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  • 02.03.2013 06:00 - jeder mensch ist DER VERLORENE SOHN
von Hildegard Maria in Kategorie Allgemein.

FASTENZEIT
2. WOCHE - SAMSTAG

18

jeder mensch ist DER VERLORENE SOHN


Kinder Gottes und Erben eines großen Gutes. Durch die Sünde können wir die Gaben Gottes verschleudern.
Am Anfang jeglicher Umkehr steht eine mutige Gewissenserforschung, die die Sünde beim Namen nennt.
Heimkehr durch das Sakrament des göttlichen Erbarmens. Freude im väterlichen Haus.

I. Der Herr ist gnädig und barmherzig, langmütig und reich an Gnade. Der Herr ist gütig zu allen; sein Erbarmen waltet über all seinen Werken1, beten wir im Eröffnungsvers der heutigen Messe. Und im Evangelium hören wir vom Ärger der Pharisäer, weil der Herr unbekümmert mit den Zöllnern und mit sündigen Menschen Umgang hatte. Dies ist der Hintergrund des Gleichnisses vom verlorenen Sohn: Ein Mann hatte zwei Söhne. Der jüngste von ihnen sagte zu seinem Vater: Vater gib mir das Erbteil, das mir zusteht.2

Wir sind Kinder Gottes, sind wir aber Kinder, dann auch Erben3. Das kostbare Gut dieser Erbschaft wird erst in der vollen Gemeinschaft mit Gott im Himmel unser fester Besitz sein. Hier auf Erden können wir mit ihm so umgehen wie der jüngere Sohn im Gleichnis: Nach wenigen Tagen packte der jüngere Sohn alles zusammen und zog in ein fernes Land. Dort führte er ein zügelloses Leben und verschleuderte sein Vermögen. »Dieser Sohn, der vom Vater das ihm zustehende Erbteil erhält und von zu Hause weggeht, um es in einem fernen Land mit seinem >zügellosen Leben< zu verschleudern, ist in gewisser Hinsicht der Mensch aller Zeiten.«4

Durch die schwere Sünde fügt sich der Mensch ein schlimmes Unglück zu: er entfernt sich vom väterlichen Haus und verliert dabei die Zielrichtung seines Lebens aus den Augen. Das Gute, das er getan hat, die Pläne Gottes mit ihm, seine Berufung zur Heiligkeit, seine Vergangenheit und seine Zukunft zählen auf einmal nicht mehr. Er verliert die heiligmachende Gnade und gibt die Verbindung mit seinem Lebensprinzip, Gott, auf; neue Verdienste kann er sich in diesem Zustand nicht erwerben, er gerät in die Knechtschaft des Teufels. Zwar ist es mit der läßlichen Sünde anders. Sie bewirkt nicht den geistlichen Tod der Seele, jedoch schafft auch sie Abstand von Gott: sie ist wie ein Stehenbleiben, wie ein Sich-ablenken-lassen auf dem Weg zu Gott5.

Der junge Mann, der gemeint hatte, fern von Zuhause sein Glück zu finden, begann schon bald zu darben. Er sah sich gezwungen, Schweine zu hüten, die erniedrigendste Tätigkeit, die es für einen Juden gab. »Das Vermögen, welches der Sohn vom Vater empfangen hatte, war eine Quelle materieller Güter; aber wichtiger als diese Güter war seine Würde als Sohn im Hause des Vaters. Die Lage, in der er sich nach dem Verlust der materiellen Güter vorfand, mußte ihm den Verlust dieser Würde zum Bewußtsein bringen. Früher, als er vom Vater sein Erbteil verlangte, um fortzugehen, hatte er daran nicht gedacht.«6 In der Not und Einsamkeit vollzieht sich »das Drama der verlorenen Würde, das Wissen um die leichtsinnig zerstörte Sohnschaft«7.

II. »Der materielle Engpaß, in den der verlorene Sohn durch seine Leichtfertigkeit und seine Sünde geraten war, hatte in ihm den Sinn für seine verlorene Würde zum Reifen gebracht.«8 Er geht in sich und beschließt, sich auf den Heimweg zu machen. In sich gehen: Dies steht am Anfang jeglicher Umkehr, jeglicher Reue. Der Sohn entdeckt jetzt seinen Verlust und sieht, daß jenes Abenteuer ihn in die Irre geführt hat. Die Erforschung seines Gewissens ist kein künstlich herbeigeführter Zwang und kein bloßes Sich-Vergegenwärtigen dessen, was geschehen ist, sondern eine Regung der Reue, die aus dem Herzen kommt. »Soziologische Untersuchungen (...) reichen nicht hin, um Frieden und Gerechtigkeit in die Welt zu bringen. Die Wurzel des Bösen steckt im Menschen selbst. Daher muß auch das Heilmittel aus dem menschlichen Herzen kommen.«9

Dies erfordert den Mut, die Sünde beim Namen zu nennen und die eigene Lebensführung kritisch unter die Lupe zu nehmen, sie also nicht durch fadenscheinige Ausreden zu verbrämen. Johannes Paul II. sagte zu einer Gruppe junger Leute: »Lernt, das Weiße weiß und das Schwarze schwarz zu nennen; lernt, das Böse böse und die Sünde Sünde zu nennen.«10

In der Gewissenserforschung messen wir unser Leben an den Erwartungen Gottes. Einige geistliche Autoren vergleichen die Seele mit einem geschlossenen Raum. Öffnet man die Fenster, strömt das Licht herein und macht alles sichtbar: auch eine verschmutzte Ecke, einen verstaubten Tisch, eine häßliche Vase. Im Lichte der Gnade erkennen wir uns bei der Gewissenserforschung, wie wir wirklich sind, das heißt, wie wir vor Gott dastehen. Die Heiligen haben sich immer als Sünder gesehen, weil sie die Fenster ihres Innern stets für das Licht der Gnade weit offen hielten und so den ganzen Raum ihrer Seele prüfen konnten. Eine Gewissenserforschung bei offenen Fenstern läßt auch die Unterlassungen im Umgang mit Gott sichtbar werden und läßt uns fragen, warum das so ist. Wenn wir nichts zu bereuen hätten, wäre zu vermuten, daß wir uns nicht genügend dem göttlichen Licht ausgesetzt haben, das uns den tatsächlichen Zustand unserer Seele offenbart. Denn bei geschlossenen Fenstern bleibt das Zimmer dunkel: der Staub, der ramponierte Stuhl, das schiefe Bild bleiben unsichtbar.

Der Hochmut in uns wird es immer darauf anlegen, daß wir uns nicht so sehen, wie wir sind: ihre Augen halten sie geschlossen, damit sie mit ihren Augen nicht sehen11. Die Worte des Herrn gelten den Pharisäern, die taub und blind bleiben, weil sie sich nicht ändern wollen.

III. Dann brach er auf und ging zu seinem Vater.

Vom Irrweg umkehren. Die Sehnsucht nach Hause wird nach und nach tiefer und lauterer im Sohn. Die Begrüßung, die er sich zurechtgelegt hat, wird von Wort zu Wort aufrichtiger: Vater, ich habe mich gegen den Himmel und gegen dich versündigt; ich bin nicht mehr wert, dein Sohn zu sein; mach mich zu einem deiner Tagelöhner.

»In gewisser Weise ist das menschliche Leben eine ständige Heimkehr ins Haus unseres Vaters. Heimkehr durch die Reue, diese Bekehrung des Herzens, die den Wunsch, uns zu ändern, in sich schließt, den festen Entschluß, unser Leben zu bessern, und die sich daher auch in Werken des Opfers und der Hingabe äußert. Wir kehren heim ins Haus unseres Vaters durch das Sakrament der Vergebung, indem wir, unsere Sünden bekennend, Christus anziehen und so seine Brüder werden, Glieder der Familie Gottes.«12

Ich habe mich gegen den Himmel und gegen dich versündigt: Dies soll unsere Haltung beim Empfang des Bußsakramentes sein: ein demütiges, schlichtes Bekenntnis, das die Sünden weder zu beschönigen noch zu rechtfertigen sucht. Die Aufrichtigkeit ist das Zeichen dafür, daß wir unsere Verfehlungen wirklich bereuen.

Der Sohn kehrt hungrig, schmutzig und zerlumpt heim. Der Vater sah ihn schon von weitem kommen, und er hatte Mitleid mit ihm. Er lief dem Sohn entgegen, fiel ihm um den Hals und küßte ihn.

Der Vater lief ihm entgegen ... »Das Erbarmen, wie es Christus im Gleichnis vom verlorenen Sohn darstellt, hat die innere Form jener Liebe, die im Neuen Testament >agape< genannt wird. Solche Liebe ist fähig, sich über jeden verlorenen Sohn zu beugen, über jedes menschliche, vor allem über das moralische Elend: die Sünde. Wenn das geschieht, fühlt sich der, dem das Erbarmen zuteil wird, nicht gedemütigt, sondern gleichsam wiedergefunden und >aufgewertet<.«13 Deswegen schenkt die sakramentale Begegnung mit dem barmherzigen Vater immer Hoffnung und Freude.

Diese Freude ist auch Freude des Vaters: Der Vater aber sagte zu seinen Knechten: Holt schnell das beste Gewand, und zieht es ihm an, steckt ihm einen Ring an die Hand, und zieht ihm Schuhe an. Bringt das Mastkalb her, und schlachtet es; wir wollen essen und fröhlich sein. Denn mein Sohn war tot und lebt wieder; er war verloren und ist wiedergefunden worden. Und sie begannen ein fröhliches Fest zu feiern.

Das beste Gewand macht den Heimgekehrten zum Mittelpunkt des Festes; mit dem Ring ist ihm die Siegelgewalt zurückgegeben, die verlorenen Rechte; die Schuhe dürfen wir als Zeichen der wiedergewonnenen Freiheit verstehen. Er wird neu ausgestattet: »Im Sakrament der Buße ziehen du und ich Jesus Christus und seine Verdienste an.«14 Ohne daß wir es verdient hätten, erhalten wir alles zurück, was wir durch die Sünde schuldhaft verloren haben: die Gnade und die Würde der Gotteskindschaft. Durch das Sakrament der göttlichen Barmherzigkeit dürfen wir immer wieder freudig ins Haus des Vaters zurückkehren: Ich aber sage euch: Ebenso herrscht auch bei den Engeln Gottes Freude über einen einzigen Sünder, der umkehrt.15

Die Lossprechung vollendet das Bußsakrament, die Verrichtung der auferlegten Buße bezeugt unseren Willen zu Versöhnung und Wiedergutmachung. »So >vergißt< der Christ, der Buße tut, was hinter ihm liegt (Phil 3,13), fügt sich neu in die Heilsordnung ein und richtet sich auf die Vollendung der Heilszeit aus.«16

1 Eröffnungsvers der Messe vom Tage. Ps 145,8-9. - 2 Lk 15,1-3.11-32. - 3 Röm 8,17. - 4 Johannes Paul II., Enz. Dives in misericordia, 5. - 5 vgl. ders., Apost. Schreiben Reconciliatio et Paenitentia, 2.12.1984, 17. - 6 ders., Enz. Dives in misericordia, 5. - 7 ebd. - 8 ebd. - 9 ders., Ansprache an Studenten, Rom, 11.4.1979. - 10 ders., Ansprache an Studenten, Rom, 26.3.1981. - 11 Mt 13,15. - 12 J. Escrivá, Christus begegnen, 64. - 13 Johannes Paul II., Enz. Dives in misericordia, 6. - 14 J. Escrivá, Der Weg, Nr. 310. - 15 Lk 15,10. - 16 Die Feier der Versöhnung. Pastorale Einführung, 6.



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