OSTERZEIT 3. WOCHE - FREITAG
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GEMEINSCHAFT DER HEILIGEN
Christus in den Christen. Wir überschreiten Raum und Zeit. Die Heilige Messe, Gebet für die Verstorbenen.
I. Zweimal schildert der Apostel Paulus in der Apostelgeschichte1 das entscheidende Erlebnis in seinem Leben: das Ereignis vor Damaskus. In der Lesung der heutigen Messe heißt es2: Unterwegs aber, als er sich bereits Damaskus näherte, geschah es, daß ihn plötzlich ein Licht vom Himmel umstrahlte. Er stürzte zu Boden und hörte, wie eine Stimme zu ihm sagte: Saul, Saul, warum verfolgst du mich? Er antwortete: Wer bist du, Herr? Dieser sagte: Ich bin Jesus, den du verfolgst.3 Paulus verfolgt die Christen, die Anhänger des neuen Weges4. Plötzlich steht er vor der Erkenntnis, daß er Jesus selbst verfolgt.
Dieses Erlebnis prägte sich ihm unauslöschlich ein. Es bestimmte nicht nur den weiteren Gang seines Lebens, sondern auch seine ganze Verkündigung. Ein zentraler Punkt darin ist die Lehre vom mystischen Leib Christi. Christus ist das Haupt des Leibes, der Leib aber ist die Kirche5, und so sind wir, die vielen, ein Leib in Christus, als einzelne aber sind wir Glieder, die zueinander gehören6. Wenn darum ein Glied leidet, leiden alle Glieder mit; wenn ein Glied geehrt wird, freuen sich alle anderen mit ihm.7
Die Einheit der Christen mit Christus und untereinander läßt Paulus die Christen von Rom, die er persönlich noch nicht kennt, um den Beistand ihres Gebetes bitten, als er sich von Korinth auf den Weg nach Jerusalem macht.8 Immer wieder betont er die Verbundenheit mit den Brüdern und Schwestern im Glauben, die er Heilige nennt: Paulus und Timotheus, Knechte Christi Jesu, an alle Heiligen in Christus Jesus, die in Philippi sind.9
»Ich glaube an (...) die Gemeinschaft der Heiligen« beten wir im Apostolischen Glaubensbekenntnis: »Diese Aussage (...) konfrontiert uns mit der Frage, woraus die Kirche lebt und worum es in ihr geht. Die ursprüngliche Bedeutung dieser Bekenntnisaussage ist nämlich: Die Kirche ist die Gemeinschaft am Heiligen; sie existiert durch die gemeinsame Anteilhabe an den Gütern des Heils, besonders an der Eucharistie (...). Durch die gemeinsame Anteilhabe am Heiligen werden wir untereinander zur Gemeinschaft der Heiligen zusammengefügt.«10 Die Verbundenheit äußert sich im Gebet füreinander, im Aufopfern unserer Arbeit und unserer Mühen für Anliegen der ganzen Kirche, für das apostolische Wirken in Missionsländern oder bei uns, für Brüder und Schwestern in Not, für Menschen, die sich dem Glauben entfremdet haben oder Christus noch nicht kennen. Wir sind alle aufgerufen zur Solidarität untereinander. Als Papst Johannes Paul II. in Köln Edith Stein seligsprach, wies er auf ihr Beispiel hin: »Beim Verlassen ihres Klosters faßte Edith ihre Schwester bei der Hand und sagte nur: >Komm, wir gehen für unser Volk.< Aus der Kraft opferbereiter Christusnachfolge sah sie auch in ihrer scheinbaren Ohnmacht noch einen Weg, ihrem Volk einen letzten Dienst zu erweisen.«11
Im Leben des heiligen Paulus stellt uns ein weiteres Ereignis die Mächtigkeit der Gemeinschaft der Heiligen vor Augen, dessen Tragweite sich der künftige Apostel noch nicht bewußt war, als es geschah: Augustinus - der seine Bekehrung dem Gebet und den Tränen seiner Mutter zuschreibt - sieht Saulus neben dem sterbenden Stephanus stehen, der für seine Henker betet, und schreibt: »Wenn Stephanus nicht zu Gott gebetet hätte, hätte die Kirche keinen Paulus.«12
Wir sind nicht allein: »Lebt eine besondere Gemeinschaft der Heiligen: dann wird ein jeder im inneren Kampf ebenso wie in der beruflichen Arbeit die Freude und die Kraft verspüren, nicht allein zu sein.«13
II. »Die Menschwerdung des Sohnes Gottes ist Ausgangspunkt der Kirche, ein Werk des Heiligen Geistes, das in jeder menschlichen Generation präsent ist und Zeit und Geschichte transzendiert. Die Kirche versteht sich mithin als einen Organismus, dessen Leben von außerhalb der Zeit - es ist Ewigkeit - und außerhalb des Raumes - es ist Fülle - kommt. Alle Menschen aller Zeiten sind auf Gliedschaft in ihm hingeordnet.«14
»Solidarität= ist ein geläufiges Wort geworden. Jedoch kann die uralte menschliche Sehnsucht - alle Menschen werden Brüder« leicht zur Banalität verkommen, wenn sie keine feste Verankerung hat. »In der Kirche, so wie sie sich selber versteht, ist diese uralte Sehnsucht erfüllt. Sie umspannte schon die geographischen Räume Jahrhunderte, bevor die Menschen anfingen, sich als solidarische Menschheitsfamilie zu entdecken. Und sie überschreitet auch die historischen Zeiten. Sie lebt nicht außerhalb der Zeit, sondern vereinigt die Zeiten in sich. In der Kirche sind wir echte >Zeitgenossen< aller Menschen aller Zeiten, über die Zeiten hinweg. Einsiedler der ersten Jahrhunderte und Könige des Mittelalters sind Familienangehörige der heutigen >Kirchenbesucher<.«15
Die Gemeinschaft der Heiligen überschreitet Raum und Zeit. Ein Christ, der verlassen in einer entlegenen Gegend stirbt, ist nicht allein: die ganze Kirche ist bei ihm. Eine alte Frau, die in schlichtem Glauben ihre Gebrechen Gott aufopfert, trägt zur Verwirklichung des Heilsplanes Gottes bei. Erst am Jüngsten Tag, wenn die Menschheitsgeschichte zu Ende gegangen ist, werden wir sehen, wie Beispiel und Wirken eines Heiligen durch die Zeiten hin Widerhall gefunden haben.
Wir alle sind »Stellvertreter« füreinander, verbunden in Christus und ihn nachahmend: »Zu den innersten Geheimnissen des Christentums gehört das Prinzip der Stellvertretung. Unsere Erlösung beruht darauf. Wie Christus stellvertretend für uns gesühnt hat, so stehen bis zum Ende, bis zum Jüngsten Tag, Christen, indem sie ihr Kreuz tragen, es lieben und darbringen, füreinander und für jene Brüder und Schwestern ein, die in Kälte und Dunkelheit der Sünde oder im >Feuer< des Purgatoriums eingeschlossen sind.«16
Ein unsichtbares Geflecht aus Beten und Leiden, aus Tun und Erdulden trägt uns. In diesem Augenblick betet jemand für mich, in diesem Augenblick bete ich für jemanden, in diesem Augenblick verleiht mir das Leiden eines Unbekannten Kraft. Wenn wir einmal vor Gottes Gericht stehen und auf unser Leben zurückblicken, werden wir dankbar erkennen, wer uns in der Not gehalten, wer uns Gott näher gebracht hat. Dann werden wir auch, wenn wir dem Herrn treu bleiben, freudig erfahren, wie Gebete und Opfer für uns nahestehende Menschen, die wir für umsonst hielten, doch wirksam geworden sind.
III. »Durch geheimnisvolle Fügung der erhabenen Güte Gottes sind die Menschen durch eine übernatürliche Beziehung miteinander verbunden, so daß die Sünde des einen auch den anderen schadet, wie die Heiligkeit des einen auch für andere zum Segen wird. Auf diese Weise leisten sich die Gläubigen gegenseitige Hilfe zur Erreichung ihres übernatürlichen Zieles.«17 Nicht eine horizontale menschliche Solidarität - mag sie auch noch so ehrlich gemeint sein - begründet die Gemeinschaft der Heiligen, sondern das Verbundensein untereinander im lebendigen Christus, dem Haupt. Der Grund, der uns trägt, ist nur aus der Si= 17 Nicht eine horizontale menschliche Solidarität - mag sie auch noch so ehrlich gemeint sein - begründet die Gemeinschaft der Heiligen, sondern das Verbundensein untereinander im lebendigen Christus, dem Haupt. Der Grund, der uns trägt, ist nur aus der Scht des Glaubens faßbar. Die Früchte unseres Betens und Opferns bleiben meistens dem irdischen Auge unsichtbar.
Ganz besonders nehmen wir an der Gemeinschaft der Heiligen beim heiligen Meßopfer teil. »Durch die Gemeinschaft der Heiligen wird allen Christen die Gnade jeder heiligen Messe zuteil, ganz gleich, ob sie in Anwesenheit von Tausenden gefeiert wird oder ob vielleicht nur ein Kind, noch dazu zerstreut, dem Priester die Messe dient.«18 In der heiligen Messe vervollkommnet sich Tag für Tag die Einheit unter allen Gliedern der Kirche in Christus. Der Zelebrant feiert sie in persona Christi, des einen Hohenpriesters, und bringt dem einen Gott das eine Opfer dar mit dem einen Volk, das gerade dadurch geeint wird: Ein Brot ist es. Darum sind wir viele ein Leib; denn wir alle haben Teil an dem einen Brot.19 Deshalb heißt es in einem Text des Zweiten Vatikanischen Konzils: »Durch das Sakrament des eucharistischen Brotes wird die Einheit der Gläubigen, die einen Leib in Christus bilden, dargestellt und verwirklicht (1 Kor 10,17) .«20
»In Gemeinschaft mit der ganzen Kirche«21 bringen wir »das Opfer, das dir wohlgefällt und der ganzen Welt Heil bringt«22, dar und bitten, »daß alle, die Anteil erhalten an dem einen Brot und dem einen Kelch, ein Leib werden im Heiligen Geist, eine lebendige Opfergabe in Christus.«23 Wir beten für den Papst, für die Bischöfe, »für dein ganzes Volk und für alle Menschen, die mit lauterem Herzen dich suchen«24, und für jene, »die uns vorangegangen sind, bezeichnet mit dem Siegel des Glaubens, und die nun ruhen in Frieden«25. Im feierlichen Augenblick der heiligen Messe erhält, was auch im Alltag gilt, konkretere Gestalt: die Anrufung der Heiligen, das Gebet für die uns Nahestehenden, die durch den Tod gewandelte Nähe zu unseren Verstorbenen, die Fürbitte für die Seelen im Fegefeuer. Das Gebet für die Verstorbenen - für Eltern und Großeltern, Geschwister, Freunde und auch jene, für die sonst keiner betet - gehört von Anfang an zum Glaubensschatz der Kirche.
Gemeinschaft der Heiligen ... Der noch unwissende Saulus wurde am Anfang durch Stephanus, der für ihn betete, in sie hineingenommen. Der Erblindete erfuhr sie am Ende durch Hananias, einem Jünger des Herrn, der zum Werkzeug Gottes für Gottes auserwähltes Werkzeug werden sollte: Er legte Saulus die Hände auf und sagte: Bruder Saul, der Herr hat mich gesandt, Jesus, der dir auf dem Weg erschienen ist; du sollst wieder sehen und mit dem Heiligen Geist erfüllt werden. Sofort fiel es wie Schuppen von seinen Augen und er sah wieder. Er stand auf und ließ sich taufen.26
Am Ende unseres Gebetes fühlen wir uns wohl Hananias, der nicht weiter mehr in Erscheinung tritt, näher als dem großen Paulus: Wie auch immer - jeder soll zum Werkzeug Gottes für andere werden. Der Gedanke an den Austausch geistlicher Güter kann uns anspornen. Jemand braucht - wissend oder nicht - unser Gebet. Jemand verläßt sich auf unsere Treue. Jemand macht uns reich durch sein Opfer. »In schwierigen Situationen kann dir folgender Gedanke helfen: Je mehr meine Treue wächst, desto mehr trage ich dazu bei, daß auch andere in der Treue wachsen.
Wie wohltuend ist es zu spüren, daß wir uns gegenseitig stützen!«27
1 Apg 22,4ff.; 26,9ff. - 2 Apg 9,1-20. - 3 Apg 9,3-5. - 4 Apg 9,2. - 5 Kol 1,18. - 6 Röm 12,5. - 7 1 Kor 12,26. - 8 vgl. Röm 15,30-32. - 9 Phil 1,1. - 10 Katholischer Erwachsenen-Katechismus, Bonn 1985, S.307. - 11 Johannes Paul II., Ansprache in Köln, 1.5.1987. - 12 Augustinus, Predigt 315. - 13 J.Escrivá, Der Weg, 545. - 14 J.Arquer, Was ist die Kirche? in: Plädoyer für die Kirche, Aachen 1991, S.35. - 15 ebd., S.33-34. - 16 P.Berglar, Die Stunde des Thomas Morus, Olten 1978, S.224. - 17 Paul VI, Apost.Konst. Sacrarum indulgentiarum recognitio, 4. - 18 J.Escrivá, Christus begegnen, 89. - 19 1 Kor 10,17. - 20 II.Vat.Konz., Konst. Lumen gentium, 3. - 21 1. Hochgebet. - 22 4. Hochgebet. - 23 ebd. - 24 ebd. - 25 1. Hochgebet. - 26 Apg 9,17-19. - 27 J.Escrivá, Die Spur des Sämanns, Nr.948.
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