Herzlich Willkommen, hier in diesem Forum....http://files.homepagemodules.de/b531466/avatar-4dbf9126-1.gif
  • 17.05.2013 00:21 - Das Ghetto Theresienstadt und seine Geschichte
von esther10 in Kategorie Allgemein.

23.10.01 09:39 Alter: 12 Jahre
Typ: Sonstige
Das Ghetto Theresienstadt und seine Geschichte
Von: Jacob Kuypers, Andree Müller, Thomas Schick

Ein Beitrag für die Süddeutsche Zeitung von Jacob Kuypers, Andree Müller und Thomas Schick

Terezin, eine tschechische Kleinstadt, früher einmal eine österreichische Festung, erbaut vom Kaiser Josef II zu Ehren seiner Mutter Maria Theresia. Von hohen Mauern umgeben, symmetrisch, akkurat. Zur Zeit der österreichischen Herrschaft ein unwichtiger Verteidigungsposten gegen die Bedrohung der Preußen, wird Theresienstadt, so der deutsche Name, in den 40er Jahren unseres Jahrhunderts doch noch zu einem Ort des Schreckens und Sterbens. Liest man Aufzeichnungen und hört man Berichte von Zeitzeugen über das Leid und Elend zwischen den hohen Schutzwällen, so scheint das alles aus einem Schauermärchen entnommen worden zu sein. Doch es war einst Wirklichkeit: Menschen, geplagt von Krankheit und Hunger, die in ihren eigenen Fäkalien meist jahrelang hausen mußten, immer mit der Angst lebend, eines Tages auf einem Güterzug zu landen, der sie nach Osten, nach Auschwitz, bringen würde.
Vor allem alte Leute wurden nach Theresienstadt gebracht, denn sie hielten das Lager für eine Erholungsstätte, eine Art Kurort, wie es von den Nazis auch angepriesen wurde. Diese sprachen sogar von "Bad Theresienstadt". Reichere Leute, unter anderem auch viele Künstler und bekannte Wissenschaftler, verließen sich voll und ganz auf die Versprechen der Nationalsozialisten und kauften sich Wohnplätze, um die Vorzüge dieses "Seniorenheimes" zu genießen. Selbst bei der Ankunft in Theresienstadt verlangten einige von ihnen ein Zimmer "mit Seeblick". Doch schon bald sollte sich herausstellen, daß sie alle den Lügen des Naziregimes zum Opfer gefallen waren.
Es ist der 24. November 1941. Aus einem gerade angekommenen Güterzug steigen 342 junge Männer. Sie sind Häftlinge, Juden, so sagt es der Stern auf ihrer Brust. Vor ihnen ragen die grauen, kalten Mauern ihres neuen Heimes in den Himmel, umgeben von Gräben, in denen pechschwarzes Wasser fließt. Hierher sind sie gekommen als sogenanntes "Aufbaukommando", gesammelt von den Deutschen, den Arischen, den Reinen. Für ihr eigenes Volk sollen sie eine Hölle errichten, sollen Gleichgesinnten, Verwandten und Freunden die Gräber schaufeln. Aber sie müssen bleiben, weil sie ja Juden sind.
Weitere zweitausend Häftlinge werden herangeschafft, am 30. November und 2. Dezember, teilen sich enge Räume mit den anderen, schlafen auf dem nackten Boden, manchmal sogar auf Stroh.
Gesetze werden verabschiedet, damit im neu entstandenen Lager etwas Disziplin herrscht. Das Berühren von Schornsteinfegern wird verboten, es könnte ja Glück bringen, kleinere Vergehen werden mit Prügelstrafe, größere mit anschließendem Gefängnisaufenthalt bestraft. Geprügelt wird von Leidesgenossen. Sind die Schläge nicht hart genug, so schlägt ein SS-Mann auf den Prügler ein, zeigt ihm, wie man richtig bestraft. Das Pflücken vom Blumen wird untersagt, Kastanien müssen liegen bleiben.
Die Grundorganisation des Lagers bildet sich heraus. Man errichtet eine Verpflegungsabteilung, eine technische Abteilung, eine Krankenstube, eine Küche, ein zentrales Arbeitsamt und einen Aufsichtsdienst.
Hinter diesen wichtig klingenden Namen verbirgt sich jedoch schlechte Versorgung, keine Transportmöglichkeiten und keine medizinischen Instrumente. Es mangelt an überlebenswichtigen Dingen wie Feuerholz und vor allem an Wasser.
Trotz der hoffnungslos scheinenden Lage entwicheln sich kulturelle Gemeinschaften unter den Häftlingen. Nach harter, getaner Arbeit wird gesungen, rezitiert, gedichtet.
Am 9. Januer 1942 schwinden jedoch die letzten Hoffnungen der Gefangenen, den Krieg und die nationalsozialistische Herrschaft zu überleben: 9 Lagerinsassen werden aufgrund kleinerer Vergehen zum Tode verurteilt und grausam gehenkt.
Am gleichen Tag verläßt auch der erste Transport in den Tod nach Osten das Lager. Diese Transporte sollen ein Schlüsselelement des Theresienstädter Alltags werden. Mehr und mehr Züge donnern Tag und Nacht durch das Ghetto, Menschenmassen, tausende von hilflosen Wesen werden in die Züge gepfercht, müssen auf engstem Raum meist tage- und wochenlang hausen, ohne medizinische und sanitäre Versorgung, ohne Essen und Trinken.
In den Monaten Mai und Juni des gleichen Jahres wird der noch in Theresienstadt lebenden Bevölkerung befohlen, ihre Wohnungen zu verlassen und in andere Gebiete umzusiedeln. Damit verringern sich die Möglichkeiten des Schwarzhandels enorm, so daß der Hunger im Lager immer größer wird, Während des Frühjahres 1942 kommen mehr und mehr alte Menschen per Transport nach Terezin. Es wird zu einem "Ghetto der Alten", einem Durchgangslager für europäische Gefangene der Hitlerischen Diktatur. In der Stadt, die einst etwa 8000 Menschen beherbergte, "leben" nun bereits über 21.000 Menschen auf engstem Raum, mit knapper Nahrungs- und Trinkwasserversorgung, ständig gequält von der Angst vor dem nächsten Transport.
In der Folgezeit steigt die Zahl der Gefangenen rapide an. Auf Fluren, Durchgängen und in den feuchten Kellergewölben der alten Festung werden neue Lager geschaffen, um noch mehr Menschen aufzunehmen. Im neu erbauten Krematorium werden die Leichen derer verbrannt, die schon an den beginnenden Krankheiten gestorben sind oder den psychischen und physischen Belastungen nicht mehr standhalten konnten.
Vor allem die Sommermonate des Jahres 1942 werden zur Tortur für alle Insassen des Ghettos. Angezogen von dem überall herumliegenden Abfall und den Fäkalien schwirren Tausende von Fliegen durch die Gänge. Ratten bevölkern die Keller, Flure und Dachböden, fast jeder leidet und Läusen und Flöhen. Mit ihnen kommen Krankheiten: Scharlach, Gelbsucht, Bauchtyphus, Entritis. Es gibt kaum sanitäre Einrichtungen, von Wasser ganz zu schweigen. Die Hitze ist erdrückend, der Gestank von verfaulendem Fleisch und Unrat fast unerträglich. So rasch wie die Häftlinge ins Lager gebracht worden sind, so schnell verenden sie wieder.
Pro Tag werden etwa 190 Menschen verbannt oder in Massengräbern, die verwässert und matschig sind, begraben.
Um das Problem der hohen Sterblichkeit zu lösen und um "Platz zu schaffen", wie es die Nazis nannten, deportiert man nun meist alte Leute in den Osten. Sie gelten in den Augen der Offiziere nur als lästig, da sie keine Arbeit verrichten und gepflegt werden müssen, "sowieso bald stürben".
Gegen Ende des schrecklichen 1942 beginnen die Nazis damit, die Leute in Theresienstadt psychisch völlig zu zermürben: Sie richten Läden ein, in denen es Medizin, Nahrung, Parfüm oder Kleidung gibt. Die Waren in den Vitrinen sind jedoch nicht zum Verauf bestimmt. Die Läden dienen allein Propagandazwecken um den internationalen Vertretern zu zeigen, wie "sozial und human die Judenfrage gelöst würde". Ein Kaffeehaus wird eingerichtet, in dem man dem Lagerorchester lauschen und eine schwarze Brühe trinken kann, die entfernt an Kaffee erinnern soll.
Sehnsüchtig betrachten die Leute die Waren in den Verkaufsständen, sehen sie und können sie doch nicht besitzen, auch wenn es ihnen noch so sehr danach verlangt.
Es wird den Häftlingen erlaubt, Postkarten an ihre Verwandten zu schreiben. In sauberen Blockbuchstaben versteht sich. Die Wörter werden auf dreißig rationiert. Hält der Empfänger schließlich die Karte seiner Lieben in der Hand, so prangt mitten auf ihr ein großer Stempel der SS, der besagt, daß der Text geprüft worden sei. Heimlichtuerei und Privatsphäre waren damit ausgeschlossen. Außerdem erfolgt die Zustellung einer solchen Karte meist erst nach Monaten - die Ungewißheit über den Verbleib des Verwandten ist also weiterhin vorhanden.
Ihres Zieles ungewiß steigen am 26. Januer des Jahres 1943 Häftlinge in einen Zug. Direkt nach Auschwitz, ins Konzentrationslager Auschwitz, zur Vergasung. Weitere Transporte dorthin folgen. Über siebentausend Menschen werden in den Tod geschickt - die Bevölkerung einer kleinen Stadt. Eine Eisenbahnstrecke wird direkt in die Stadt hineingelegt. Dies ist sehr günstig, denn bisher mußten die zum Transport Verurteilten eine lange Strecke zu einem in der Nähe gelegenen Bahnhof zruücklegenm getrieben von den SS-Leuten, geschwächt, hungrig und hilflos.
Auch die Strom- und Wasserversorgung ist, wenn auch sehr unzureichend, gewährleistet durch den Bau von Kanälen und Leitungen.
Im Sommer 1943 trifft ein Transport ein, der etwa 1.300 Kinder nach Theresienstadt bringt. Körperlich und seelisch am Ende werden die Kinder streng getrennt gehalten von allen anderen Häftlingen. Sie leiden an Krankheiten, doch vor allem leidet ihre Psyche. Sie hatten im Konzentrationslager von Bialystok mit ansehen müssen, wie SS-Männer ihre Eltern erschossen, hatten Tag und Nacht in den Gaskammern verbringen müssen, auf den Tod durch das plötzlich zischende Gas wartend.
Die Transporte beginnen wieder. Um das weiterhin bestehende Überfüllungsproblem zu lösen, werden Dauerinsassen sofort deportiert. Die Zahl der im Lager Eintreffenden nimmt ab, viele Bereiche des Deutschen Reiches sind nahezu "judenfrei".
Am 11. November 1943 ordnet die SS eine Zählung aller Gefangenen an. 40.000 Menschen stehen stundenlang auf freiem Feld, alles durchdringender Nieselregen strömt auf sie hernieder. Umstellt von bewaffneten Gerndarmen, bewacht von einem Flugzeug verharren sie dort, ohne Nahrung, bis in den späten Abendstunden eine Massenpanik ausbricht und die Leute ins verhaßte Lager zurückkehren. Um Mitternacht werden die Leichen der Überrannten und Alten aufgesammelt, die Verletzten und Schwachen werden wieder in die überfüllten Lagerräume gesteckt, nicht von den Nazis sondern von Leidensgenossen. Etwa 300 Menschen verlieren ihr Leben.
Am Ende des Jahres 1943 zählt das LAger über 34.600 Insassen. Der neue Lagerkommandant Karl Rahm setzt nun die Errichtung eines gigantischen Unterfangens fort, das mit der Einrichtung der Einkaufsläden bereits begonnen hatte: Die Nazis machen Theresienstadt zum Paradies - es sieht zumindest so aus. Alles wird herausgeputzt, gestrichen, gepflastert, renoviert, neu gemacht. Gärten werden angelegt, Spielplätze errichtet. Eine Schule für die Kinder entsteht, alles scheint wie im Märchen. Der Schein trügt. Auch diese Neuerungen werden nur gemacht, um die Alliierten Mächte zu täuscehn, um den international berechtigt schlechten Ruf von Hitler-Deutschland aufzupolieren und die angeblichen Lügen über die Konzentrationslager und den Massenmord an den Juden zu widerlegen.
Während der Stadtverschönerung wird der Platz in den Quartieren aufgrund neuer Möblierung immer knapper. Wieder lassen die Nazis etwa 7.500 Menschen abtransportieren, abtransportieren in den Tod, um das ach so unbefleckte Antlitz des deutschen Volkes neu erstrahlen zu lassen.
Die internationale Kommission, bestehend aus Vertretern des Internationalen Roten Kreuzes und Vertretern aus dem Ausland, läßt sich täuschen. Die Nazis haben eine Art Programm inszeniert, das ein so sorgloses Leben darstellt, das selbst die skeptischsten Mitglieder der Gruppe überzeugt werden können: das Brot, das ansonsten mit dem gleichen Wagen transportiert wird wie die Leichen und meist schon schimmelig ist, wird von Bäckern mit weißen Handschuhen davongetragen, die Kinder werden dazu gezwungen, zu lächeln und auf den Spielplätzen zu spielen, nirgends sieht man Alte oder Behinderte auf den frisch gepflasterten Straßen. Perfektionismus pur. Niemand wirft einen Blick in die dreckigen Räume und auf die kranken Menschen.
Ein Film wird gedreht in der strahlenden Todesfestung, betitelt mit "Der Führer schenkt den Juden eine Stadt", ein Propagandafilm, geschaffen, um zu täuschen, um zu lügen.
Im September des Jahres 1943 dann erfahren die Insassen des Lagers Theresienstadt durch gestohlene Zeitungen von dem Schicksal, das sie ereilen wird, falss die Nazis den Krieg verlieren, was bereits abzusehen ist.
Im Oktober 1944 bricht wohl das schlimmste Kapitel in der Geschichte des Sammellagers Theresienstadt an. Aufgrund hoher Verluste an der Front und dem sich immer mehr dem Ende zugunsten der Alliierten näherenden Krieg starten die Nazis eine Großtransportaktion in den Osten. Immer wieder rattern Züge, Tag und Nacht. Die Menschen schlafen nicht mehr, warten nur auf ihren Deportationsbescheid. Ungeheure Angst herrscht im Lager. Lügen werden von den Deutschen verbreitet: Die Leute würden ins Reich gebracht, um dort Kriegsarbeit zu verrichten. Doch allen ist ihr Schicksal ungewiß, denn sie wollen den Nazis keinen Glauben schenken.
Ohne Vorankündigung stoppen die Transporte. Keine Tränen der Erleichterung, sondern Tränen tiefer Trauer werden vergossen. Trauer um die verlorenen Mütter, Frauen, Väter, Ehegatten, Kinder, Söhne, Töchter, Enkel, Brüder und Schwestern, die guten Freunde und um die vielen anderen.
Das Deutsche Reich bricht unter den ständigen Faustschlägen der Alliierten gegen Ende Januar 1945 zusammen. Einige Konzentrationslager werden befreit und die Vereinten Mächte bekommen ein erstes Bild von den Grausamkeiten unter Adolf Hitler.
Trotz der Niederlage der Deutschen führen einige Nazis Hitlers "Vision" weiter fort. Sie deportieren weiterhin Juden, bringen sie weiterhin nach Theresionstadt. Sie beharren anscheinend auf die deutsche Gründlichkeit.
Die anderen Nationalsozialisten versuchen sich ein Alibi zu beschaffen und die letzten Spuren des Regimes zu verwischen. Das ganze Frühjahr 1945 hindurch tobt eine Art Kleinkrieg zwischen den Meinungsvertretern.
Im Februar erhellt eine Nachricht die Mienen der Häftlinge: Ein Transport in die Schweiz steht an, in ein neutrales Land. Es wird eine Auswahl getroffen. Die, die eine gute körperliche Verfassung haben, treten die Reise ins "Gelobte Land" an. Die anderen müssen noch abwarten, in ihren Herzen schimmern jedoch Hoffungsfunken. Als wirklich Briefe aus der Schweiz im Lager ankommen, breitet sich Freude unter den Insassen aus und neue Hoffnungen keimen. Das Deutsche Reich steht inzwischen kurz vorm Zerriß, die Alliierten haben bereits weite Teile eingenommen. Doch die Nationalsozialisten in Theresienstadt geben nicht auf. Sie beginnen ein neues teuflisches Werk. In den dunklen Gängen der Festung, tief unter der Erde, werden Vorbereitungen getroffen. Fenster werden vermauert, Eingänge verkleinert. niemand im Lager ann sich die Vorgänge erklären. Nach einem erneuten Besuch eines Vertreters des Roten Kreuzes in Theresienstadt hinterläßt dieses Lager weiterhin einen sehr guten Eindruck. Kein Wunder, denn die Bitte des Roten Kreuzes auf Besichtigung hatte man hinausgezögert, um eine erneute Stadtverschönerung durchzuführen.
Anfang April verlassen die Ratten das sinkende Schiff. SS-Offiziere packen ihre Sachen und verlassen manchmal fluchtartig Theresienstadt. Alle aussagekräftigen Akten werden vernichtet und die Henker gehen aus der Folterkammer.
Am 20. April 1945 treffen neue Transporte ein, diesmal in Lastwagen. Opfer aus den Konzentrationslagern werden ins Lager gebracht. Ihr Zustand ist grausam. Überall haben sie Geschwüre, sind abgemagert bis auf die Knochen, haben kaum noch Kraft zum Atmen. Doch viele von ihnen berichten den Theresienstädter Insassen von den Greueltaten der Nazis, den Massenexekutionen, den Verbrechen des Faschismus.
Endlich, am 8.Mai treffen die ersten russischen Panzer in Theresienstadt ein und reißen den Deutschen das Steuer aus der Hand.
In der Stadt wütet eine erschreckende Typhusepedemie, die erst am 11. Mai 1945 vom Roten Kreuz beendet werden kann. Die letzte Welle, von den Nazis durch die verlorene Kontrolle gegen Ende des Krieges vorhergerufen, hatte nochmals viele in den Tod gerissen.
Nun läßt man die Gefangenen wieder in ihre Heimat. Nach einer ärztlichen Untersuchung dürfen sie wieder heim, weg von dem Ort, der sie so viele Jahre lang gepeinigt und gefangengehalten hatte. Sie gehören zu den wenigen, die Theresienstadt überlebt haben. Hätten die Nazis nur ein wenig länger die Oberhand behalten, dann hätten diese nunmehr Freien vielleicht diese Befreiung nicht mehr erlebt: Die Errichtung von Gaskammern in Theresienstadt zur völligen Ermordung aller Zeugen des nationalsozialistischen Wahnsinns hatte bereits begonnen.

***********************************


http://www.domradio.de/themen/kultur/201...-theresienstadt


17.05.2013
Jüdisches Museum Berlin zeigt Zeichnungen aus Theresienstadt : Einblicke in die Hölle des Ghettos

Aus den Zeichnungen, für die Bedrich Fritta sterben musste, kriecht der Tod auf einen zu. Abgemagerte Gestalten, mehr Gespenster als Menschen, stieren dem Betrachter entgegen. Szenen aus dem nationalsozialistischen Ghetto Theresienstadt.

Um Juden logistisch effizient per Güterzug in Vernichtungslager wie Auschwitz zu bringen, hatten die deutschen Besatzer 1941 das nördlich von Prag gelegene Ghetto eingerichtet. Frittas Zeichnungen zeigen eine Welt des Leids und der Verzweiflung, aber auch Momente der Menschlichkeit und Wunschbilder für seinen kleinen Sohn. Fast sieben Jahrzehnte nach dem Tod des tschechisch-jüdischen Karikaturisten in Auschwitz werden seine Arbeiten aus dem Ghetto nun erstmals in Deutschland in einer Einzelschau ausgestellt.

"Dunkelheit herrschte im Keller, als wir am Abend das Knarren der Bremsen hörten und gleich darauf das charakteristische Gebrüll der SS, die in den Keller stürmte und uns mit Knüffen und Schlägen in die verdeckten Lastautos hineintrieben. Dort fanden wir unsere Frauen, weinend, aber glücklich bei unserem Anblick. Frittas Frau war da mit dem dreijährigen Sohn Tomas." So erinnerte sich Frittas Künstlerkollege Leo Haas, der den Krieg überlebte, später an den Abtransport ins Gestapogefängnis der Festung von Theresienstadt.

Kurz zuvor waren die heimlichen Zeichnungen aufgeflogen. Verhört wurde Fritta vom Organisator des Holocaust, Adolf Eichmann, persönlich. Das Urteil: Wegen "Greuelpropaganda" ins Vernichtungslager nach Auschwitz. Der Künstler und seine Frau fanden bald darauf den Tod. Zwar überdauerten Frittas Bilder, wurden aber bis heute selten im Original gezeigt. Dem Jüdischen Museum hatte Frittas Sohn Tomas, der das Ghetto als Kleinkind überlebte, die über 100 großformatigen Tuschezeichnungen und Skizzen vor rund zehn Jahren als Dauerleihgabe anvertraut. Allerdings zeigte das Museum davon nur einige ausgewählte Skizzen in seiner Dauerausstellung. Vor kurzem wurden die großformatigen Tuschezeichnungen restauriert und sind nun Gegenstand der Ausstellung.

Die meisten werden ermordet

Nach der Einweisung ins Ghetto Theresienstadt hatte die Kommandantur Frittas Talent erkannt. Sie machte ihn zum Leiter des Zeichenbüros. Der Auftrag: Propaganda-Bilder und Baupläne von Aufbauarbeiten zeichnen, die das Ghetto als reibungslos funktionierende und unter Selbstverwaltung stehende Siedlung präsentierten. Die SS wollte der Weltöffentlichkeit vorgaukeln, dass zwischen den Festungsmauern der alten Garnisonsstadt eine jüdische Mustersiedlung entstünde.

Doch heimlich hielten Fritta und seine Künstlerkollegen wie der deutsche Jude Leo Haas fest, was sie tatsächlich sahen: Hungernde, Todestransporte, Hoffnungslosigkeit. Theresienstadt war entgegen der NS-Propaganda wie andere Ghettos und Lager auch eine Hölle. Ursprünglich angelegt für 7.500 Bewohner, kämpften hier bald bis zu 60.000 Juden aus vielen Teilen Europas gleichzeitig ums Überleben. Historiker schätzen, dass zwischen 1941 und 1945 über 150.000 Menschen interniert waren. Den Großteil ermordete die SS in Vernichtungslagern. Viele andere verhungerten im Ghetto oder starben an Krankheit und Gewalt.

Das Ghetto als Triumph des Todes

Zwischen all dem Elend zeigt Fritta immer wieder Momente der Menschlichkeit. So auch Ghetto-Bewohner, die sich eine Variete-Aufführung von Akrobaten anschauen. Denn in das "Vorzeigeghetto" Theresienstadt verschleppten die Deutschen zahlreiche jüdische Künstler, die ein vielfältiges Kulturleben aufrechterhielten.

"Fritta nutzte Stilmittel der Karikatur, des Expressionismus und des Symbolismus, um die groteske Scheinwirklichkeit einer angeblichen jüdischen Mustersiedlung in aller Schärfe bloß zu stellen", erklärt Ausstellungskurator Denis Grünemeier. Statt als Mustersiedlung zeigt Fritta das Ghetto als Triumph des Todes. Schlaglichter und Schatten setzen filmartig die gespensterhaften Gestalten in Szene. Kein anderer Künstler, so der Kurator, brachte einen derart intensiven künstlerischen Willen mitten im Grauen des Ghettos zum Ausdruck.

Die Ausstellung im Jüdischen Museum Berlin ist bis zum 25. August täglich von 10.00 bis 20.00 Uhr, montags auch bis 22.00 Uhr, zu besichtigen.
Markus Huth
(KNA)



Beliebteste Blog-Artikel:

Melden Sie sich an, um die Kommentarfunktion zu nutzen
Danke für Ihr Reinschauen und herzliche Grüße...
Xobor Xobor Blogs
Datenschutz