende wartet auf jeden von uns. Über Greta Thunberg und die Endzeit
von esther10 in Kategorie Allgemein.

Das Ende wartet auf jeden von uns. Über Greta Thunberg und die Endzeit



Gemälde von John Martin, entstanden um 1821

Von Paul Badde (Vatican Magazin)
05 October, 2019 / 4:49 PM

Greta Thunberg hat Recht und die ganze Welt hat es gehört: "Menschen leiden, Menschen sterben. Komplette Ökosysteme kollabieren. Wir befinden uns im Anfang eines massenhaften Artensterbens, und alles, woran Ihr denken könnt, sind Geld und Märchen von ewigem Wachstum. Wie könnt Ihr es wagen!" Tränen des Zorns traten der Schülerin in die Augen, als sie in New York über uns alle zu Gericht saß, über uns Autofahrer, Vielflieger und Fischund Steakliebhaber.

Und doch hat sie nicht ganz recht und natürlich auch Unrecht. Wir befinden uns nicht am Anfang eines Artensterbens, wir sind längst mittendrin. In den letzten fünfzig Jahren ist die Zahl der Vögel in Nordamerika um ein Viertel gesunken.

"An der Küste, in Graslandschaften, Wäldern und Gärten in den USA und Kanada wird es stiller," hieß es kürzlich im "Spiegel"-Magazin. Siebzig Prozent aller Vögel weltweit leben indes nur noch als "Federvieh" in stinkenden Hühnerfabriken zur Eierund Fricassee-Produktion. Persönlich habe ich seit meiner Kindheit nicht mehr erlebt, wie eine Lerche senkrecht neben mir aus einem Feld in den Himmel stieg.

Als wir in diesem Sommer aber von der Adria zurück zur Thyrrenischen Küste fuhren, hat diese Reise fast keiner einzigen Mücke oder Fliege das Leben gekostet, wo wir früher zur selben Jahreszeit alle hundert Kilometer zur Tankstelle mussten, um die Windschutzscheiben von ihren sterblichen Überresten zu säubern. In Italien sehen wir auch, wie der so genannte Götterbaum (Ailanthus auf Latein) sich wie Unkraut zwischen den Pinien, Ölbäumen, Zypressen und Palmen vermehrt und ausbreitet, und keiner kann es dem Gewächs wehren.

Im Petersdom oder den Vatikanischen Museen sehe ich Abertausende, die nicht mehr schauen und staunen, sondern nur noch mit ausgestrecktem Arm jeden Schritt mit ihrem Smartphone filmen und ich kenne Greise, die sich daran berauschen, wenn sie nachts die likes abzählen, die sie auf Facebook und anderen Echoblasen für aberwitzige Kommentare einsammeln können. Die schöne neue Welt ist verrückt und aus dem Gleichgewicht und das ist mit den Händen zu greifen.

In Wirklichkeit ist also alles viel schlimmer, als Greta es sich und uns ausmalt. Dazu kommt ein anderes. Auf dem Judenfriedhof in Prag findet sich das Grabmal Rabbi Löws, wo wir sehen können, dass Jehuda ben Bezal’ el Löw am 17. September 1609 gestorben ist. Er war eine historische und keine mythische Gestalt. Doch nebenan, in der "Altneuschul", wie die Synagoge der Prager Josefstadt auf Deutsch heißt, soll sich auf dem Speicher noch der zerbröselte Lehm befinden, in den der Golem wieder zerfallen ist, wie jene Gestalt genannt wurde, die Rabbi Löw als Schutz für die jüdische Gemeinde in einer Stunde großer Not aus Lehm, den Buchstaben des hebräischen Alphabets und seinem Atem erschaffen haben soll. Im Jahr 1593, als die Gefahr gebannt war, entließ Rabbi Löw dieses Wesen dann wieder in die Nichtexistenz, wie es heißt. Auf jeden Fall war der höchst reale Rabbiner und gesuchte Gesprächspartner Kaiser Rudolfs II. ein Talmudist, Lehrer und Philosoph des sechzehnten Jahrhunderts mit legendärer Geisteskraft. Und er wurde nicht müde zu betonen, dass der Messias kommen werde, wenn die Menschen versuchen würden, ihre Hände nach dem "Baum des Lebens" auszustrecken.

Ist das so, glauben wir natürlich daran, dass der Messias dann "wiederkommt".

Denn wir kennen ihn ja und sein Gesicht und seinen Namen. "Jesus von Nazareth, der König der Juden" wird als Christus wiederkommen, "zu richten die Lebenden und die Toten", wie wir in unserem Credo bekennen. Und dabei erinnern wir uns zweitens daran, dass die Menschen, nachdem sie vom verbotenen "Baum der Erkenntnis" gekostet hatten, tatsächlich aus dem Paradies vertrieben wurden, weil Gott sprach: "Aber jetzt soll er nicht seine Hand ausstrecken, um auch noch vom Baum des Lebens zu nehmen". So "vertrieb er den Menschen und ließ östlich vom Garten Eden die Cherubim wohnen und das lodernde Flammenschwert, damit sie den Weg zum Baum des Lebens bewachten."Nehmen wir diese Auskunft im ersten Buch der Bibel ernst, wäre jetzt – auch ohne die Prophezeiung Rabbi Löws – die rechte Zeit, dass der Herr endlich wiederkommt, um dem Menschen Einhalt zu gebieten bei seinem jüngsten Versuch, seine Langfinger auch noch nach dem Baum des Lebens auszustrecken. In Japan soll gerade die Produktion eines Mischwesens gelungen sein, halb Mensch, halb Tier. Die "Sehnsucht nach Perfektion" des Menschen und die Möglichkeit der Organzüchtung mittels Chimären fasziniert viele Bio-Ingenieure schon seit Jahrzehnten. Das sehen wir deutlich, aber wollen "das lodernde Flammenschwert" nicht wahrnehmen, das ihre Versuche, den Baum des Lebens in einer ultimativen Akt der Gotteslästerung zu veredeln, zunichte machen soll und wird.

Wir sind in dem Glauben groß geworden, das letzte Jahrhundert sei das mörderischste aller Zeiten gewesen. Abermillionen Todesopfer stützten diese Anmutung, dazu das Milliardenheer abgetriebener Menschen, die niemals das Licht der Sonne erblicken durften. Wer nun aber immer noch denkt, unser neues Jahrhundert werde als das endgültig menschliche und gütige Zeitalter in die Geschichte eingehen, lebt wohl auf einem anderen Stern.

Die großen Gefahren der Menschheit liegen nicht hinter uns. Sie liegen vor uns.

Denn wer glaubt, dass es gelingen wird, den weltweiten CO2Ausstoß ab 2020 pro Jahrzehnt nach den Vorgaben des Pariser Abkommens wirklich zu halbieren, kann auch getrost an den Weihnachtsmann glauben. Oder er sollte versuchen, die "Fridays for future"-Bewegung nach China zu tragen, zur neuen Weltmacht, und unter den Smogwolken seiner Metropolen von Peking bis Shanghai die Schule schwänzen, wo es bis heute verboten ist, daran zu erinnern, unter einem Regime zu leben, das notfalls nicht zögert, Panzer der Volksarmee in protestierende Menschenmengen hineinrollen zu lassen, wenn die Allmacht der Partei bedroht scheint.

Oder wer glaubt, dass der aussichtslose Konflikt im Nahen Osten um das Gravitationszentrum Jerusalem – mit den rehäugigen Siedlerinnen in der Westbank, den Revolutionsgarden und Al-Kuds-Brigaden in Teheran und dem Henkerregime der Saudis – könne je mit Gewalt gelöst oder durch Tricks befriedet werden, kann auch getrost an den Osterhasen glauben.

Da, wo unsere Kultur ihren Ausgang nahm, steuert sie inzwischen einer endzeitlichen Katastrophe entgegen. Der alte Robert Spaemann sah all dies ohne Schre-cken. "Alles, was einen Anfang hat, findet auch ein Ende", sagte er trocken.

Doch wie soll sich die apostolische und katholische Kirche in dieser apokalyptisch-endzeitlichen Situation nun verhalten? Soll sie vielleicht Greta Thunberg zu einer Kirchenlehrerin und Prophetin zu Lebzeiten erklären, wie es jeden Tag ein Bischof mehr nahelegt? Soll sie zu einer grünen Kirche um die "Mutter Erde" herum werden, wie es dem "synodalen Weg" der Deutschen und den Protagonisten der Amazonas-Synode vorschwebt, die Papst Franziskus einberufen hat, um die Abholzung der Regenwälder zu verhindern und die Weltmeere von allem Schmutz zu säubern? Natürlich haben die Bischöfe das Recht, sich zu all dem "zu äußern, was das Leben der Menschen betrifft", wie Papst Franziskus am 7. September 2019 den Bischöfen Madagaskars auf seiner Pastoralreise sagte. Religion existiere nicht nur, "um die Seelen auf den Himmel vorzubereiten". Und "ein authentischer Glaube", schrieb er schon am 24. November 2013 in seinem Apostolischen Schreiben "Evangelii gaudium", "schließt immer den tiefen Wunsch ein, die Welt zu verändern, Werte zu übermitteln, nach unserer Erdenwanderung etwas Besseres zu hinterlassen." Das stimmt ja sowieso. Doch wer bereitet die Seelen denn auf den Himmel vor, wenn das Ende wirklich naht, und zwar nicht nur für die einzelnen, sondern den ganzen blauen Planeten und all seine Bewohner? Über diesen ultimativen "Ernstfall der Existenz" ist heute in der deutschen Kirche vielleicht keiner so deutlich geworden wie Erzbischof Georg Gänswein in jenen Worten, die er am 4. Juni 2019 an die Richterinnen und Richter des Bundesverfassungsgerichts in Karlsruhe gerichtet hat: "Ihre letzte nötige Reform kann der Kirche nicht gelingen," sagte er da, "indem sie noch sozialer wird, noch karitativer oder gar noch angepasster an den Zeitgeist, sondern allein darin, dass die Kirche ihre Gläubigen wieder mit all ihrer Erfahrung aus zweitausend Jahren und aller Kraft und Fantasie zum Ernstfall ihrer Existenz hinführt. Das aber ist das ewige Leben, zu dem der gekreuzigte Gottessohn mit seiner Auferstehung von den Toten in Jerusalem für uns alle das Tor aufgestoßen hat."

"Der Klimawandel bedroht die Menschheit", schreibt Papst Franziskus hingegen nun zu einem Buch mit dem Titel "Das grüne Alphabet von Papst Franziskus" in seinem Vorwort: "Die Menschheitsfamilie im Ganzen ist in Gefahr."

Auch das ist unbedingt wahr. Dann soll der Heilige Vater seinen Hirten aber auch unbedingt sagen, wie sie die Christen und alle Menschen am besten auf ein mögliches Ende der Welt vorbereiten. Dass unser irdisches Leben nicht ewig ist, weiß jeder, und das verschweigt uns auch nicht der beste Arzt. Will der Nachfolger Petri uns da glauben machen, dass der Erde ein ewiger Bestand zugesagt ist? Vielleicht kann er die Sache ja noch einmal mit seinem Vorgänger oben in den Vatikanischen Gärten bereden, wo er ja jetzt schon mit einem Bein im Paradies steht.

Zuerst erschienen im Vatican-Magazin. Veröffentlicht mit freundlicher Genehmigung.

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