ProAsyl: Nicht den Flüchtlingen die Schuld geben
Provisorisches Flüchtlingslager in Hamburg: Feldbetten - EPA
29/09/2015 12:54SHARE:
Aus Konflikten in Flüchtlingsheimen religiöse Spannung zu konstruieren ist falsch. Das sagte nach der Massenschlägerei vom Sonntag in einem hessischen Aufnahmelager die rechtspolitische Referentin von „Pro Asyl“ Marei Pelzer. Zwar könne es in einem solchen Lager zu Konflikten zwischen Flüchtlingen verschiedener Religion kommen, ein generelles Problem sei das aber nicht, sagte die Juristin im Gespräch mit Pia Dyckmans von Radio Vatikan. In dem Flüchtlingsheim auf dem Gelände des alten Flughafens Kassel-Calden, in dem rund 2000 Asylbewerber in Zelten und Containern untergebracht sind, wurden bei der Schlägerei acht Personen verletzt, 50 Polizisten trennten die verfeindeten Gruppen aus Albanern und Pakistanern. Marei Pelzer: „Diese Massenschlägerei, die wir jetzt in Kassel-Calden hatten, ist sicher eher eine Ausnahme. Aber wir wissen schon, dass es immer wieder zu Konflikten zwischen kommt, weil die Lebenssituation in diesen Massenunterkünften wirklich sehr belastend und problematisch ist.“ Radio Vatikan: Nach der großen Welle der Willkommenskultur wird nun auch kritisch reflektiert. Man spricht über sexuellen Missbrauch gegenüber Mädchen und Frauen. Wie kann man dem Herr werden?
Marei Pelzer: „Das darf man nun auch nicht aufbauschen, bei den Missbrauchsfällen spricht man von Einzelfällen, die dramatisch sind und in Zukunft verhindert werden müssen. Aber das ist in deutschen Flüchtlingsheimen keine Gesamtentwicklung und da sollte man keine allgemeine Stimmungsmache gegen Flüchtlinge betreiben. Aber dennoch sagen wir ganz klar, die Situation in den Erstaufnahmeeinrichtungen muss sich dringend verändern. Man hat ad hoc viele Notunterkünfte aus dem Boden gestampft, die sind natürlich sehr provisorisch. Wenn man Übergriffe verhindern will, muss man zu festen Unterkünften statt Zelten kommen, wo Menschen auch Rückzugsräume haben und ihre Türen abschließen können. Ganz basale Dinge. Da muss sich dringend etwas ändern.“ Radio Vatikan: Rainer Wendt, der Vorsitzende der Deutschen Polizeigewerkschaft, spricht sich dafür aus, Christen in Flüchtlingsheimen besonders zu schützen. Nur so könne man religiös und politisch motivierte Konflikte wirksam entschärfen, sagte Wendt. Sind Christen nach Ansicht von Pro Asyl besonders schutzbedürftig?
Marei Pelzer: „Wir halten gar nichts davon, aus den Konflikten, die durchaus entstehen, eine religiöse Spannung zu konstruieren. Das mag es in Einzelfällen geben und dann muss man auch reagieren. Aber primär entstehen Konflikte durch die Enge, durch die Überfüllung dieser Erstaufnahmeeinrichtungen. Das sind teilweise Einrichtungen, die für wenige hundert Personen konzipiert waren und jetzt mit mehreren tausend Menschen belegt sind. Das sind die eigentlichen Ursachen. Die Menschen fliehen, sie sind erschöpft, sie haben Schlimmes erlebt und gelangen dann in eine Situation, wo sie nicht zur Ruhe kommen können. Daran muss man arbeiten und nicht andere Gründe vorschieben und den Flüchtlingen quasi selber die Schuld dafür geben, dass es zu Konflikten kommt.“
Radio Vatikan: Politik und Polizei sprechen sich dafür aus, Christen und Muslime getrennt voneinander unterzubringen. Würde diese Vorgehensweise Konflikte vorbeugen? Marei Pelzer: „Das sind Scheinlösungen. Das entspricht nicht den Erfahrungen. Es gibt unter Christen und unter Muslimen sowohl tolerant ausgerichtete als auch strengere Varianten. Es kann durchaus zu Konflikten zwischen den Religionen kommen, aber das ist kein generelles Problem. Man würde damit den positiven Unterkünften, in denen Christen, Muslime und andere zusammenhalten und zusammen Feste begehen, ein falsches Signal senden, als ob man es nicht sähe und anerkenne, dass eben auch ein harmonisches Zusammenleben praktiziert wird.“ Radio Vatikan: Es heißt, Salafisten versuchten in den Heimen die Flüchtlinge zu beeinflussen. Wie ist das einzuschätzen?
Marei Pelzer: „Wenn es konkrete Hinweise gibt, dann muss die Polizei ihnen nachgehen, aber dafür haben wir auch die Sicherheitsbehörden. Unschön ist natürlich, wenn Salafisten aus Deutschland versuchen unter den Flüchtlingen Propaganda zu machen. Das sollte man unterbinden. Das gab es auch schon, aber teilweise wehren sich auch die Flüchtlinge selber dagegen vereinnahmt zu werden. Pauschale Aussagen zu treffen, ist sicher falsch.“ (rv 29.09.2015 pdy)
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