Kardinal Woelki: „Faire und unvoreingenommene Verfahren“
Kardinal Rainer Maria Woelki - EPA
20/08/2015 14:36SHARE: Jeder Mensch weltweit hat ein Recht darauf, um Asyl zu bitten. Das bekräftigt der Kölner Erzbischof Kardinal Rainer Maria Woelki im Interview mit dem Kölner Domradio. Als Caritas-Bischof Deutschlands ist Woelki derzeit mit einer Delegation in Albanien und dem Kosovo unterwegs. Ein Zeitungsinterview des Kardinals war in den vergangenen Tagen in den Medien vor allem so zitiert worden, als ob Woelki vor allem für eine konsequentere Abschiebung entrete. Mit dieser Interpretation seiner Worte war er an diesem Donnerstag gar nicht einverstanden.
„Ich tue mich grundsätzlich schwer mit dem Begriff der Abschiebung. Menschen sollten überhaupt nicht ‚abgeschoben’ werden“, so Woelki im Domradio. „Wir haben alle Verantwortung für Menschen, vor allem für Menschen, die in Not sind. Dazu gehören gerade die, die auf der Flucht sind. Wir haben von unserem Glauben her hier schon eine Mitgift, das erste was Christus nach seiner Geburt erfahren hat, war das Schicksal eines Flüchtlings.“ Jeder Flüchtling auf der Welt habe das Individualrecht, um Asyl zu bitten, so Woelki. Das gelte auch für die Flüchtlinge aus dem Westbalkan, wo er gerade unterwegs sei, auch sie hätten ein Recht auf fairer und unvoreingenommene Verfahren. Willkommenskultur sollte selbstverständlich sein
„Ich habe Albanien und den Kosovo so erlebt, dass hier in der Regel Menschen in Sicherheit leben und in der Regel politisch nicht verfolgt werden, aber das schließt nicht aus, dass es einzelne Minderheiten gibt, wo das der Fall ist. Ich erinnere hier an die Roma. Was klar sein muss, ist dass wir auf jeden Fall Menschen, die in Not sind, sie politisch verfolgt sind und die unter Krieg und Terror zu leiden haben, Hilfe und Aufnahme bieten, so dass sie in einer Willkommenskultur bei uns Aufnahme finden, das ist selbstverständlich.“
Was besonders Albanien und den Kosovo angehe läge die Motivation für die Migration oft in den Lebensbedingungen, ergänzte Woelki. Er finde es völlig in Ordnung, dass die Menschen bessere Bedingungen suchten. „Deshalb ist es notwendig, dass es bei uns in Deutschland ein Einwanderungsgesetz gibt, weil das Asylrecht kein geeignetes Mittel ist, die Armut auf dem Balkan zu bekämpfen.“
Ihm sei bei der Reise aufgegangen, was für Schätze die Länder hätten, die Ressource Wasser sei überreich vorhanden, auch gäbe es Bodenschätze und wunderbare Natur. „Dennoch erleben Menschen Albanien für sich als perspektivlos, weil die politischen Verhältnisse so sind wie sie sind. Das Land ist von einer starken Korruption geprägt. Deshalb ist es notwendig, als erstes – auch von Seiten der EU – Korruption in jedweder Weise zu bekämpfen. Korruption durchzieht das gesamte Leben.“ Aufgefallen sei ihnen das vor allem im Gesundheitswesen, das funktioniere gar nicht, hier bräuchten die Länder sehr viel Hilfe und hier liege die Pflicht Europas, damit die Menschen eine Perspektive bekämen.
Er erlebe die Gesellschaften, die er besuche, als entsolidarisiert, so Woelki. Außerdem würden sie die westlichen Lebensstandards kennenlernen, daraus sei eine Individualisierung gewachsen. Kirche und Caritas versuchten, eine solidarischere Gesellschaft zu schaffen, vor allem in Jugend- und Bildungsprojekten, das sei neben der Bekämpfung der Korruption und der Schaffung eines Gesundheitssystems die dritte Säule der Arbeit. „Bildung, Bildung, Bildung“, so Kardinal Woelki wörtlich. „Kirche und Caritas sagen ganz deutlich ‚bleibt in euren Ländern und baut eine neue Zivilgesellschaft mit auf, in der soziale Gerechtigkeit ein wichtiges Kriterium darstellt.“ Deutliche Kritik an der Slowakei: Das Land will nur Christen aufnehmen Angesprochen auf die Entscheidung der Slowakei, nur noch christliche Flüchtlinge aufzunehmen, betont er, dass man sich ‚seine Flüchtlinge’ nicht aussuchen dürfe. „Das ist natürlich skandalös, was die Slowakei da macht. Es geht um eine Menschenrecht und es geht darum, dass Menschen in Not sind. Als Christen sind wir verpflichtet und jedes Staatswesen in Europa ist verpflichtet, Menschen, die in Not sind, unabhängig von ihrer Hautfarbe und unabhängig von ihrer Religion, unabhängig von ihrer ethnischen Zugehörigkeit zu helfen und sie zu unterstützen. Das ist für einen europäischen Staat nicht machbar und nicht hinnehmbar. Erst Recht nicht unter einem christlichen Gesichtspunkt“
Es sei dringend notwendig, dass sich Europa endlich daran halte, was es selber beschlossen habe. Europa müsse als Solidargemeinschaft erfahrbar werden, es gebe kein Europa à la Carte, in dem sich einzelne Länder das heraussuchten, was sie bräuchten. „Europa wird sonst beschädigt.“ (domradio 20.08.2015 ord)
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