Interview mit Kardinal Meisner über den neuen und den alten Papst und den Eucharistischen Kongress. Von Ludwig Ring-Eifel und Andreas Otto (KNA)
Köln (kath.net/KNA) Die Deutsche Bischofskonferenz und das Erzbistum Köln laden vom 5. bis 9. Juni zum Eucharistischen Kongress nach Köln ein. Die Katholische Nachrichten-Agentur (KNA) sprach am Mittwoch mit dem Kölner Kardinal Joachim Meisner über das kommende Großereignis und über den Zustand der Kirche unter dem neuen Papst Franziskus, aber auch über die „Pille danach“ und über Meisners Besuch bei Benedikt XVI.
KNA: Herr Kardinal, Anfang Juni ist Köln Gastgeber des Eucharistischen Kongresses. Warum dieses Treffen?
Meisner: Nach dem schrecklichen Missbrauchsskandal habe ich gespürt: Die Kirche braucht in Deutschland nichts nötiger als die Besinnung auf den Herrn. Ich habe ja mit allen Opfern persönlich gesprochen, soweit das möglich war. Nach den Begegnungen habe ich mich gefragt, wer diese Verwundungen heilen kann. Ich kann es nicht. Das kann nur der Herr selber. Ihn haben wir im Altarsakrament, in den eucharistischen Gestalten von Brot und Wein, mitten unter uns.
KNA: Kann das Wort «Eucharistie» noch Anziehung entfalten?
Meisner: Das muss man übersetzen. Aber die größere Schwierigkeit ist das Wort Kongress. Jeder denkt da an eine Fachtagung. Dabei ist das in vielen Ländern üblich und bekannt: Wir wollen ein großes Fest des Glaubens feiern - mit Gottesdiensten, Katechesen, Gespräch, Glaubenszeugnissen...
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KNA: Ist der Glaube an die reale Gegenwart Christi in der Eucharistie nicht schon verdunstet?
Meisner: In Teilen leider ja. Der Eucharistische Kongress stellt eine Gegenbewegung dar. Aber es gibt auch noch eine große Wertschätzung für das Sakrament - etwa wenn Gemeinden den Wegfall einer Messe beklagen. Es lässt mich aufhorchen, wenn sie das als Verlust empfinden. Es macht mich aber auch traurig, wenn Gläubige sagen, dass ihnen die Messe im zwei Kilometer entfernten Nachbardorf zu weit ist.
KNA: Die Welt hat seit wenigen Wochen einen neuen Papst. Wie sehen Sie den neuen Amtsstil von Papst Franziskus?
Meisner: Er ist völlig anders als der, den ich von seinen Vorgängern kannte. Franziskus wohnt ja immer noch im Konklavequartier, dem Gästehaus Santa Marta. Das bringt den Laden da ganz durcheinander, weil es mit vielen Sicherheitsauflagen verbunden ist.
KNA: Will er damit Distanz zur Kurie wahren?
Meisner: Mit der Kurie hat das weniger zu tun. Er ist Südamerikaner und will wohl mehr unter Leuten sein. Im äußeren Habitus gibt sich der neue Pontifex anders als Benedikt XVI., aber in der Sache liegen sie sehr beieinander. Was der neue Papst von der Armenkirche sagt, passt zu Benedikts Wort von der «Entweltlichung».
KNA: Widerspricht der Apostolische Palast seinem Armutsideal?
Meisner: Das päpstliche Appartement ist doch eine ganz normale Wohnung. Groß ist dort nur der Empfangsraum. Die Privaträume sind klein. Ich habe ein größeres Schlafzimmer als der Papst.
KNA: Kritik hat immer wieder die barocke Kleidung von Benedikt XVI. ausgelöst.
Meisner: Das hat doch nichts mit Prunksucht zu tun. Sein großes Thema war die Einheit der Kirche vor und nach dem Zweiten Vatikanum. Dieses Konzil hat viele sehr gute und neue Impulse für die alte Kirche gebracht. Das gilt auch für die Liturgie, obwohl bei der Durchführung manchmal der Eindruck erweckt wurde, dass wir nun einen neuen Messritus haben und der bisherige verboten ist. Es gibt nun aber den einen römischen Ritus in zwei Formen. Benedikt wollte neben der neuen auch der alten Form Geltung verschaffen, denn eine über 1.000-jährige Liturgie kann man nicht einfach verbieten. Damit hat er für Kontinuität gesorgt. Und diese Kontinuität zeichenhaft auch in seiner Kleidung sichtbar gemacht.
KNA: Wie geht es Benedikt XVI. gesundheitlich?
Meisner: Am 18. März, also am Abend vor der Einführung des neuen Papstes, habe ich ihn besucht. Da bin ich erschrocken, wie schmal er geworden ist. So eine halbe Portion. Ich war ja mit seinem Rücktritt erst gar nicht einverstanden. Aber als ich ihn so sah, da sind meine Vorbehalte weggeschmolzen. Geistig ist er allerdings ganz fit, ganz der alte.
KNA: Hat der Rücktritt das Papstamt verändert?
Meisner: Eigentlich nicht. Allerdings könnte von der Psychologie her ein anderer Eindruck entstehen. Bis zum Tod - das habe ich nicht nur in Bezug auf Ehen so gesehen, sondern auch auf das Papstamt. Aber die heutige Medizin erlaubt es, dass ein Mensch trotz Krankheit und Altersschwäche lange lebt. Der frühere israelische Ministerpräsident Ariel Scharon ist schon seit Jahren im Wachkoma. Für das Papstamt wäre eine solche Situation nicht tragbar.
KNA: Welche Impulse erhoffen Sie sich von Franziskus?
Meisner: Er sollte uns Europäern klar machen, dass wir nicht dauernd Nabelschau halten, sondern uns um die Evangelisierung zu kümmern haben. In Frankreich sind mit den Katholiken Muslime, Juden und viele Menschen guten Willens wegen der «Homo»-Ehe der Regierung aufs Fell gerückt. Und wir? Wir sprechen in Deutschland über die Priesterweihe für Frauen und solche Themen, die längst geregelt sind, und scheuen die gesellschaftliche Auseinandersetzung.
KNA: Ihr eigener Diözesanrat hat sich gegen den Pflichtzölibat und für die Priesterweihe von Frauen...
Meisner: ...das ist nicht Sache dieses Gremiums, sondern das ist Sache der Bischöfe. Ihnen hat der Herr aufgetragen zu lehren. Die Laien sollten sich nicht klerikalisieren, sondern ihren Weltauftrag ernst nehmen. Umgekehrt sollten sich Kleriker nicht laisieren – so wie neulich ein Bischof, der sich zur Besteuerung von Reichen äußerte.
KNA: Warum teilen selbst aktive Katholiken nicht die Positionen des Lehramtes?
Meisner: Das liegt nicht zuletzt an der jahrzehntelangen Berieselung der Medien mit negativen Nachrichten über die Kirche. In Fragen wie Ehe, Familie oder Sterbehilfe bringen sie immer nur kritische Stimmen. Kirche und Glaube werden als überholt dargestellt. Da kann man wohl schwer katholisch bleiben! Die Menschen denken dann oft nicht selber darüber nach, sondern übernehmen das.
KNA: Die Laien akzeptieren die Rolle des Lehramts nicht...
Meisner: Das ist aber eine Sache des Glaubens. Wer das nicht annehmen kann, ist in diesem Punkt nicht mehr katholisch, der ist eigentlich protestantisch. Das gibt es so nirgends außer bei uns in den deutschsprachigen Ländern.
KNA: Derzeit steht die Kirche wegen ihres Arbeitsrechtes in der Kritik. Kann sie Wiederverheiratete beschäftigen?
Meisner: Nach unserer Grundordnung nicht.
KNA: Und das gilt für die Putzfrau wie für den Chefarzt?
Meisner: Die Grundordnung sieht da durchaus Differenzierungen vor. Es ist auch ein Unterschied, ob ein Mitarbeiter oder eine Mitarbeiterin die Lehre der Kirche bekämpft, oder sie anerkennt, aber im konkreten Fall versagt.
KNA: Sie selbst machen bei Lockerungen nur ungern mit?
Meisner: Wenn wir nicht genügend überzeugendes Personal für unsere kirchlichen Einrichtungen haben, sollten wir abspecken. Wenn der Motor zu schwach ist, muss eine kleinere Karosserie her.
KNA: Ihr Schwenk bei der «Pille danach» hat überrascht. Bei einer Vergewaltigung soll ein Präparat mit verhütender Wirkung erlaubt sein. Ethisch nicht vertretbar halten Sie ....
Meisner: ...nicht nur ich, sondern die katholische Kirche...
KNA: ...eine Pille mit abtreibender Wirkung. Kann man einer Frau eine gewaltsame Schwangerschaft zumuten?
Meisner: Was einer vergewaltigten Frau widerfährt, ist sehr schlimm. Aber die Kirche muss auch Partei für das Kind ergreifen. Es ist der schwächste und unschuldigste Beteiligte in dieser Problemlage. Ich habe damals erstens gesagt: Der Schutz eines Menschenlebens gilt uneingeschränkt und von der Zeugung an. Zweitens bin ich mir bewusst, dass dies in geradezu schwerste Entscheidungssituationen führt. Deshalb ist drittens ärztlicherseits darauf hinzuweisen, dass eine Abtreibung auch in diesem Falle in einem katholischen Krankenhaus nicht möglich ist.
KNA: Katholische Ärzte müssen auch über die abtreibende «Pille danach» und deren Zugänge informieren. Auf gleicher Basis agierten doch auch die katholischen Beraterinnen in der Schwangerenkonfliktberatung...«
Meisner: Nein, die haben den Beratungsschein ausgestellt, der zu einer Abtreibung berechtigt. Er wurde mit Recht als Tötungslizenz definiert und war damals doch der »casus belli« gewesen.
KNA: Herr Kardinal, Weihnachten werden sie 80 Jahre alt. Ist das Ihr letzter Geburtstag als Erzbischof von Köln?
Meisner: Nach kirchlicher Praxis steht für mich dann der Wechsel in den Ruhestand an.
KNA: Wo wollen Sie den verbringen?
Meisner: Ich möchte auf jeden Fall in Köln bleiben - nach dem Motto meiner Großmutter »Wo mein Fleisch geblieben ist, sollen auch meine Knochen bleiben«. Hier war ich am längsten in meinem Leben, und hier fühle ich mich wohl.
KNA: Wissen Sie schon, wo Sie wohnen werden?
Meisner: Wenn wir von Ruhestandsgeistlichen verlangen, das Pfarrhaus zu verlassen, kann ich als Erzbischof nicht hier in unmittelbarer Nähe des Bischofshauses bleiben. Wir haben im Erzbistum genügend Möglichkeiten. Wenn ich einen Sessel habe, wo ich gut sitzen und beten kann, vielleicht auch eine kleine Kapelle, genügt mir das.
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