FASTENZEIT FREITAG NACH ASCHERMITTWOCH
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ZEIT DER BUSSE
Fasten und andere Bußübungen in der Verkündigung Jesu und im Leben der Kirche. Der Kreuzweg stellt uns das heilige Menschsein des Herrn vor Augen. Im Alltag finden wir die kleinen Abtötungen, die der Herr von uns erbittet. Erdulden und Tun. Auch die Phantasie, das Gedächtnis und der Verstand bedürfen der Läuterung.
I. Im Evangelium der heutigen Messe1 wird uns berichtet, wie die Jünger Johannes des Täufers Jesus fragten: Warum fasten deine Jünger nicht, während wir und die Pharisäer fasten?
Auch damals war Fasten Ausdruck von Bußgesinnung. »Im Alten Testament wird mehr und mehr die Bedeutung der Buße als eine religiöse und persönliche Übung erkannt, deren Ziel die Liebe und die Hingabe an Gott ist.= 2 Sie ist - zusammen mit dem Gebet - ein Zeugnis der Demut dem Herrn gegenüber3: man begibt sich ganz in Gottes Hände. Fasten und Buße begegnen uns in der Heiligen Schrift, wenn es darum geht, eine schwierige Aufgabe anzugehen4, Verzeihung für eine Schuldzu erflehen5, eine Notlage abzuwenden6, um Gnade für die Verrichtung einer Aufgabe zu bitten7 oder sich auf die Begegnung mit Gott vorzubereiten8.
Johannes der Täufer, der um die heiligende Wirkung des Fastens wußte, lehrte seine Jünger die Bedeutung und Notwendigkeit von Bußübungen. Darin stimmte er mit den frommen Pharisäern und Schriftgelehrten überein, die sich darüber wunderten, daß Jesus sie seinen Jüngern nicht abverlangte. Der Herr aber nimmt die Seinen in Schutz: Können denn die Hochzeitsgäste trauern, solange der Bräutigam bei ihnen ist?9 Dieser Bräutigam ist - in der Sprache der Propheten - Gott selbst, der seine Liebe zu den Menschen offenbart.10
Einmal mehr läßt uns Christus an dieser Stelle seine Göttlichkeit ahnen, indem er seine Jünger Freunde des Bräutigams nennt, seine Freunde. Solange sie bei ihm sind, ist das Fasten nicht nötig. Aber wenn ihnen dann der Bräutigam entrissen wird, werden auch sie fasten.
Der ganze Sinn der alttestamentlichen Bußpraxis »war nichts anderes als der Schatten, der ankündigte, was da kommen sollte. Die Buße - ein Erfordernis des inneren Lebens, dessen Bedeutung durch die religiöse Erfahrung der ganzen Menschheit bestätigt wird und die Gegenstand einer besonderen Vorschrift der göttlichen Offenbarung ist - erreicht in Christus und der Kirche eine ganz neue und entschieden breitere und tiefere Grundlage«11.
Die Kirche der Urzeit hielt an den Bußübungen im Geiste Jesu fest. Die Apostelgeschichte berichtet von kultischen Handlungen, die mit Fastenübungen einhergingen12. Und der heilige Paulus gibt sich nicht damit zufrieden, während seines unermüdlichen apostolischen Wirkens Hunger und Durst zu ertragen, wo es die Umstände verlangen; wiederholt unterzieht er sich einem selbstgewählten Fasten13. Die Kirche ist stets dieser Einstellung zur Buße treu geblieben. Sie hat Fasttage für bestimmte liturgische Zeiten festgelegt und empfiehlt die freiwillige Buße als fromme Übung zum geistlichen Fortschritt.
Allerdings ist das Fasten nur eine unter mehreren Formen der Buße. Die Askese des Leibes kennt viele andere Gestalten, die die innere Umkehr und die Hinwendung zu Gott erleichtern. Heute können wir uns fragen, wie es mit unserem Sinn für die Buße steht. Die Kirche leitet uns an, eine Haltung, die uns das gesamte Leben hindurch begleiten muß, besonders während der Fastenzeit zu pflegen.
II. Tut Buße: Jesus greift zu Beginn seines öffentlichen Auftretens den Ruf des Täufers auf. Die Apostel werden dann in den Anfängen der Kirche dasselbe fordern. Auch heute brauchen wir Christen die Buße. In ihr drückt sich die Sühne für die Sünden, eigene wie fremde, aus. Ohne sie blieben wir in der Gewalt der Sünde, von Jesus Christus getrennt. Wer der Buße aus Angst ausweicht oder sie als überflüssig erachtet, zeigt einen Mangel an Gespür für das Übernatürliche. »Angst vor der Buße? ... Vor der Buße, die dir hilft, das ewige Leben zu gewinnen? - Um jedoch das armselige gegenwärtige Leben zu erhalten, unterwerfen sich die Menschen den tausend Qualen eines blutigen chirurgischen Eingriffs.«14 Vor der Buße zurückschrecken hieße vom Streben nach Heiligkeit ablassen und vielleicht sogar das eigene Heil gefährden.
Der Wunsch nach Gleichförmigkeit mit Christus läßt uns »ja« sagen zu seiner Einladung, das Leiden mit ihm zu teilen. Die Fastenzeit stellt uns dieses Leiden vor Augen, sie vergegenwärtigt uns den ersten Karfreitag. Es kann hilfreich sein, gerade freitags den Kreuzweg zu beten: »Der Kreuzweg. - Das ist eine kraftvolle und starke Gebetsübung! Wolltest du dir doch angewöhnen, jeden Freitag die vierzehn Stationen des Leidens und Sterbens unseres Herrn durchzugehen. - Ich sage dir, du wirst Kraft für die ganze Woche gewinnen.«15
Im Kreuzweg betrachten wir Christus in seinem heiligsten Menschsein. In seinem Leiden verbindet sich das Leiden eines Menschen mit der Majestät Gottes. Wir sehen den zum Tode Verurteilten das Kreuz auf sich nehmen, wir sehen ihn unter der schweren Last zusammenbrechen, und uns geht dann die Last unserer Sünden auf - der Sünden aller Menschen. Dies kann unseren Willen zur Umkehr festigen: »Das Kreuz schneidet immer tiefer in die verwundete Schulter des Herrn. (...) Der entkräftete Leib Jesu schwankt schon unter der schweren Last des Kreuzes. Und sein Herz, dieses Herz voller Liebe, vermag kaum mehr die zerschundenen Glieder zu beleben. (...) Du und ich, wir können nichts sagen: aber wir begreifen jetzt, warum das Kreuz Jesu so schwer wiegt. Wir weinen über unsere Erbärmlichkeit und über die erschreckende Undankbarkeit des menschlichen Herzens. Aus tiefster Seele steigt ein Gebet echter Reue auf, das uns aus der Niedergeschlagenheit der Sünde befreit. Jesus ist gefallen, damit wir uns erheben: einmal und immer wieder.«16
Im Gebet erleben wir Christi Leiden, im Tun schließen wir uns durch freiwillige Buße seinem Sühnopfer an. Und wir erkennen dann, daß auch unser apostolischer Eifer tiefer wird. Denn der Herr gab sein Leben hin, um alle Menschen Gott näherzubringen.
III. Die Abtötungen, die Gott von uns erwartet, finden wir in der Regel im Alltag. Viele ergeben sich wie von selbst aus dem normalen Tagesablauf, angefangen beim Aufstehen, wenn es gilt, die Dumpfheit der frühen Stunde zu überwinden. Andere zeigen sich vielleicht, wenn es darum geht, eine Arbeit mit besonderer Sorgfalt auszuführen. Manchmal wird eine Geste der Freundlichkeit uns Überwindung kosten, weil wir müde sind. Auch die Mäßigung beim Essen und Trinken, der pflegliche Umgang mit den Dingen, die wir besitzen und benützen, oder die Zurückhaltung im Urteil können, als kleine Abtötungen angenommen, wie Spuren des Kreuzes Christi sein. Aber an erster Stelle gilt der Rat: »Wenn du wirklich eine sühnende Seele - eine sühnende und frohe Seele! - sein willst, mußt du vor allem die Zeiten deines täglichen Gebetes sicherstellen; die Zeiten für ein zutiefst vertrauensvolles, großherziges, ausdauerndes Beten! Bemühe dich darum, nicht nach Lust und Laune dein Gebet zu halten, sondern - wenn irgend möglich - zu dem vorgesehenen Zeitpunkt. Sei in diesen kleinen Details nicht nachlässig! - Mach dich geradezu zum >Sklaven< dieser täglichen Aussprache mit Gott - und ich versichere dir: niemals wird dir die Freude fehlen!«17
Neben den passiven Abtötungen, die sich uns anbieten, ohne daß wir nach ihnen gesucht hätten, gibt es Formen der Überwindung, die wir aktive Abtötungen nennen können. Wir suchen sie aus eigener Initiative, weil wir erkennen, daß die Abtötung eine notwendige asketische Übung ist, die uns innerlich freier macht. Gerade im Denken und Fühlen müssen wir uns nicht selten gegen den Ansturm unsinniger Bilder und Gedanken wehren. Deswegen ist das Gespür für Askese - die Abtötung konkretisiert es - gerade für die innere Reifung und für die Läuterung des Herzens so wichtig. Die Abtötung der Phantasie läßt uns die wild wuchernde Vorstellungskraft zähmen und statt eitler Selbstbespiegelung die Zwiesprache mit Gott suchen. Dann wird es uns leichter bewußt, daß der Herr in unsere Seele Einkehr hält, wenn wir in seiner Gnade leben. Sich aufdrängende innere Vorstellungen über Erfolge oder Mißerfolge werden relativiert, uns ist es dann nicht mehr so wichtig, ob wir in dieser oder jener Situation eine schlechte Figur abgegeben haben oder ob die - wahrscheinlich harmlose - Bemerkung eines Bekannten beleidigend war. Stolz und Eigenliebe, die mit der Zeit jede Kleinigkeit aufbauschen, werden in ihre Schranken gewiesen, der innere Frieden kann sich wieder einstellen. Die Abtötung des Gedächtnisses schützt uns vor überflüssigen Erinnerungen, die oft nur Zeitverlust sind18 und lästige Versuchungen mit sich bringen können. Die Abtötung eines ausufernden Verstandes schließlich hilft uns, aufmerksam an dem zu arbeiten, was nicht aufgeschoben werden kann. Wir konzentrieren uns auf die Aufgaben, die im gegebenen Augenblick wichtig sind19, und können so der Pflicht oder der Nächstenliebe gegenüber den eigenen Launen den Vorrang geben.
Die betende Vergegenwärtigung des leidenden Christus durch den Kreuzweg und die Erfahrung des Kreuzes im eigenen Leben - Tag für Tag und meistens in Kleinigkeiten - werden in uns den Entschluß festigen, auch dann Weggenossen Christi zu bleiben, wenn er - der Kreuztragende - uns sein Kreuz anbietet.
1 Mt 9,14-15. - 2 Paul VI., Konst. Paenitemini, 17.2.1966. - 3 vgl. Lev 16,29-31. - 4 vgl. Ri 20,26; Est 4,16. - 5 1 Kön 21,27. - 6 Jdt 4,9-13. - 7 Apg 13,2. - 8 Ex 34,28; Dan 9,3. - 9 Mt 9,15. - 10 vgl. Jes 54,5. - 11 Paul VI., Konst. Paenitemini, 17.2.1966. - 12 vgl. Apg 13,2 ff. - 13 vgl. 2 Kor 6,5; 11,27. - 14 J. Escrivá, Der Weg, Nr. 224. - 15 ebd., Nr. 556. - 16 J. Escrivá, Der Kreuzweg, III. - 17 ders., Die Spur des Sämanns, Nr. 994. - 18 vgl. ders., Der Weg, Nr. 13. - 19 vgl. ebd., Nr. 815.
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