DRITTER FASTENSONNTAG
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abtötung - ein fruchtbares ärgernis
Wer Christus wahrhaft nachfolgen will, muß beim Kreuz stehen. Abtötung gibt uns die Kraft, uns aufzumachen zum Herrn. Großzügigkeit im Opfer. Weitere Gründe für Buße und Abtötung.
I. Jede Handlung im irdischen Leben unseres Herrn ist heilsmächtig, jedoch gipfelt das Werk der Erlösung im Kreuz, auf das hin sein ganzes Leben ausgerichtet ist. Ich muß mit einer Taufe getauft werden, und ich bin sehr bedrückt, solange sie noch nicht vollzogen ist1, sagt er zu seinen Jüngern auf dem Weg nach Jerusalem. Dieses Wort ist eine Offenbarung seines brennenden Verlangens nach Hingabe des Lebens zu unserem Heil. Zugleich ist es ein Erweis seiner Liebe zum Willen des Vaters. Und es ist auch ein Hinweis auf die Haltung, die der Christ einnehmen soll. Das Kreuz ist der Prüfstein unserer Hingabe an Christus, Prüfstein in Schmerz und Leid, Pflichten und Aufgaben, die uns große Opfer oder kleine Überwindungen abverlangen. Zweifellos haben solche Übungen, schon rein menschlich betrachtet, ihren Wert als Selbstvervollkommnung, Selbstbeherrschung oder Proben auf die Geduld. Aber es wäre zu oberflächlich, darin nur Chancen menschlicher Selbstverwirklichung zu sehen; sie bieten uns weit mehr: die Gelegenheit, am Mysterium der Erlösung durch Christus teilzuhaben. Diese Übungen, die wesentlich zum geistlichen Leben gehören, bekommen ihren tiefsten Sinn, indem wir sie geistlich mit dem Kreuz Christi verbinden.
Ein Christ in der Nachfolge Christi wird den Rat des Herrn beherzigen: Wer mein Jünger sein will, verleugne sich, nehme sein Kreuz auf sich und folge mir nach.2 An einer anderen Stelle des Evangeliums wird deutlich, daß Christus für alle Menschen aller Zeiten dieses Wort gesprochen hat: Wer nicht sein Kreuz trägt und mir nachfolgt, der kann nicht mein Jünger sein.3
Nachfolge ohne Kreuz, das ist unmöglich. »Christentum und Kreuz sind voneinander nicht zu lösen. Seitdem Christus den Weg zum Kreuz hat gehen müssen, steht das Kreuz auf dem Weg eines jeden, der Christ sein will; für jeden als sein Kreuz. Die Natur lehnt sich dagegen auf. Sie will sich behalten. Sie will da nicht hindurchgehen. Jesus aber sagt, und es ist das Grundgesetz des Christentums: Wer sich, sein Leben, seine Seele festhält, der wird sie verlieren. Wer sich hineingibt in das Kreuz, so wie es hier und jeweils für ihn aufgerichtet ist, der wird sie finden - und dann unverlierbar.«4
Manche werden in der Abtötung ein Überbleibsel aus Zeiten sehen, in denen Kultur und Fortschritt noch nicht so entwickelt waren wie heute. Andere, die Gott aus ihrem Leben verdrängt haben, werden sie als Torheit oder als Ärgernis betrachten. Das ist nicht neu. Schon Paulus sagt über das Kreuz, es sei für Juden ein empörendes Ärgernis, für Heiden eine Torheit5. Diese Sicht nimmt in dem Maße zu, in dem jemand das Gespür für den übernatürlichen Sinn seines Lebens verliert. »Wenn du dich nicht abtötest, wirst du nie ein Mensch des Gebetes.«6
Selbst den Aposteln fällt das Opfer schwer. Sie lieben den Herrn und bekunden sogar ihre Bereitschaft, das Leben für ihn hinzugeben. Gerne sind sie bei Jesus, wenn das Volk ihm zujubelt. Aber sie folgen ihm nicht auf den Kalvarienberg; sie waren noch zu schwach dazu, sie hatten die Kraft des Heiligen Geistes noch nicht empfangen. Es ist ein großer Unterschied, ob man Christus nachfolgt, wenn es nichts kostet, oder ob man bedingungslos zu ihm steht, wenn immer das Kreuz als große oder kleine Drangsal des Lebens spürbar wird. Die heilige Theresia sagt: »Töricht, wer da glaubt, der Herr gebe den Leuten seine Freundschaft ohne Mühe, als Geschenk«7.
Wer sein Leben so einzurichten sucht, daß er jedem Opfer aus dem Wege geht, und sich dann gegen den unabwendbaren Schmerz auflehnt, entzieht sich nicht nur der Möglichkeit, sich zu heiligen, sondern verscherzt sich auch die tiefere Freude, die dann gegeben ist, wenn wir uns nahe beim Erlöser unter dem Kreuz wissen.
II. Der Herr erwartet von jedem Christen, daß er ihm nahe folgt, und das bedeutet, ihn bis nach Golgota zu begleiten. Lange schon, bevor er ans Kreuz genagelt wird, gab Jesus seinen Jüngern zu verstehen, daß auch sie den Weg des Kreuzes würden gehen müssen: Und wer nicht sein Kreuz auf sich nimmt und mir nachfolgt, ist meiner nicht würdig.8
Das Paradox der christlichen Abtötung spiegelt das Paradox des Kreuzes Christi wider. Nur die Liebe vermag das klar zu sehen. Wer in jene Art von Sterben einwilligt, findet das eigentliche Leben; wer sich aber eigensüchtig am Leben festklammert, der findet nur Tod: Denn wer sein Leben retten will, wird es verlieren; wer aber sein Leben um meinetwillen verliert, wird es gewinnen.9 Der Herr hat angedeutet, daß es ohne Aussaat keine Ernte gibt : Wenn das Weizenkorn nicht in die Erde fällt und stirbt, bleibt es allein; wenn es aber stirbt, bringt es reiche Frucht.10 Dieses Aufbrechen der eigenen Ichbefangenheit erlangt man nur durch regelmäßige Abtötung, durch Verzicht auf Bequemlichkeit und Eigennutz. Dann wird unser Leben fruchtbar: »Möchtest du nicht Weizenkorn sein, durch Abtötung sterben und volle Ähren hervorbringen? - Jesus segne dein Feld.«11
Das Kreuz kommt von einem Vater, der uns liebt und der weiß, was gut für uns ist. Das ist Grund genug, die Angst vor dem Opfer, das sich in freiwilligen kleinen Abtötungen ausdrückt, zu verlieren: Kommt alle zu mir, die ihr euch plagt und schwere Lasten zu tragen habt. Ich werde euch Ruhe verschaffen. Nehmt mein Joch auf euch und lernt von mir; denn ich bin gütig und von Herzen demütig; so werdet ihr Ruhe finden für eure Seele. Denn mein Joch drückt nicht, und meine Last ist leicht.12 Bei Jesus verlieren Leid und Not die Schwere des Unerträglichen. Sie machen uns vielmehr bereit für ein aufrichtiges Beten und lassen uns hinter den Fügungen des Lebens die Hand des Vaters erkennen.
Abtötung gibt uns die Kraft, uns zum Herrn aufzuschwingen; fehlt sie, hält uns die Erde fest. Wenn sie da ist - als freiwilliges Opfer, als gottgeweihter Schmerz, geduldig und in Liebe ertragen -, sind wir fest in Christus verankert.
III. Da Opfer und Abtötung den Neigungen unserer menschlichen Natur entgegengesetzt sind, dürfen wir nie vergessen, weshalb wir sie brauchen. Nur so ist es möglich, großherzig zu bleiben.
Aus zahlreichen Gründen sucht ein Christ die Abtötung. Den ersten Grund haben wir bereits erläutert: Gleichförmigkeit mit Christus, geistliche Teilhabe am erlösenden Opfer, das Christus dem Vater darbringt.
Ein weiterer Grund: Die Abtötung ist das »Mittel, um voranzukommen«13. Im einleitenden Dialog zur Präfation der heiligen Messe hebt der Priester die Hände zum Himmel und sagt: Erhebet die Herzen. Die Gläubigen antworten: Wir haben sie beim Herrn. Damit bekennen wir, daß wir das Herz nicht zum Gefangenen irdischer Güter machen wollen. Unausgesprochen ist hier die Buße - die regelmäßige Abtötung - mit eingeschlossen. Denn ohne sie bleibt die Seele in irdischen Anhänglichkeiten gefangen, in Unreinheit, Spießertum, Gieren nach Wohlergehen ... Und vieles, das in sich gut ist, wird dann zu einer Fessel.
Die Abtötung ist außerdem eine unerläßliche Voraussetzung für das christliche Zeugnis und das apostolische Wirken zur Ausbreitung des Reiches Gottes. »Das Tun ist ohne das Gebet nichts wert: das Gebet wird wertvoller durch das Opfer.«14 Es ware anmaßend, sich einzubilden, wir könnten andere für Gott einnehmen, ohne unsere Worte durch Beten zu untermauern und ohne unser Gebet durch freiwillige Abtötung - als Siegel seiner Echtheit - zu bekräftigen.
= 14 Es wäre anmaßend, sich einzubilden, wir könnten andere für Gott einnehmen, ohne unsere Worte durch Beten zu untermauern und ohne unser Gebet durch freiwillige Abtötung - als Siegel seiner Echtheit - zu bekräftigen.Schließlich ist die Abtötung auch Ausdruck der Wiedergutmachung für die eigenen Verfehlungen. Im Tagesgebet der heutigen Messe beten wir zu Gott, dem »Quell des Erbarmens und der Güte« »Wir stehen als Sünder vor dir, und unser Gewissen klagt uns an. Sieh auf unsere Not und laß uns Vergebung finden durch Fasten, Gebet und Werke der Liebe.«15
Durch die Läuterung auf dem Weg der Buße und der Abtötung werden sogar frühere Sünden fruchtbar: »Vergrabe durch die Buße deine Nachlässigkeiten, Beleidigungen und Sünden in der tiefen Grube, die deine Demut öffnet. - Denn so vergräbt auch der Bauer die faulen Früchte, die trockenen Äste und das gefallene Laub am Fuße des Baumes, der sie hervorbrachte. - Was unfruchtbar, ja, was schädlich war, trägt nun wirksam zu neuer Fruchtbarkeit bei. - Lerne, Schwung aus dem Sturz zu holen: Leben aus dem Tode.«16
Der Herr möge uns lehren, den Sinn von Buße und Abtötung tiefer zu erfassen, damit wir ihren verborgenen Reichtum zu nutzen wissen: »Wenn du an dein vergangenes Leben denkst - an ein Leben ohne Höhen und Tiefen, dann mache dir klar, wieviel Zeit du verloren hast, und frage dich auch, wie du sie zurückgewinnen kannst - durch Buße und eine größere Hingabe.«17
Opferwille und Buße des Christen verbinden sich mit Christi Kreuz. Meistens geht es dabei um die kleinen Abtötungen. Und es gibt zahlreiche Motive für die Buße: »Gründe zur Buße? Sühne, Wiedergutmachung, Bitten, Danksagung: lauter Mittel, um voranzukommen ...: für dich, für mich, für deine Familie, dein Land, die Kirche ... Und tausend Gründe mehr.«18
1 vgl. Lk 12,50. - 2 Mt 16,24. - 3 Lk 14,27. - 4 R. Guardini, Der Herr, Würzburg 1951, S.343. - 5 1 Kor 1,23. - 6 J. Escrivá, Der Weg, Nr. 172. - 7 Theresia von Avila, Weg zur Vollkommenheit, 18,2. - 8 Mt 10,38. - 9 Mt 16,25. - 10 Joh 12,24-25. - 11 J. Escrivá, Der Weg, Nr. 199. - 12 Mt 11,28-30. - 13 vgl. J. Escrivá, Der Weg, Nr. 232. - 14 ebd., Nr. 81. - 15 Tagesgebet vom Dritten Fastensonntag. - 16 J. Escrivá, Der Weg, Nr. 211. - 17 ders., Die Spur des Sämanns, Nr. 996. - 18 ders., Der Weg, Nr. 232.
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