Caritas: 60 Millionen Kriegsflüchtlinge weltweit
Caritas-Auslandshilfechef Schweifer und Flüchtlingsexperte Kleinschmidt: Nur wenn Westen nachhaltig in Krisenregionen investiert, werden Menschen auch dort bleiben und nicht nach Europa fliehen
27.08.2015 Wien (KAP) Nur wenn der Westen nachhaltig in den Krisenregionen des Nahen Ostens investiert, werden die Menschen auch dort bleiben und nicht nach Europa zu gelangen suchen. Das war der Tenor einer Pressekonferenz am Donnerstag in Wien mit Caritas-Auslandshilfechef Christoph Schweifer und dem Flüchtlingsexperten Kilian Kleinschmidt. Rund 60 Millionen Menschen seien derzeit weltweit vor Kriegen auf der Flucht. Allein in Syrien seien es 12 Millionen, so Kleinschmidt. Acht Millionen davon seien innerhalb des Landes vertrieben, vier Millionen flüchteten ins Ausland. Kleinschmidt leitete für das UN-Flüchtlingshilfswerk UNHCR von 2013 bis 1014 das Flüchtlingslager Zaatari im Norden Jordaniens. Derzeit leben 82.000 syrische Flüchtlinge im Camp. Es waren aber auch schon gut 100.000. In der ersten Zeit hätten die Menschen noch geglaubt, dass der Krieg in Syrien bald zu Ende geht und sie zurück in ihre Heimat können. "Doch als es damit nichts wurde, haben sie nach neuen Zukunftsperspektiven gesucht", so Kleinschmidt. Die internationale Hilfe für die Flüchtlinge sei völlig unzureichend. So musste etwa das "World Food Programm" (WFP) der Vereinten Nationen die Hilfszahlungen für syrische Flüchtlinge in Jordanien drastisch kürzen. Caritas-Auslandshilfechef Schweifer über die dramatischen Folgen: "Die Familien essen weniger, die Kinder verlassen die Schule und müssen irgendwo Arbeit finden, Mädchen werden schon mit 14 Jahren verheiratet, damit sich ein anderer um sie kümmert." Viele landeten auch in der Prostitution. Die Hälfte aller Flüchtlingsfamilien in Jordanien gibt an, dass zumindest ein Kind arbeiten muss, um zur Ernährung der Familie beizutragen. Flüchtlingen ist es in Jordanien offiziell verboten zu arbeiten, Kinder werden freilich weniger oft erwischt als Erwachsene. Geld für Zäune, aber nicht für Essen Schon mit 45 Millionen Euro könnte das WFP seine Hilfe bis Jahresende wieder im nötigen Ausmaß hochfahren, ergänzte Kleinschmidt. Nachsatz: Das sei die gleich Summe, die der von Ungarn an der Grenze zu Serbien errichtete Zaun kostet. Kleinschmidt: "Zäune gegen Flüchtlinge bringt nichts. Dann kommen sie eben über andere Routen nach Westeuropa." Einer der häufigsten Gründe, weshalb Menschen nach Europa fliehen, sei, dass sie "in ihrer Heimat keine Zukunftsperspektiven für ihre Kinder mehr sehen", so Schweifer. Die Zahlen dazu seien dramatisch: 2,7 Millionen syrische Kinder - entweder im Land selbst oder auf der Flucht in Nachbarländern - können keine Schule besuchen. Allein in Jordanien wurden bisher rund 630.000 Syrer offiziell als Flüchtlinge registriert, die Dunkelziffer liegt freilich viel höher. Schätzungen reichen bis zu 1,5 Millionen Syrer im Land. Mehr als die Hälfte der Syrien-Flüchtlinge sind Kinder. Das kleine Jordanien ist damit am Ende seiner Kapazitäten angelangt. Kleinschmidt: "Und es gibt so gut wie keine nachhaltige Unterstützung aus dem Westen, etwa im Bereich der Infrastruktur in jordanischen Städten und Dörfern." Laut jordanischem Innenministerium besuchen aktuell von 230.000 schulfähigen syrischen Kindern nur rund 140.000 eine öffentliche Schule. Dazu kommt, dass die Quote der Schulabbrecher bei 25 Prozent liegt. Das hat neben der zunehmenden Kinderarbeit auch noch andere Gründe: Die Kinder hätten durch Krieg und Flucht zu viel Lehrstoff versäumt und kämen mit den gleichaltrigen Jordaniern nicht mehr mit. Sie würden teilweise in den jordanischen Schulen auch gemobbt und diskriminiert. Und vor allem: Viele seien von ihren Erlebnissen schwer traumatisiert, so Schweifer. Vielfältige Caritas-Hilfe Jordanien ist eines der Schwerpunktländer der heurigen Augustsammlung/Hungerkampagne der Caritas. Die Caritas Österreich hat seit Ausbruch des Syrien-Konfliktes im März 2011 über acht Millionen Euro für die Nothilfe für Syrien-Flüchtlinge zur Verfügung gestellt. Damit wurden bzw. werden 112.000 Menschen, rund die Hälfte davon Kinder, über Partner in Jordanien, Syrien und im Libanon unterstützt. In Jordanien beläuft sich die Hilfe der Caritas Österreich in Kooperation mit "Nachbar in Not" und teilweise finanziert von der staatlichen österreichischen Entwicklungshilfeagentur ADA bisher auf mehr als vier Millionen Euro. Dabei handelte es vorwiegend um die Verteilung von Gutscheinen für Lebensmittel, Hygieneartikel, Küchenutensilien und Winterkleidung, sowie Reparaturen und Verbesserungen an Unterkünften und Mietzuschüssen. In Jordanien konnten bis jetzt 70.000 Menschen unterstützt werden. (Spenden: PSK, IBAN: AT92 6000 0000 0770 0004, BIC: OPSKATWW, Kennwort: Hungerhilfe; Infos: www.caritas.at/hunger)
Dieser Text stammt von der Webseite http://www.kathweb.at/site/nachrichten/database/72010.html des Internetauftritts der Katholischen Presseagentur Österreich.
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