15. November - Der heilige Albert
Albert, ein Schwabe aus dem Rittergeschlecht von Bollstädt, wurde im Jahr 1193 in Lauingen an der Donau geboren. Von seiner Kindheit und Jugend weiß man heute nichts mehr. Wenn man aber die Bücher liest, zwanzig dicke und große Bände, die er geschrieben hat, so kommt man zu der Überzeugung, dass sich Albert in jungen Jahren nicht ausgeruht hat, sondern weit durch die Welt gewandert ist, denn in allen Dingen weiß er gut Bescheid. Er muss scharfe Augen gehabt haben, die sich durch den Schein nicht trügen ließen, sondern den Menschen bis tief hinein ins Herz schauten und den Sachen bis auf den letzten Grund gingen. Von Oberflächlichkeit und Flatterhaftigkeit ist bei Albert nicht die geringste Spur zu finden. Deshalb ist er auch der größte Gelehrte deutscher Sprache im Mittelalter geworden.
Als Student an der italienischen Hochschule Padua trat Albert in den damals noch jungen Dominikanerorden ein und kam zur weiteren Ausbildung nach Köln am Rhein. Die Legende weiß zu berichten, dass Albert anfangs im Lernen nicht gut voran kam. Da sei ihm – er war ein großer Marienverehrer – die Mutter Gottes erschienen und habe ihm gesagt, sie wolle ihm helfen, aber vor seinem Tod werde er alle Weisheit wieder vergessen zum Zeichen dafür, dass die Gelehrtheit eine besondere Gnade des Himmels gewesen sei. Man kann sich denken, dass Albert daraufhin mächtige Fortschritte im Lernen machte, denn derjenige, dem die Mutter Gottes unter die Arme greift, springt mit der gleichen Leichtigkeit über die größten Berge von Schwierigkeiten, wie ein Kind über die Steine am Straßenrand hüpft. Man merke sich also wieder einmal mehr, dass man sich mit Vertrauen an die Mutter Gottes halten muss.
Als Albert ausgelernt hatte, wurde aus dem Schüler ein Lehrer, und er lehrte nacheinander an den hohen Schulen zu Hildesheim, Freiburg im Breisgau, Regensburg, Straßburg, Paris und zuletzt und am längsten in Köln. Er unterwies die Studenten über alle Dinge, die es vom Himmel bis unter der Erde gibt, und sprach tief und hoch und gründlich von Gott und von den Engeln und Heiligen. Er sprach von Sonne, Mond und Sternen, von Wolken und Wind, von Vögeln und Fischen und von allem, was auf Erden kreucht und fleucht, von Fels und Stein und Gras und Halm und Wasser und Land. Und er sprach natürlich auch von den Menschen, dass sie vor Gott alle gleich sind und dass deshalb keiner den anderen unterdrücken oder bedrängen darf und dass die Reichen den Armen helfen müssen. Das und vieles andere mehr lehrte Albert die Studenten, die immer nur staunten, dass ein einzelner Mann so gelehrt sein konnte, wie Albert es war.
Einmal befand sich unter Alberts Schülern einer, der so steif war, dass er kaum ein Wort zu sagen wusste. Die anderen nannten ihn deswegen den stummen Ochsen. Albert aber, der den stummen Ochsen bald durchschaut hatte, meinte zu dem Studentengerede: „Wartet nur ab, der Ochse wird einmal seine Stimme erheben, dass sie auf der ganzen Erde bis zum Ende der Welt zu hören ist.“ Albert hat Recht behalten, denn der stumme Ochse war der heilige Thomas von Aquin, ein Schüler, der dem großen Meister gleich war und der ihn später im scharfen Denken noch übertraf, ihn aber in der Vielseitigkeit des Wissens nicht erreichte. Heute noch erklingt die Stimme des stummen Ochsen in allen Schulen, in denen sich junge Männer auf den Priesterstand vorbereiten.
Zwischendurch war Albert zeitweilig Ordensoberer, und er musste die ihm unterstellten Klöster visitieren; das bedeutet, dass er überall nach dem Rechten zu schauen hatte. Die Klöster lagen aber weit auseinander. Von Riga an der Ostsee bis Konstanz am Bodensee und von dieser langen Strecke aus noch kreuz und quer durch das Land. Alle Wege hat Albert zu Fuß gemacht in Regen, Wind und Schnee und Gluthitze. Das war eine Leistung, die ihm so leicht keiner nachmacht. Zwei Jahre lang war Albert auch Bischof von Regensburg, aber über alles glücklich fühlte er sich, als er mit Erlaubnis des Papstes wieder nach Köln an die Schule zurückkehren durfte, denn nichts tat er lieber als unterrichten. Für immer wird es sein größtes Verdienst bleiben, dass er die weltliche Weisheit dem göttlichen Glauben unterordnete.
Einige Zeit vor dem Tod des Heiligen, im achtundachtzigsten Lebensjahr, geschah es, dass Albert, der glänzende Lehrer, mitten im Unterricht vor Hunderten von Studenten auf einmal stockte und stotterte und nicht mehr weiterkam und gar nichts mehr wusste und wie ein Kind zu reden begann. Da lächelte er verträumt vor sich hin und zog sich in die stille Klosterzelle zurück und wollte mit keinem Menschen mehr reden, sondern sich einzig nur auf den Tod vorbereiten, der nach der Ankündigung der Mutter Gottes von damals nahe war.
So hat Albert, der Lehrer der Weisheit, am Ende des Lebens die höchste Weisheit geübt, die darin besteht, dass man sich mit aller Sorgfalt auf die Ewigkeit vorbereitet.
Beliebteste Blog-Artikel:
|