Sitten sind das! Veröffentlicht am 11. September 2015
Schamlos: Ohne Papst kommt auch diese Ausstellung nicht aus
Selbst der Vatikan-Fragebogen zur Familie hat es mittlerweile ins Museum geschafft: In Bonn dreht sich eine kleine aber gute Ausstellung um die Sexualmoral der Deutschen seit dem Krieg. Einige Päpste sind zu sehen – Franziskus und Paul VI. auf Spiegel-Titeln – und eben der Fragebogen mit einigen Antworten aus dem Erzbistum München und Freising.
Die Ausstellung im Haus der Geschichte spricht im Titel vom Wandel der Sexualmoral. Da steht zwar ein Fragezeichen, aber genau diese Veränderungen werden gezeigt. „Schamlos“ heißt diese Ausstellung, die einen Wandel zeigen will.
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Was mir aber in all dem viel interessanter erscheint, ist was sich durch all den Wandel eben nicht geändert hat. Man kann sagen, dass die Sexualmoral viel freier, unverkrampfter geworden sei, weniger bigott. Aber gleichzeitig haben sich viele Dinge nicht geändert, und man muss schon zwei Mal hinsehen, um das zu entdecken.
Da ist der Hingucker-Effekt. Nackte Haut war sehr viel weniger zu sehen, aber das angeblich so verruchte war auch in den 50er Jahren ein Magnet, genau so wie es die viele Nacktheit in der Öffentlichkeit heute ist. Und auch die Ausstellung kann es sich nicht verkneifen, damit zu spielen, siehe Foto weiter unten.
Sex sells nun mal
Auch die Rollenzuschreibungen haben sich nicht unbedingt gändert. „Die Frau als Hüterin der christlichen Familie wählt CDU“ würde heute zwar keinem Parteiorganisator mehr einfallen, aber trotzdem bleiben die Rollen doch ziemlich fix, bei allem Wandel. Auch hier hilft der Blick auf das Foto weiter unten: Sex sells, und zwar der weibliche.
Das gilt übrigens nicht nur für Autobauer oder Zeitungsdrucker oder wer noch mit leicht bekleideten Frauen Produkte an den Mann bringen will. Auch die Verteidiger der Bürgerlichkeit spielen mit dem Thema: Die Erregung von Erregung wider den „Pornounterricht“ – gemeint war Aufklärung – lebt von den gleichen Mechanismen wie das Autoverkaufen. Sex sells.
Was sich ebenfalls nicht geändert hat – und das fällt im Nachhinein am meisten auf – ist die unsägliche Tendenz, zu moralisieren. „Ich warne vor einer Auflösung der sittlichen Grundlagen unserer Gesellschaft“ wird in der Ausstellung ein Minister, dieses Mal SPD, zitiert. Das kennen wir, dass von einer Seite immer der Untergang des Abendlandes prognostiziert wird. Aber auch die andere Richtung ist nicht weniger von überbordenden Moralität geprägt, sie kommt nur im Gewand der Befreiung daher. Natürlich muss in der Ausstellung eine Kanzel aufgebaut sein, Zeichen für „Moral von oben“. Die darin ausgedrückte Überlegenheit ist aber selber moralisch. Man kann sich ja jetzt besser fühlen, moderner.
Moral ist das eine, Moralisierung ist das andere. Letzteres ist aber so lebendig wie ebenda, neu im Gewand, mal als Warnung, mal als Forderung, aber so zieht sie sich in sich ändernden Gewändern durch all den Wandel.
Kein nachlassender Sexismus festzustellen
Kurz: Der Sexismus hat nicht wirklich nachgelassen. Bestimmt ist er unverfrohrener geworden, kommerzieller, direkter. Die Verdrängung der Bigotterie haben wir mit hohem Preis bezahlt. Was heute an offenem Sexismus als normale Werbesprache durchgeht, das erschreckt mich jedes Mal, wenn ich aus Italien nach Deutschland komme. Bigotterie sind wir vielleicht los, stattdessen haben wir uns den Konsum-Sexismus eingefangen.
Die Sexualmoral hat sich gewandelt, ohne Zweifel. Aber darunter gibt es immer noch Strömungen, die gleich stark laufen.
Alles, was den Blick einfängt
Leider ist die Ausstellung im ansonsten großzügig angelegten Haus der Geschichte etwas in eine Ecke gedrängt, man will die Enge schaffen, was auch glückt. Das wirkt von außen etwas lieblos. Drinnen aber kann man sehr gut nachvollziehen, welchen Wandel und durch all diesen Wandel welche Konstanten sich durch die Moral der vergangenen Jahrzehnte ziehen. http://blog.radiovatikan.de/sitten-sind-das/
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