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  • 25.04.2013 10:38 - VERSTEHEN, VERSCHMERZEN, REIFEN
von Hildegard Maria in Kategorie Allgemein.

OSTERZEIT
4. WOCHE - DONNERSTAG

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VERSTEHEN, VERSCHMERZEN, REIFEN

Fähig sein, frühere Urteile über Menschen zu revidieren.
Menschen können an Reife und Weisheit zunehmen.
Unsere Fehler von gestern sollen uns nicht den Mut nehmen.


I. In der ersten Lesung1 der heiligen Messe erfahren wir von einem Streit im Kreis der Mitarbeiter des heiligen Paulus. Dieser erscheint bereits als die beherrschende Gestalt, nicht umsonst heißt es: Paulus und seine Begleiter. Zu diesen Begleitern gehören Barnabas, der Paulus in den Kreis der Jerusalemer Gemeinde eingeführt hatte, und Markus. Er gibt Anlaß zu der Meinungsverschiedenheit.

Johannes mit dem Beinamen Markus2 war ein Vetter des Barnabas. Seine Mutter gehörte zu den ersten Frauen, die Jesus und den Zwölf halfen. Ihr Haus in Jerusalem diente der Urgemeinde als Versammlungsort.3 Markus hatte also die Anfänge der Kirche in Jerusalem erlebt, mit der Mutter des Herrn und den Aposteln engen Kontakt gehabt. So erscheint es logisch, daß Barnabas sich auf seinen Verwandten stützte und ihn als Begleiter auf die Missionsreise nach Kleinasien mitnahm, die er und Paulus unternahmen. Aber den jungen Markus verließen irgendwann einmal die Kräfte, und er kehrte nach Jerusalem zurück. Dies ist der Grund, weshalb Paulus ihn nicht erneut auf die zweite Missionsreise mitnehmen will. Barnabas wollte auch den Johannes, genannt Markus, mitnehmen; doch Paulus bestand darauf, ihn nicht mitzunehmen, weil er sie in Pamphylien im Stich gelassen hatte, nicht mit ihnen gezogen war und an ihrer Arbeit nicht mehr teilgenommen hatte.4 Es kommt daraufhin zur Trennung: Barnabas nahm Markus mit und segelte nach Zypern. Paulus aber wählte sich Silas und reiste ab, nachdem die Brüder ihn der Gnade des Herrn empfohlen hatten.5 Der Kirchenvater Hieronymus schreibt dazu: »Paulus strenger, Barnabas milder - jeder blieb bei der eigenen Ansicht. Und im Streit schimmert etwas von der menschlichen Gebrechlichkeit durch.«6

Wahrscheinlich war die Auseinandersetzung recht heftig. Doch später treffen wir Markus in Rom, zuerst bei Petrus, dann ebenfalls bei Paulus7. Die beiden haben sich also ausgesöhnt, mehr noch, Paulus legt besonderen Wert auf die Hilfe des Markus, wenn er an Timotheus schreibt: Bring Markus mit, denn er wird mir ein guter Helfer sein.8 Vom römischen Gefängnis aus schickt er Grüße an die Philipper: Es grüßt euch Aristarch, der mit mir im Gefängnis ist, und Markus, der Vetter des Barnabas (...); durch sie bin ich getröstet worden.9 Markus ist also einige Jahre danach Paulus' Freund und wirksamer Mitarbeiter geworden. Paulus, vorher der Meinung, Markus käme für das anstrengende Werk der Verkündigung nicht länger in Frage, will ihn nun bei sich als seinen Helfer haben. Der Apostel, den wir als großherzig und opferbereit, feurig und entschlossen kennen, schämt sich nicht, sein Urteil zu revidieren. Er ist weise genug, zu wissen, daß die Gnade Gottes und die Zeit einen Menschen ändern können, und demütig genug, über Menschen nicht unwiderruflich zu urteilen. Denn wir können zwar ihre äußere Handlungsweise, selten aber ihre Absichten beurteilen. Gott allein kennt ihre letzten Beweggründe. Deshalb müssen unsere Urteile revidierbar bleiben.

Der Herr nimmt uns an, wie wir sind - und dazu gehören auch unsere Armseligkeiten. Er gibt uns die Kraft, uns nicht mit ihnen abzufinden.

Wie lehrreich ist ein Blick auf die eigene Erbärmlichkeit, um sich in andere Menschen hineinzuversetzen! Natürlich werden wir offensichtliche Mängel nicht einfach ignorieren. Aber gleichzeitig können wir sie in einem anderen Licht sehen, in einer umfassenderen Perspektive betrachten. Damit sind wir schon auf dem Weg des Verstehens so wie Christus damals, als er unter den schwerfälligen Aposteln lebte oder der ehebrecherischen Frau begegnete. Der Herr liebt nicht unsere Gebrechen als solche, aber weil er uns liebt, die wir sie haben, hat er aus Liebe Geduld mit uns, wartet und hilft. Er schreibt uns niemals ab. Lassen wir Menschen, die uns mißliebig sind, nicht gleich fallen, geben wir ihnen die Chance, die Gott auch uns gibt.

II. Auch von Markus her gesehen ist das, was uns die Apostelgeschichte erzählt, lehrreich. Wir wissen wenig über ihn. Zu der Zeit, da er den Konflikt zwischen Paulus und Barnabas auslöste, war er jung, sicher noch unreif. Wer weiß, ob Barnabas ihn nicht - er war sein Vetter - aus familiärer Zuneigung überschätzt hatte oder ob Markus selbst noch zu leicht verwundbar war und den Kampf zu früh aufgab. Wir wissen es nicht. Aber, so dürfen wir annehmen, jener, den uns eine alte Überlieferung als »Dolmetscher des Petrus= 10 vorstellt, hat die Worte des Apostels über Jesus nicht nur gedolmetscht und anderen vorgetragen, sondern er hat sie auch auf sich selbst bezogen - bis zu den Selbstanklagen des Petrus wegen mangelnden Mutes und Kleingläubigkeit. Dem jungen Markus wird «10 vorstellt, hat die Worte des Apostels über Jesus nicht nur gedolmetscht und anderen vorgetragen, sondern er hat sie auch auf sich selbst bezogen - bis zu den Selbstanklagen des Petrus wegen mangelnden Mutes und Kleingläubigkeit. Dem jungen Markus wird es nicht gleichgültig gewesen sein, daß ein so erfahrener Verkündiger wie der große Paulus ihn abgelehnt hatte. Er wird die Ursachen bei sich selbst gesucht und so an Reife und Weisheit gewonnen haben. Auch für ihn - wie für Paulus - wurde das Vergangene nicht zu einer unumstößlichen Wirklichkeit. Denn später, als er gebraucht wird, ist er da: als Trost und guter Helfer für Paulus. Beide lehren uns, daß Vergeben, Verschmerzen und Nichtnachtragen zur inneren Größe einer Seele gehören: »Wie eng ist die Seele derer, die ihre >Beschwerdeliste< sorgfältig aufbewahren! Mit solchen bedauernswerten Menschen ist ein Zusammenleben kaum möglich.

Wahrhafte Nächstenliebe >omnia suffert< - >erträgt alles< und führt nicht Buch: weder über die >ständigen und notwendigen< Dienste, die sie tut, noch über die Kränkungen, die sie erfährt.«11

Der Hochmütige neigt dazu, alles - jeden Gefallen - zu >verbuchen<, und er erwartet eine Gegenleistung; erfahrene Kränkungen will er beglichen wissen. So gehen Energien verloren, die man lieber auf das innere Wachsen und auf geistige Geschmeidigkeit lenken sollte, damit wir für die Pläne Gottes gerüstet sind. Sonst sind wir in der Vergangenheit gefangen. Anders dagegen ein Mensch, der von demütiger Gesinnung ist: er ist nicht so schnell eingeschnappt, weil er sich von Gott angenommen weiß; er reagiert auf die Meinung anderer gelassener, weil er abzuwägen versteht; er vermag einer Kränkung oder einem Affront im Auf und Ab des Alltags ihren Stellenwert zu geben: heute geschehen, morgen vergessen, innerlich vergeben.

Eine solche Haltung bedeutet nicht weltfremde Gleichgültigkeit gegenüber der eigenen Selbstachtung oder dem eigenen Ansehen, sondern die Wirklichkeit von Gott her zu bewerten; er kennt unser Herz, und deshalb können wir Fehleinschätzungen oder Mißdeutungen anderer Menschen ertragen - wissen wir doch aus Erfahrung um die Wechselhaftigkeit menschlicher Urteile. Vor diesem Hintergrund dürfen wir die Gestalt des erwachsenen Markus sehen: die frühere Schelte nicht nachtragend, ist er nun ein gereifter Mitarbeiter des Barnabas, stärkender Tröster des Paulus, treuer geistlicher Sohn des Petrus.

Die Demut schließlich erleichtert die Brüderlichkeit. Der Demütige sucht den Kontakt zu den anderen, bereit, aus eigenem Impuls den Frieden wiederherzustellen, Hilfe zu leisten und Hilfe anzunehmen. »Jene, die sich nahestehen, tragen sich gegenseitig und dank ihrer entsteht das Bauwerk der Liebe (...). Wenn ich also mir nicht die Mühe nehme, deine Eigenarten zu ertragen, und wenn du dir nicht die Mühe nimmst, mich mit meiner Eigenart zu ertragen, wie werden wir dann - ohne durch Geduld in gegenseitiger Liebe verbunden zu bleiben - zusammen den Bau der Liebe aufrichten können? Denn in einem Bauwerk ist jeder Stein tragend und wird selbst getragen.«12

III. Markus »schreibt das Evangelium des heiligen Petrus nieder, das Markusevangelium. Nach Petri Tod leitet er von Alexandrien aus die ägyptische Kirche. So versichert die Tradition (...). Jedenfalls steht jedem Christen der heilige Markus nahe durch sein Evangelium. Er hat uns darin ein Christusbild geschenkt, das bis in feinste Einzelheiten geht.«13

Wie beeindruckend, die Gestalt des zweiten Evangelisten zu betrachten - vom zögernden Jüngling bis zur verläßlichen Stütze der Urkirche. Daraus können wir lernen, daß eigene Armseligkeiten oder früheres Schwanken kein Hindernis sein müssen, der Kirche beherzt zu dienen. Die Gnade kann uns zu wirksamen Werkzeugen des Heiligen Geistes werden lassen.

Wie wird Markus den greisen, gefangenen Paulus umsorgt haben! Die Liebe ist langmütig, die Liebe ist gütig. Sie ereifert sich nicht, sie prahlt nicht, sie bläht sich nicht auf. Sie handelt nicht ungehörig, sucht nicht ihren Vorteil, läßt sich nicht zum Zorn reizen, trägt das Böse nicht nach (...). Sie erträgt alles14: eigene wie fremde Fehler, eigensinnige Charaktere, die Schwierigkeiten im Umgang miteinander. Können wir uns einen Paulus vorstellen, der den Markus weiterhin wie ehemals beurteilt? Der das Urteil von damals zum Vorurteil gerinnen ließe, Markus sei für das Werk des Evangeliums nicht brauchbar, weil er einmal schwach wurde und nach Jerusalem zurückging? Können wir uns einen Markus vorstellen, der, verletzt, jenen Augenblick nicht hätte vergessen können?

Erbitten wir uns heute von der Muttergottes ein weites Herz, damit wir niemals etwas nachtragen und Vorurteile gern fallen lassen. Paulus lehrt uns das richtige Verschmerzen, Markus das Reifen.

1 Apg 13,13-25. - 2 vgl. Apg 12,12. - 3 ebd. - 4 Apg 15,37-38. - 5 Apg 15,39-40. - 6 Hieronymus, Dialog wider die Pelagianer, 2,17. - 7 vgl. Phlm 24. - 8 2 Tim 4,11. - 9 vgl. Kol 4,10-11. - 10 vgl. Eusebius, Kirchengeschichte III,39,15. - 11 J.Escrivá, Die Spur des Sämanns, Nr.738. - 12 Gregor der Große, Homilien über Ezechiel. - 13 Th.Schnitzler, Die Heiligen im Jahr des Herrn, Freiburg 1989, S.146. - 14 1 Kor 13,4.



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