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  • 28.02.2013 11:45 - losgelöst sein
von Hildegard Maria in Kategorie Allgemein.

FASTENZEIT
2. WOCHE - DONNERSTAG

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losgelöst sein

Loslösung als Weg zur Freiheit des Herzens. Irdische Güter sind nur Mittel zum Zweck.
Loslösung und Großzügigkeit. Merkmale der Loslösung.
Auch die übertriebene Sorge um uns selbst kann zu einer Fessel werden. Durch Verzicht Raum schaffen für Gott.

I. In dieser Fastenzeit ermahnt uns die Kirche immer wieder zum Verzicht, zur Loslösung vom Irdischen, damit das Herz frei werden kann für Gott. Nur so kann es aufblühen und reich werden an Früchten. Der Prophet Jeremia sagt es uns in der ersten Lesung der heutigen Messe mit einem wunderbaren Bild aus der Natur: Gesegnet der Mann, der auf den Herrn sich verläßt und dessen Hoffnung der Herr ist. Er ist wie ein Baum, der am Wasser gepflanzt ist und am Bach seine Wurzeln ausstreckt: Er hat nichts zu fürchten, wenn Hitze kommt; seine Blätter bleiben grün; auch in einem trockenen Jahr ist er ohne Sorge, unablässig bringt er seine Früchte.1

Anders ist es mit jenem, dessen Herz sich abwendet vom Herrn und es nicht fertig bringt, Abstand vom Irdischen zu nehmen, weil er seine Hoffnung lieber auf die Dinge dieser Welt setzt: Er ist wie ein kahler Strauch in der Steppe, der nie einen Regen kommen sieht; er bleibt auf dürrem Wüstenboden, im salzigen Land, wo niemand wohnt.2

Natürlich möchte der Herr, daß wir uns um irdische Dinge kümmern und sie gebührend lieben. Er ist ja der Schöpfer der Erde, die wir nach seinem Auftrag hüten und uns untertan machen sollen3. Aber eine sklavische Liebe zum Irdisch-Materiellen würde uns Fesseln anlegen für unseren Aufstieg zu Gott: Ihr könnt nicht beiden dienen, Gott und dem Mammon.4 Und wie sinnlos wäre dann unser Leben!

»Christus ist der Weg, um zu Gott zu gelangen - aber der Christus am Kreuz. Und um das Kreuz zu besteigen, muß das Herz frei sein, losgelöst vom Irdischen.«5 Unser Herr selbst gibt uns das Beispiel eines Lebens in souveräner Freiheit: Er, der reich war, wurde euretwegen arm, um euch durch seine Armut reich zu machen6, sagt der Apostel Paulus.

Irdische Reichtümer können einen Menschen in innere Armut stürzen. Wie den jungen Mann im Evangelium, der Jesus nachfolgen möchte; doch er ging traurig weg, denn er hatte ein großes Vermögen7. Im Anschluß daran sagt der Herr: Wie schwer ist es für Menschen, die viel besitzen, in das Reich Gottes zu kommen!8 Die Jünger erschrecken. »Also rechnen sie sich auch zu den >Reichen<? Gewiß, und Jesus stimmt zu. Jenes Reichsein, worüber hier das Urteil gesprochen wird, bedeutet nicht das viele Geld gegenüber dem wenigen oder den großen Grundbesitz gegenüber dem kleinen Acker, sondern jeden Besitz. Die Tatsache des Besitzens überhaupt ist das Reichsein (...). Das Haben überhaupt, selber und für sich - darauf kommt es hier an. Und nun sagt Jesus: Nur aus der Kraft Gottes, aus der freimachenden Großmut schenkender Liebe Gottes heraus kann man alles weggeben, aus einem >Reichen< ein >Armer< werden (...). In der rechten Weise aber, nach Gerechtigkeit und Nächstenliebe zu besitzen, etwas zu haben, ohne im Sinn der Schrift >reich< zu sein, kann man nur aus der gleichen Gotteskraft heraus, die fähig macht, alles wegzugeben«9.

Die materiellen Güter, die Gott dem Menschen schenkt, haben eine individuelle und eine soziale Funktion. Wer sich aber an das, was er besitzt, klammert, verwaltet die geschenkten Gaben nicht im gottgewollten Sinn, sondern setzt an ihre Stelle gleichsam ein goldenes Kalb als Götzen.

Wer im spirituellen Leben wachsen will, muß die Fäden zerreißen, die - und seien sie noch so fein - uns ungebührlich an Dinge, Personen oder auch an uns selbst fesseln. »Mir scheint es keinen Unterschied zum machen« sagt Johannes vom Kreuz, »ob ein Vogel mit einer dünnen statt mit einer dicken Schnur festgebunden ist, denn er wird mit der dünnen ebenso festgehalten wie mit der dicken, solange es ihm nicht gelingt, sie zu zerreißen und davonzufliegen. Gewiß ist die dünne Schnur leichter zu zerreißen; so leicht es aber auch sein mag, wenn es ihm nicht gelingt, die Fesseln zu sprengen, wird er nicht aufsteigen können.«10

II. Im Evangelium der heutigen Messe hören wir das Gleichnis von einem Mann, der sich nicht als Verwalter eines Vermögens versteht, sondern als egoistischer, sinnlos verschwenderischer Alleinbesitzer. Es war einmal ein reicher Mann, der sich in Purpur und feines Leinen kleidete und Tag für Tag herrlich und in Freuden lebte. Vor der Tür des Reichen aber lag ein armer Mann namens Lazarus, dessen Leib voller Geschwüre war. Er hätte gern seinen Hunger mit dem gestillt, was vom Tisch des Reichen herunterfiel.11

Dieser Mann des Gleichnisses hatte eine eigenwillige Art, das Leben zu verstehen: Er »feierte« Er war ein Genießer, er hatte keine Augen für die Not vor seiner Tür. Weder hatte er etwas gegen Gott noch gegen den armen Bettler. Er sah sie einfach nicht. Diese Blindheit ist seine Sünde. Gregor der Große schreibt: »Nicht der Reichtum war es, der den Prasser daran hinderte, ins Reich der Seligen einzugehen: seine Selbstsucht vielmehr war es und seine Treulosigkeit«12.

Egoismus und Gefühlsroheit sind ein Hindernis für die Wahrnehmung fremder Not. Dann werden Menschen wie wertlose Sachen behandelt, je nach eigenem Nutzen hin- und hergeschoben. Wie anders wird es, wenn wir uns unseres Reichtums bewußt werden! Wievieles davon können wir dann verschenken und dadurch noch reicher werden: Freundlichkeit, Verständnis, Herzlichkeit, Ermutigung, eine gut verrichtete Arbeit, ein Almosen, das im rechten Moment den Bedürftigen erreicht, eine Spende an eine wohltätige Einrichtung - und nicht zuletzt ein gutes Wort unter vier Augen, das dazu anregt, über Gott nachzudenken und ernst zu machen mit seinen Gnadenmitteln.

Durch den rechten Gebrauch der Reichtümer, die Gott uns anvertraut hat - ob geistig oder materiell, ob beträchtlich oder gering -, sammeln wir uns Schätze im Himmel13. Nur wenn wir reichlich geben, - überzeugt, daß wir es mit Brüdern und Schwestern in Christus, mit Kindern Gottes zu tun haben -, werden wir hier auf Erden und hernach im ewigen Leben glücklich sein. Die Nächstenliebe ist in allen ihren Äußerungen immer ein Stück Verwirklichung des Reiches Gottes. Sagen wir es anders: sie ist eine Art Vermögen, das wir, trotz aller Wechselfälle von Armut und Reichtum in dieser Welt, nie verlieren.

Die Loslösung muß aber wirksam werden, sie muß erkennbare Früchte tragen, die freilich ohne Opfer nicht zu erlangen sind. Sie muß auch natürlich und unaufdringlich sein, der Art von Christen entsprechend, die, eingebettet in die irdischen Strukturen, selbstverständlich für ihre Arbeit und für ihre apostolischen Aufgaben materielle Mittel benötigen. Alle irdischen Güter sind nichts im Vergleich mit dem unermeßlichen Gut, das wir zu erwerben trachten.

III. Unsere Loslösung erwächst aus der Liebe zu Gott und vermehrt sie zugleich. Denn in einer Seele voller Anhänglichkeiten bleibt für Gott nicht mehr als ein Notsitz übrig. Die Fastenzeit eignet sich besonders gut für eine gründliche Prüfung unserer Einstellung gegenüber dem materiellen Besitz. Gibt es zuviele Dinge bei mir - Plunder -, deren Sinn und Nutzen ich nicht angeben kann? Ist mein Konsumverhalten von der Laune des Augenblicks bestimmt? Setze ich mich ab von der verbreiteten Neigung, Wohlstand zu demonstrieren? Bin ich großzügig beim Almosengeben? Bin ich es auch bei der Unterstützung der Kirche und ihrer apostolischen Werke? Verliere ich den inneren Frieden, wenn ich einmal etwas entbehren muß, das ich für nötig halte?

Nicht nur materielle Güter sind Gegenstand der Loslösung, die der Herr von uns erwartet. Auch das eigene Ich kann uns fesseln: etwa die krankhafte Sorge um die eigene Gesundheit, die übertriebene Gewichtung der Meinung anderer über uns oder die Überschätzung von beruflichen Erfolgen.

»Ja, auch jene guten Anliegen schließe ich hier ein (...), die aus dem Wunsch hervorgehen, nur die Ehre Gottes zu suchen und ihn in allem zu preisen. Bei solchen Anliegen soll unser Wille klar und bestimmt reagieren: Herr, ich möchte dies oder jenes, aber nur, wenn es dir gefällt, wozu sonst nützte es mir? Wir versetzen so dem Egoismus und der Eitelkeit, die sich in unser aller Herz einschleichen, den Todesstoß und gewinnen auf diesem Weg den wahren Frieden der Seele; denn in dem Maße, da sie sich loslöst, birgt sie sich immer inniger und stärker in Gottes Armen.«14

Wer Christ ist, muß Besitz so erwerben, als würde er nicht Eigentümer15. Gregor der Große sagt dazu: »Wer das Nötige zusammenträgt, um Nutzen daraus zu ziehen, dabei aber klug voraussieht, daß er seinen Besitz bald wieder aufgeben muß, besitzt so, als besäße er nicht. Wer das Lebensnotwendige sein eigen nennt und vermeidet, daß sein Besitz die Herrschaft über sein Herz gewinnt, so daß all dies der Reifung seiner Seele dient - die ja nach Höherem strebt - und dieser niemals schadet, bedient sich dieser Welt so, als ziehe er keinen Nutzen aus ihr.«16

Die Gesundheit ist ein wichtiges Gut. Die Sorge um sie könnte uns jedoch gleichsam krank machen. Dazu schreibt die heilige Theresia von Avila: »Ich habe darüber nachgedacht, wie wichtig es ist, unserer Zerbrechlichkeit nicht zu achten, wenn wir dem Herrn zu dienen wünschen (...). Was taugte uns Leben und Unversehrtheit des Leibes, vermöchten wir sie nicht einem so großen Herrn und König hinzugeben? Glaubt mir, meine Schwestern, daß ihr, diesen Weg beschreitend, gewiß nie Not leiden werdet.«17

Unser Herz gehört Gott, denn für ihn wurde es geschaffen und nur in ihm mündet all sein Sehnen nach Glück und Unendlichkeit. »Jesus genügt es nicht, daß man mit ihm >teilt<: Er will alles.«18 Alles andere, was wir reinen und lauteren Herzens lieben und was unser irdisches Leben ausmacht, muß sich an dieser großen Liebe, Jesus Christus, ausrichten und sich von ihr nähren.

Die heilige Maria, unsere Mutter, möge uns helfen, unser Herz frei von Fesseln zu machen, damit allein ihr Sohn in ihm herrscht.

1 Jer 17,7-8. - 2 Jer 17,5-6. - 3 vgl. Gen 1,28. - 4 Mt 6,24. - 5 J. Escrivá, Der Kreuzweg, X. - 6 vgl. 2 Kor 8,9. - 7 vgl. Mk 10,22. - 8 Mk 10,23. - 9 R. Guardini, Der Herr, Würzburg 1951, S.334. - 10 Johannes vom Kreuz, Lebendige Liebesflamme, 11,4. - 11 Lk 16,19-21. - 12 Gregor der Große, Homilien über das Lukasevangelium, 40,2. - 13 vgl. Mt 6,20. - 14 J. Escrivá, Freunde Gottes, 114. - 15 1 Kor 7,30. - 16 Gregor der Große, Homilien über die Evangelien, 36. - 17 Theresia von Avila, Buch der Klosterstiftungen, 28,18. - 18 J. Escrivá, Der Weg, Nr. 155.



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