Darija Jeftic, Leiterin der Außenwohngruppe des Anna-Stifts in Kleve, berät Poriya aus dem Iran über seine Perspektiven.
Clearingstelle vermittelt jugendliche Flüchtlinge Nach Monaten der Angst eine Zuflucht gefunden
Bistum. Arabische Musik schallt durch den Raum. Sechs Jugendliche sitzen in einer Sofagruppe und schauen ein Video über eine türkische Hochzeit. Während die Männer im Film tanzen, klatschen die Zuschauer im Rhythmus, so als wollten sie die Hochzeitsgäste anfeuern. Die Stimmung ist ausgelassen, sie läuten das Wochenende ein. Die jungen Männer kommen aus den Ländern der südlichen Erdhalbkugel, wie ihre farbige Hautfarbe verrät. Doch sie leben zurzeit in der Außenwohngruppe des Gocher Anna-Stifts. In der Klever Unterkunft haben die jungen Männer eine Zuflucht gefunden. Zumindest vorübergehend. Nach Monaten der Flucht, der Gewalt und Angst, einer Zeit, in der sie Hunger und Durst gelitten haben, sind sie hier in Sicherheit.
Unter ihnen ist der 17-jährige Pourya aus dem Iran. Er ist geflohen, weil er mit seiner Familie die Religion gewechselt hat. Alle sind vor einiger Zeit vom Islam zum Christentum übergetreten, eine Tat, die im Iran nach wie vor mit dem Tod bestraft werden kann. Als er erfuhr, dass sein Freund, der sich ebenfalls hatte taufen lassen, wegen des Religionswechsels verhaftet worden war, beschlossen er und die Familie seine Flucht. Per Auto und Flugzeug ist er bis zum Flughafen Weeze gekommen. Dort hat ihn die Polizei herausgefischt, weil er minderjährig war.
In der Außenwohngruppe hat er eine Unterkunft gefunden. "Hier können Pourya und die anderen Flüchtlinge nach der Flucht und den damit verbundenen Unsicherheiten erst einmal ankommen", sagt Darija Jeftic, Leiterin der Außenwohngruppe. Zwölf Jungen leben hier: Sie sind aus Afghanistan, Syrien, dem Irak und Iran, aus Ghana, Guinea-Conakry sowie Guinea-Bissau und Somalia nach Deutschland geflohen und in Kleve gestrandet.
In Kleve gestrandet Vielfach werden sie an der Autobahn oder im Zug beim Überqueren der Grenze von der Bundespolizei aufgegriffen, die anschließend das zuständige Jugendamt informiert. Die Außenwohngruppe gehört zu den ersten Clearing-Stellen für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge im Bistum Münster. Hier wird untersucht, in welcher Verfassung sich die Jugendlichen und jungen Männer befinden: ob sie beispielsweise gesund sind, inwieweit sie durch die Flucht traumatisiert sind und ob sie eine schulische oder berufliche Ausbildung erhalten haben. Dann wird entschieden, wie es mit ihnen weitergeht: ob eine Pflegefamilie in Frage kommt oder bei den Älteren vielleicht selbstständiges Leben im Betreuten Wohnen.
Derzeit betreuen elf der 22 Kinder- und Jugendhilfe-Einrichtungen der Caritas in der Diözese Münster laut einer Presseinformation des Caritasverbands 105 unbegleitete minderjährige Flüchtlinge.
Das Anna-Stift liegt dabei mit 30 an der Spitze. Schwerpunkte sind darüber hinaus die Kinder- und Jugendhilfe Werne und das Alexianer Martini-Stift in Nottuln. Weitere Jugendliche haben in Duisburg, Münster, Rheine, Wachtendonk, Wesel, Kleve, Dülmen und Oer-Erkenschwick Zuflucht gefunden.
Obwohl die jungen Männer ihre Heimat unter Gefahren verlassen haben – vielfach haben die Eltern die ältesten Söhne zur Flucht gedrängt und dementsprechend viel Geld für einen Schleuser bezahlt, damit sie überhaupt eine Lebensperspektive erlangen können – ist die Stimmung in der Außenstelle gut. "Die Fluchterfahrungen schweißen zusammen", sagt Darija Jeftic. "Sie verstehen sich gut, vor allem auch sprachlich." Die meisten sprechen nach ihrer Erfahrung mehrere Sprachen.
Neben ihrer Heimatsprache beherrschten die jungen Flüchtlinge aus dem Nahen und Mittleren Osten fast immer die arabische Sprache bzw. einen entsprechenden Dialekt, vielfach auch Englisch, erklärt Jeftic.
Afrikanische Jugendliche sprächen Französisch und Spanisch, wenn sie über die iberische Halbinsel nach Deutschland gekommen seien. In kürzester Zeit erlernten sie die deutsche Sprache.
Eine große Hilfe sind nach Aussage der Leiterin die speziellen Sprachkurse auf der Gocher Hauptschule. Die Fortschritte seien bemerkenswert. Vielfach könnten diejenigen, die schon mehrere Monate in der Wohngruppe lebten, beim Übersetzen behilflich sein.
Die 30-jährige Teamleiterin hat in Nijmegen Sozialpädagogik studiert und anschließend im Kreis Borken bei der Flüchtlingsberatung gearbeitet. Seit Februar arbeitet sie beim Anna-Stift. Da sie selbst 1997 aus Bosnien-Herzegowina geflohen ist, kann sie die Situation der jungen Menschen und deren Nöte gut nachvollziehen.
Sie weiß, dass feste Strukturen nach der unsicheren Zeit der Flucht mit Unterricht, Essen und Hausaufgaben wichtig sind. Daneben bleibt genügend Zeit für das, was Jugendliche egal welcher Nation das Leben genießen lässt: Musik hören, Fernsehen, sich mit Freunden treffen. "Eine herausragende Rolle spielt der Sport. Nicht nur weil der Körper und seine Ertüchtigung für diese jungen Männer wichtig ist. Vielmehr bietet der Sport, ob im Fußballverein oder im Boxklub, eine Chance der Integration", sagt Darija Jeftic.
Das Ziel der jungen Menschen ist ein Schulabschluss. Nur damit werden sie eine Berufsausbildung absolvieren können und eine Perspektive bekommen. "Sie sind hochmotiviert und fleißig", sagt Jeftic. Ginge es nach ihr, hätten sie in Deutschland eine Chance verdient. http://kirchensite.de/aktuelles/news-akt...lucht-gefunden/
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