OSTERZEIT 5. WOCHE - DONNERSTAG
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ZU BEGINN DES TAGES
Im Rhythmus der Natur und in Christus geborgen. Aufopferung des Tagewerks: der erste Gedanke und die erste Tat. Aufopferung des Tagewerks und die heilige Messe.
I. So geschah es. Gott machte die beiden großen Lichter, das größere, das über den Tag herrscht, das kleinere, das über die Nacht herrscht, auch die Sterne. Gott setzte die Lichter an das Himmelsgewölbe, damit sie über die Erde hin leuchten.1 Nicht eine sachliche Information wird uns hier gegeben, sondern eine Anregung für das Herz in der schlichten Sprache derer, die das Staunen nicht verlernt haben: der Kinder und Dichter. Aus dem Mund der Kinder und Säuglinge schaffst du dir Lob (...). Seh' ich den Himmel, das Werk deiner Finger, Mond und Sterne, die du befestigt: Was ist der Mensch, daß du an ihn denkst, des Menschen Kind, daß du dich seiner annimmst?2 Sonne, Mond und Sterne sind für viele Suchende der Anfang der Frage nach Gott, für den Gläubigen eine Aufforderung zu Lob und Dank: sie rühmen die Herrlichkeit Gottes, vom Werk seiner Hände kündet das Firmament3. Nicht nur schön sind sie, sie bestimmen auch den Rhythmus des menschlichen Lebens: durch Tage, Monate, Jahre. Durch sie werden wir in den Zyklus der Natur eingebunden: Du hast den Mond gemacht als Maß für die Zeiten (...). Du sendest Finsternis, und es wird Nacht, dann regen sich alle Tiere des Waldes.4 Aber blind festgelegt wie die Gestirne sind wir nicht: Strahlt die Sonne dann auf, (...) geht der Mensch hinaus an sein Tagewerk, an seine Arbeit bis zum Abend5. Unser Tagewerk gestaltet die Schöpfung, es ist Auftrag, Aufgabe, Arbeit im Wechsel von Tag und Nacht, von Schaffen und Ruhen. Ein Tag sagt es dem anderen, eine Nacht tut es der anderen kund.6 Jeder beginnende Morgen ist mit dem vorhergehenden verknüpft, jede anbrechende Nacht verursacht in dieser Veknüpfung einen geheimnisvollen Riß. Am Morgen öffnet sich der Blick auf das Kommende, das nur Gott kennt. Mit dem anbrechenden Tag beginnt das Leben neu. Mit der Nacht üben wir uns in den Tod ein, wir schauen auf Vergangenes zurück, das schon Geschichte geworden ist. Mit dem Anbrechen des neuen Tages stehen wir wieder mitten im Leben: wie eine Neu-Geburt im Kleinen, nachdem wir das Sterben in der Zeit im nächtlichen Schlaf erfahren haben.
Jedoch ist der Wechsel der Zeit, sind Tag und Nacht von einer Art »fortbleibender Gegenwart« grundiert von der Gegenwart Christi in unserer Geschichte: seiner Anwesenheit in der Eucharistie, durch sein Wort, in der Kirche. Jeder verrinnende Augenblick unseres Lebens ist in der Mächtigkeit der in Christus »erfüllten Zeit« geborgen.
Ich will dem Herrn singen, solange ich lebe, will meinem Gott spielen, solange ich da bin7 - am frühen Morgen wie am Abend des Tages. Hierin unterscheiden wir uns von den Bäumen und Tieren, die der Psalmist besingt. Wie besser könnten wir den Tag beginnen, als ihn Gott zu weihen, der ihn uns schenkt? Die Aufopferung des Tagewerks richtet den ganzen Tag auf Gott aus, sie ist wie ein Blick, den wir inmitten einer noch unbekannten Landschaft auf den Kompaß werfen. Sie öffnet unser Herz für die Regungen und Eingebungen des Heiligen Geistes.
»Erneuert jeden Tag mit einem entschlossenen Serviam! - ich will dir dienen, Herr! - den Vorsatz, nicht aufzugeben, nicht faul oder nachlässig zu werden, die Arbeit mit mehr Hoffnung und Optimismus anzugehen. Wir sind ja davon überzeugt, daß ein aufrichtiger Akt der Liebe die Niederlage in einem Scharmützel wettmacht.«8
II. Die Zeugnisse der frühchristlichen Literatur belegen, daß das Morgengebet urchristlicher Brauch ist: »Tertullian rät, sich morgens zum ersten Gebet, das den neuen Tag eröffnet, hinzuknien - zum Zeichen der Verehrung und der Selbstdemütigung vor Gott. Der Betende ist nach Osten gewandt >von wo das wahre Licht kommt< (...). Christen sind, nach Tertullian, >alle die, die staunend dasselbe Licht der Wahrheit haben leuchten sehen.<«9 Der heilige Paulus fordert die Christen auf, den ganzen Tag Gott zu weihen . An die Korinther schreibt er: Ob ihr also eßt oder trinkt oder etwas anderes tut: tut alles zur Verherrlichung Gottes!10 Und an die Kolosser: Alles, was ihr in Worten oder Werken tut, geschehe im Namen Jesu, des Herrn. Durch ihn dankt Gott, dem Vater!11
Nicht nur den ersten Gedanken des Tages, auch das erste Tun können wir Gott darbringen - als erste kleine Überwindung in der Reihe der vielen Scharmützel im Laufe des gerade beginnenden Tages. Doch da dieses erste Gefecht nicht immer leicht ist, hat man es den heroischen Augenblick genannt: »Die heroische Minute. - Das ist der Augenblick des pünktlichen Aufstehens. Kein Schwanken: ein übernatürlicher Gedanke und ... auf! - Die heroische Minute: da hast du eine Abtötung, die deinen Willen stärkt und deine Natur nicht schwächt.«12 Denn: »Wenn du dich mit der Hilfe Gottes überwindest, hast du schon viel für den Tag vorweggenommen. Es ist entmutigend, sich gleich beim ersten Handgemenge besiegt zu sehen!«13
Jeder hat seine Art, den Tag vor Gott zu beginnen. Es ist gut, uns bei der Aufopferung des Tages, der guten Meinung, Vorsätze, die wir am vorhergehenden Tage gefaßt haben, kurz in Erinnerung zu rufen. Einigen wird das Herz spontan die geeigneten Worte eingeben, andere brauchen an festen Formeln Halt, vielleicht einem altvertrauten Gebet aus der Kindheit, wie dem zur Muttergottes, das zugleich gute Meinung und Hingabe seiner selbst ist: O meine Gebieterin, o meine Mutter! Dir bringe ich mich ganz dar; und um dir meine Hingabe zu bezeigen, weihe ich dir heute meine Augen, meine Ohren, meinen Mund, mein Herz, mich selber ganz und gar. Weil ich also dir gehöre, o gute Mutter, bewahre mich, beschütze mich als dein Gut und Eigentum. Amen.14 Andere werden außerdem ihren Schutzengel oder den heiligen Josef um Beistand bitten.
Im Stundengebet betet die Kirche den alten liturgischen Hymnus: »Christus, du Sonne unseres Heils, vertreib in uns die dunkle Nacht, daß mit dem Licht des neuen Tages auch unser Herz sich neu erhellt. Du schenkst uns diese gute Zeit, gib Klarheit unsern Augen, Herr, und führe uns auf deinen Weg, daß wir nicht in die Irre gehn. Es kommt der Tag, dein Tag erscheint, der alles neu erblühen macht, der Tag, der unsre Freude ist, durch den du uns mit dir versöhnst.«15
III. Bei der Aufopferung des Tagewerks verdichtet sich sozusagen die Gottesgegenwart, die wir im Laufe des Tages lebendig erhalten möchten. Die Liturgie regt uns dazu an, etwa wenn es in einem Tagesgebet der heiligen Messe heißt: Komm unserem Tun mit deinen Eingebungen zuvor und begleite es mit deiner Hilfe, auf daß all unser Beten und Handeln stets von dir begonnen, und wie begonnen, so auch durch dich vollendet werde.16
Besonders bei der heiligen Messe erhält die Aufopferung des Tagewerks, die wir, vielleicht noch ein wenig verschlafen in der Stille unseres Zimmers verrichtet haben, eine universale Weite. Die Gebete zur Gabenbereitung regen uns dazu an, alles, was Frucht der menschlichen Arbeit ist, zusammen mit dem Brot und dem Wein Gott darzubringen: ... Wir bringen dieses Brot vor dein Angesicht, damit es uns das Brot des Lebens werde ... Wir bringen diesen Kelch vor dein Angesicht, damit er uns der Kelch des Heiles werde.17 Diese Gebete nehmen die Formel des jüdischen Tischgebetes - Beracha - zur Darbringung des Brotes und des Weines auf. »Die israelitische Beracha bringt geradezu poetische, fromme Perspektiven in die Opferung hinein. Da die jüdische Familie betete: >Gepriesen bist du, Herr und Gott!< sprach diese Worte auch die heilige Familie Jesus, Maria und Joseph zu Nazaret und in Betlehem und in der ägyptischen Verbannung. (...)
Die fromme Vorstellung darf sich weiter ausmalen, wie der Herr mit seinen Jüngern beim Essen sitzt - zu Kafarnaum im Haus des Petrus, auf Wanderwegen, bei denen die Apostel Ähren von den Feldern gerupft und zwischen den Händen zerrieben haben. Das Mahl beginnt: >Gepriesen bist du, Herr und Gott!< Ganz ähnlich begann auch das Mahl am Abend, bevor er verraten wurde.«18
Was kann es Besseres geben, als uns zu sammeln, wenn der Priester spricht: Wir bringen dieses Brot vor dein Angesicht ... Wir bringen diesen Kelch vor dein Angesicht ... Da schließen wir alles ein, was uns selbst bewegt, alle Freuden und Nöte in der Familie, die Anliegen von Freunden, Bekannten und Kollegen. Wir bringen alles dar, zusammen mit dem Brot und dem Wein, die zum Leib und Blut Christi werden sollen. Das Zweite Vatikanische Konzil regt dies an, wenn es in der Dogmatischen Konstitution über die Kirche unterstreicht, daß »der ewige Hohepriester Christus Jesus auch durch die Laien sein Zeugnis und seinen Dienst fortsetzen will« »Es sind nämlich alle ihre Werke, Gebete und apostolischen Unternehmungen, ihr Ehe- und Familienleben, die tägliche Arbeit, die geistige und körperliche Erholung, wenn sie im Geist getan werden, geistige Opfer, wohlgefällig vor Gott durch Jesus Christus (1 Petr 2,5). Bei der Feier der Eucharistie werden sie mit der Darbringung des Herrenleibes dem Vater in Ehrfurcht dargeboten.«19
Eine in Sammlung gelebte Minute zu Beginn des Tages kann uns helfen, den ganzen Tag über Christus nicht aus den Augen zu verlieren, um so in freudiger Gelassenheit die Belastungen und Sorgen tragen zu können: bei der Arbeit zielstrebig, im Familienleben freudig, in der Gesellschaft dienstwillig zu sein. Wir werden uns im Laufe des Tages daran erinnern, daß wir ja alles Gott dargebracht haben: auch die Last, die uns plötzlich ermüdet, oder die Resignation die uns angesichts alter Schwierigkeiten erfaßen mag.
Die Aufopferung des Tagewerks reicht, durchpulst von den Gnadenwirkungen der heiligen Messe, mit besonderer Eindringlichkeit in jeden Augenblick des Tages. Denn das Gebet zur Darbringung der Gaben »versetzt uns in Gebetsgemeinschaft mit den heiligsten Betern der gesamten Heilsgeschichte. - Vermutlich galt damals schon die Sitte: Vorbeterin ist die Mutter der Familie, wie sie auch beim Abendgebet die Lichter am siebenarmigen Leuchter anzündet. Dann darf sich unsere Vorstellung der Gottesmutter Maria zuwenden und sie als unsere Vorbeterin erkennen. Wer sich von diesem Bild von Nazaret packen läßt, spürt eine Welle familiärer Innigkeit, die hier in die Feier der Messe hereinströmt.«20
1 Gen 1,15-17. - 2 Ps 8,3-5. - 3 Ps 19,2. - 4 Ps 104,20. - 5 Ps 104,19-23. - 6 Ps 19,3. - 7 Ps 104,35. - 8 J.Escrivá, Freunde Gottes, 217. - 9 A.Hamman, Die ersten Christen, Stuttgart 1985, S.182. - 10 1 Kor 10,31. - 11 Kol 3,17. - 12 J.Escrivá, Der Weg, Nr.206. - 13 ebd., Nr.191. - 14 Geborgen in Gott, Köln 1985, S.96.. - 15 Hymnus Iam Christe sol iustitiae. - 16 Tagesgebet. - 17 Gebete zur Gabenbereitung. - 18 Th.Schnitzler, Was die Messe bedeutet, Freiburg 1976, S.123. - 19 II.Vat.Konz., Konst. Lumen gentium, 34. - 20 Th.Schnitzler, a.a.O., S.123.
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