Disputa 10/2015
Von der Heiligkeit der Eucharistie
Die Kirche verweltlicht sich: Zivil Wiederverheiratete zur Kommunion zuzulassen, deren gültig geschlossener erster Ehebund noch besteht, wäre nach vielen Verflachungen nach der Liturgiereform ein weiterer Schritt, das Wesen und die Bedeutung des Altarsakraments bis zur Unkenntlichkeit zu verschleiern. Ein Warnruf des deutschen Philosophen Robert Spaemann. „... der isst und trinkt sich das Gericht“
Die Zulassung von Wiederverheirateten im Einzelfall zu den Sakramenten hätte zur Folge, die Wahrheit des Versprechens vor der ersten Ehe auf dem Altar des Individualismus zu opfern von Robert Spaemann Hohe Scheidungsziffern gelten manchen liberalen Soziologen als Indiz für fortschrittliche Gesellschaften. Wer die Worte „Fortschritt“ und „fortschrittlich“ benutzt, ohne seinen Maßstab für Fortschrittlichkeit zu benennen, verschleiert in der Regel etwas. Fortschritt gib es nämlich nur im Plural, zum Beispiel Fortschritte in der Nanotechnik oder im Tunnelbau, in der Entwicklung von Vernichtungswaffen, von Foltermethoden oder in Narkoseverfahren. Manche Fortschritte sind gut, manche schlecht oder sogar böse.
Hohe Scheidungsraten sind wünschenswert, wenn man den Maßstab eines hedonistischen Individualismus zugrunde legt. Auch niedrige Geburtenraten oder Kinderlosigkeit gelten dann als Indiz für einen hohen Grad von Selbstverwirklichung und Freiheit. Paradoxerweise sind es gerade die Protagonisten dieses Verständnisses von Freiheit, die dem Menschen so etwas wie Willensfreiheit absprechen und die Fähigkeit, ein ihn selbst bindendes Versprechen zu geben – nach Nietzsche die höchste Auszeichnung des Menschen. Mit ihr emanzipiert er sich vom Ausgeliefertsein an die eigenen naturwüchsigen Zustände, Launen, Befindlichkeiten. Er räumt einem anderen Menschen einen Anspruch ein. Versprechend erlaube ich dem anderen, von mir etwas zu erwarten. Das Eheversprechen ist die höchste Form von Versprechen. Mit ihm bindet jemand die Entwicklung seiner Person an die einer anderen. Es ist wie eine Jazzimprovisation zu zweit, wo jeder der beiden so spielt, dass seine Improvisation sich in die Improvisation des anderen fügt. Maßstab für das Gelingen ist nicht die Leistung des einzelnen, sondern das Gelingen des Kunstwerkes, des pas de deux.
Das liberale Ideal beruht auf einer falschen Anthropologie, die den Begriff der Person nicht kennt. Personen sind nämlich soziale, sprachlich verfasste Wesen. Sie bringen Sprachfähigkeit als natürliche Ausstattung mit auf die Welt. Und ohne eine bestimmte, konkrete Sprache verkümmert diese Fähigkeit. Dennoch sprechen Menschen keine „natürliche Sprache“, sondern Sprachen lernen sie innerhalb einer sozialen, geschichtlichen Sprachgemeinschaft. Erst die Sprachgemeinschaft ermöglicht es den Menschen, ihre Individualität auszubilden. In der Geschichte von Kain und Abel fragt Gott nicht, ob Kain seinem Bruder etwas zuleide getan hat. Er fragt nur: „Wo ist dein Bruder?“ Und Kain antwortet mit der Gegenfrage eines Liberalen: „Bin ich denn der Hüter meines Bruders?“
Das Buch Genesis entlarvt die Gegenfrage Kains als rhetorischen Ausdruck der Gesinnung des Mörders. Der Mensch als Person trägt Verantwortung für seinen Bruder. Er soll wissen, wo der Bruder ist. Einen schönen Beleg für die Selbsttranszendenz des Menschen sah ich einmal auf einem Lastwagenaufkleber: „Denk an deine Frau, fahr vorsichtig!“ Hier ist nicht die Rede von der Sorge, ein zu mir gehörendes Wesen zu verlieren, eine Sorge, die auch Tiere haben, sondern hier denkt sich jemand als dem anderen zugehörig, als Teil der Welt des anderen, der dem anderen zuliebe mit sich selbst behutsam umgeht. Was nun die eheliche Gemeinschaft betrifft, so ist die katholische Kirche die einzige Institution der Welt, die das vor Gott gegebene Versprechen ernst nimmt, den Bund als mit diesem Versprechen entstandene Entität als ein neues Rechtssubjekt ernst nimmt, und seine Entstehung durch die Anwesenheit freier Zeugen und den Segen des Priesters dokumentiert. Es ist ein Versprechen, das in die Sterne geschrieben ist, wo niemand, kein Papst, kein Standesamt und auch nicht die Ehepartner selbst es wieder herunterholen können. Natürlich ist eine lebenslange enge Gemeinschaft Belastungen ausgesetzt. Das tiefe Glück, das sich mit diesem Bund verbindet, erfährt nur der, der von Anfang an auch willens ist, das Kreuz, an das er sich nageln lässt, von Herzen anzunehmen. Dazu gehört eine Einstellung zum Leben, die die Bereitschaft zum Opfer einschließt. Diese kann nicht in einer Stunde grundgelegt werden. Und das besonders heute, im Zeitalter des selfish system.
Die katholische Kirche lehrt, dass das verlässliche Halten des Eheversprechens ohne besonderen Beistand nicht möglich sei. Aber dieses besonderen Beistands können wir gewiss sein, weil die Ehe ein Sakrament ist, also ein Ort der Vergegenwärtigung des Mysteriums von Kreuz und Auferstehung. Was aber durch das Sakrament wiederhergestellt wird, ist, wie Christus sagt, die „Ordnung des Anfangs“, das heißt die natürliche Ordnung der Dinge. Ein Versprechen halten ist nun einmal „von Natur“ richtiger als es brechen. Dass die Jünger zunächst entsetzt sind über die Verkündigung von der Unauflöslichkeit der Ehe, zeigt nur, dass die gesellschaftliche Normalität sich bereits damals von dem „von Natur“ Richtigen weit entfernt hatte.
Die Wiederherstellung des „Anfangs“ ist für die erbsündige Natur mit Mühe verbunden. „Geh hin und sündige nicht mehr“ sagt Christus zur Ehebrecherin, nachdem er ihr verziehen und sie vor der Steinigung gerettet hat.
Die katholische Kirche hätte allen Grund, in der Nachfolge Jesu mit Stolz dem Zeitgeist die Stirn zu bieten, statt nach Schlupfwegen Ausschau zu halten, die die Botschaft verwässern. „Ihr seid das Salz der Erde“, sagt der Herr. Wenn das Salz schal wird, salzt es nicht mehr. „Es wird weggeworfen und von den Leuten zertreten.“ Sind wir heute da angelangt? Ist die Kirche im Begriff zu kapitulieren? Wo es doch ihre Aufgabe ist, die Schönheit der Botschaft des Evangeliums zum Strahlen zu bringen.
Erschüttert müssen wir zur Kenntnis nehmen, dass Ehescheidungen bei Katholiken fast so häufig sind wie bei Nichtkatholiken. Und in den Annullierungsverfahren spielen mangelnder Konsens oder mangelnder Zeugungswille eine Rolle, die sie nicht spielen dürften, wenn die kirchliche Ehevorbereitung in Ordnung gewesen wäre. Dann wäre nämlich dieser Defekt schon vor der Heirat manifest geworden, und eine kirchliche Trauung hätte nicht stattfinden dürfen. Der Kursleiter hätte die Brautleute fragen müssen, ob sie wirklich willens seien, einen unwiderruflichen Bund einzugehen und bis zum Tod eines der beiden alle Brücken hinter sich abzubrechen. Wenn stattdessen die Brautpaare – wie ich bezeugen kann – darauf hingewiesen werden, dass ja beim eventuellen Scheitern der ersten Ehe die Möglichkeit des Gelingens einer zweiten bestehe, dann wird ja schon ein später geltend zu machendes Ehehindernis aufgebaut. Es sei denn, das Brautpaar weist das ihm in Aussicht gestellte Gift entschieden zurück. Die meisten der annullierten kirchlichen Trauungen hätten gar nicht stattfinden dürfen. Sie waren ungültig, und das war in den meisten Fällen rechtzeitig zu erkennen. Und Eltern und Großeltern sollten ihre Kinder nicht zur kirchlichen Trauung drängen, sondern eher davon abraten, wenn sie wissen, dass die Zutrittsbedingungen nicht erfüllt sind.
Was aber ist nun im Fall des Ehebruchs? Hier sind zwei Fälle zu unterscheiden, erstens der einmalige oder kurzfristige. Er gibt dem betrogenen Teil das Recht zur Trennung. Wenn dann der Ehebrecher die Beziehung bereut und aufgibt, kann der Betrogene verzeihen und die eheliche Gemeinschaft wieder aufnehmen, und ein Christ wird dies in der Regel tun und Gottes Verzeihung nachahmen. Zweitens und anders der Fall der Aufkündigung der ehelichen Gemeinschaft durch den Ehebrecher, die staatliche Scheidung und Wiederverheiratung des Ehebrechers.
Die zur Zeit in der katholischen Kirche diskutierte Frage ist: Kann der Geschiedene und Wiederverheiratete zur heiligen Kommunion zugelassen werden? Und: Kann die Kirche für das neue Paar einen Segnungsgottesdienst einführen? Dieser Vorschlag wird gemacht. Man muss sich klarmachen, was es bedeuten würde, wenn die Antwort bejahend ausfiele. Es würde bedeuten, dass der Standesbeamte eine schwere Sünde – den außerehelichen Beischlaf – in eine gottgefällige Handlung verwandeln könnte, auf die ein Priester den Segen Gottes herabrufen darf. Es ist ein absurder Gedanke, dass zum Beispiel ab dem sechzigsten Mal diese wunderbare Wandlung stattfinden würde. Oder doch lieber ab dem vierzigsten Mal? Tummelfeld für moralische Kasuistik.
Nun möchten die Promotoren der Vergebung als Bedingung der eucharistischen Gemeinschaft Schuldbekenntnis und Reue verlangen, nicht aber das einzige, was Bekenntnis und Reue glaubwürdig macht, die Beendigung des ehebrecherischen Verhältnisses. So als hätte Jesus zur Ehebrecherin gesagt: „Ich will dich nicht verurteilen. Sündige fröhlich weiter. Mit der Zeit wird auf deine Beziehung Gottes Segen herabkommen.“ Das hieße: Bedingung der eucharistischen Gemeinschaft ist letzten Endes nicht Reue und Vorsatz, sondern Zeit und Gewohnheit.
Zeit und Gewohnheit sollen ein ehebrecherisches Konkubinat unter der Hand verwandeln in eine gottgefällige Beziehung, auf die von der Kirche der Segen Gottes herabgerufen wird. Dann ist es natürlich nur konsequent, auch homosexuelle Partnerschaften zu segnen.
Hier liegt aber ein tiefer Irrtum. Die Zeit ist nicht schöpferisch. Sie stellt die Unschuld nicht wieder her. Die Zeit wirkt vielmehr immer im Sinn der Entropiezunahme. Alle Ordnungen der Natur werden der Entropie abgerungen und fallen ihr am Ende zum Opfer. Anaximander schreibt: „Woraus die Dinge entstehen, dahinein vergehen sie auch, nach der Ordnung der Zeit.“ Schlimm ist es, wenn das Prinzip des Verfalls und des Todes schöngeredet wird, und wenn das allmähliche Absterben des Schuldbewusstseins verwechselt wird mit dem Schwinden der Schuld. Es ist ein absurder Gedanke, ein ehebrecherischer Beischlaf höre beim soundsovielten Mal auf, ehebrecherisch zu sein, und verwandle sich auf einmal in eine gottgefällige Handlung, die von der Kirche gesegnet werden könne.
Schon Aristoteles lehrte, dass eine zur Gewohnheit gewordene Sünde eine tiefere Depravation darstellt als ein einmaliger Fehltritt, der noch von Gewissensbissen begleitet ist. Das gilt vor allem im Fall des Ehebruchs, wenn durch ihn und durch seine Legalisierung neue Strukturen entstanden sind, die ohne Schmerzen und Gewaltsamkeit meist nicht wieder aufgelöst werden können. Thomas von Aquin spricht in solchen Fällen von perplexitas, das heißt von Situationen, aus denen man sich nicht befreien kann, ohne so oder so schuldig zu werden. So im Fall eines einmaligen Ehebruchs: Soll der Ehebrecher seinem Ehepartner den Ehebruch bekennen oder nicht? Wenn er bekennt, rettet er eventuell die Ehe und zerstört nicht dauerhaft das Vertrauensverhältnis durch eine Lüge. Wenn er die Wahrheit sagt, kann es aber auch sein, dass er die Ehe erst recht gefährdet. Beichtväter raten deshalb wohl oft vom Geständnis ab. Thomas von Aquin schreibt übrigens, dass man in eine solche perplexitas nicht ohne eigene Schuld gerät, was er als Strafe Gottes für die anfängliche Sünde betrachtet.
Mitchristen in solchen Situationen beistehen, ihnen mit Empathie begegnen, sie der Solidarität der Gemeinde vergewissern, sind Werke der Barmherzigkeit. Die Spendung der Eucharistie aber ohne Reue oder ohne Beseitigung der irregulären Situation wäre eine Versündigung gegen das Sakrament, die heute sehr häufig ist.
Warum haben die Liturgiereformer ausgerechnet sowohl am Gründonnerstag als auch an Fronleichnam aus dem Text der Lesung aus dem Korintherbrief über die Eucharistie die Pointe dieser ganzen Epistel gestrichen, in der vor dem „unwürdigen Empfang des Leibes Christi“ gewarnt wird: „Wer unwürdig isst und trinkt, der isst und trinkt sich das Gericht“? Wenn man sieht, wie Sonntag für Sonntag alle Messbesucher zur Kommunion gehen, so fragt man sich, ob die katholischen Gemeinden nur noch aus Katholiken bestehen, die frei von schwerer Sünde sind.
Aber noch ein Letztes, das eigentlich das Erste sein müsste: Die Kirche bekennt, dass sie im Umgang mit dem Kindesmissbrauch zu wenig die Opfer im Blick hatte. Das geschieht hier wieder. Wer redet eigentlich über die Opfer? Wer redet von der Frau mit vier Kindern, denen Ehemann und Vater weggelaufen ist? Sie wäre vielleicht bereit, ihn wieder aufzunehmen, und sei es aus Gründen der Versorgung. Aber er hat sich eine neue Familie zugelegt und denkt gar nicht an Rückkehr.
Inzwischen ist Zeit vergangen. Der Ehebrecher möchte gern wieder zur Kommunion. Er ist bereit, ein Schuldbekenntnis abzulegen, nicht aber den Preis zu zahlen:
künftige Enthaltsamkeit. Die verlassene Frau ist gezwungen, mit anzusehen, wie die Kirche den neuen Bund akzeptiert und segnet. An die Stelle der Formel „bis der Tod euch scheidet“ müsste die neue Formel treten, die im Ernst schon vorgeschlagen wird: „bis die Liebe eines der beiden erkaltet“. Das Verlassen des schuldlosen Partners wird noch zusätzlich von der Kirche abgesegnet. Die Ersetzung der Eheschließung durch einen Segnungsgottesdienst ist Augenwischerei und betrügt die Leute.
Der Unterschied zwischen Trauung und kirchlicher Segnung würde für die meisten Katholiken gleichgültig sein. Der außereheliche Beischlaf wird legitimiert. Was also kann und soll geschehen, um den jetzigen Zustand zu beenden? Nietzsche schrieb, Versprechen sei die höchste Auszeichnung des Menschen. Es ist der höchste Ort der Freiheit. Im Versprechen mache ich mich unabhängig von den inneren und äußeren Zwängen, von den Zufällen einer augenblicklichen Befindlichkeit. Zwei Personen stiften gemeinsam etwas, das sie übersteigt. Sie entziehen sich dem Wankelmut endlicher Wesen. In der Zeit des Wütens der deutschen Terroristen, der so genannten „Rote Armee Fraktion“, als deutsche „Prominente“ als Geiseln gefangen und getötet wurden, baten diese mehrmals über das Fernsehen um Erfüllung der Forderungen. Ein mir befreundeter Verfassungsrichter gab bei Antritt seines Amtes zu Protokoll, dass er keinen solchen Hilferuf senden werde. Und wenn er es doch tun würde, so wünsche er, dass man es ignorieren solle. Sein eigentlicher und wahrer Wille sei allein der hier und jetzt bekundete. So ließ sich Odysseus von seinen Leuten an den Schiffsmast binden, um den Verlockungen der Sirenen nicht zu erliegen. Er verfügte, dass sein Betteln, ihn loszubinden, vergeblich sein sollte.
Die Ehe ist ein Ort der Selbstverwirklichung des Menschen, also dessen, was die Alten „Glückseligkeit“ nannten. Aber sie ist das nur, weil sie auch ein Kreuz ist und mit der Bereitschaft zum Opfer angenommen wird. Christliche Ehevorbereitung muss deshalb schon viel früher einsetzen, nämlich dort, wo die christlichen Grundhaltungen gelehrt und eingeübt werden. Entsprechend soll man jungen Paaren davon abraten, kirchlich zu heiraten, wenn sie nicht fähig oder willens sind, ein definitiv bindendes Versprechen zu geben. Dass kirchliche Ehenichtigkeitsprozesse so oft stattfinden, beweist meines Erachtens, dass die Ehevorbereitung nicht realistisch war.
Es wird auch geltend gemacht, dass in zweiten Beziehungen auch sittliche Werte verwirklicht werden, und dass deshalb solche Konkubinate der Promiskuität und Verwahrlosung vorzuziehen seien. Der heilige Thomas von Aquin geht auf dieses Argument ein mit einem Boethius-Zitat, das er an die fünfzig Mal anführt: „bonum ex integra causa, malum ex quocumque defectu“ – Gut ist etwas, wenn es im Ganzen stimmt, schlecht, wenn es an einem Fehler krankt. Was ist die Treue zum Komplizen im Ehebruch wert, wenn jeder Akt der Treue zugleich ein Akt der Untreue gegen den rechtmäßigen Ehepartner ist? Auch in der Mafia werden Haltungen und Handlungsweisen hochgehalten, die für sich genommen Tugenden wären, zum Beispiel Treue, Zuverlässigkeit, Einstehen für den anderen, interne Gerechtigkeit, Mut. Himmler rühmte in einer Rede vor SS-Leuten, dass ihre Gräueltaten selbstlos seien. Sie müssten verborgen bleiben. Und bei den Massentötungen „anständig“ geblieben zu sein, verdiente die höchste Anerkennung. Lauter sittliche Werte im Dienste gigantischer Verbrechen. „Meine Ehre heißt Treue“ stand auf dem Koppelschloss der SS. Nicht als ob ich eine Zweitehe mit diesen Verbrechen vergleichen wollte. Die Beispiele sollten nur zeigen, wie absurd die Berufung auf sittliche Werte sein kann.
Noch etwas gehört in diesem Zusammenhang gesagt, worüber zu Unrecht geschwiegen wird: Auch dort, wo der Ehebruch verurteilt wird, wird der voreheliche Beischlaf, sozusagen als Vorbereitung auf die Ehe, gebilligt – auch von Beichtvätern. Er ist deshalb inzwischen zur Regel geworden und wird ohne Schuldbewusstsein vollzogen. Dass die Kirche ihn im neuen Katechismus als Sünde bezeichnet, ist bedeutungslos, wenn sie ihre Seelsorger und Religionslehrer das Gegenteil lehren lässt – mit der Begründung, dass ja hier oft ein ehestiftender Konsens gegeben sei. Mein Sohn machte seinem Religionslehrer, der so lehrte, den Einwand, diese Jugendlichen dürften ja dann nie mehr auseinandergehen und sich mit einem anderen liieren, ohne Ehebruch zu begehen. Das sei ja eine schreckliche Belastung. Die Antwort des Lehrers: „Du bist ein Opfer deines Milieus.“ Der Beischlaf mache, so sagt das Evangelium, aus Zweien „ein Fleisch“, also eine neue Entität, die sich in Kindern objektiviere, deren Bruch aber eben deshalb dem Mord nahekomme, mit dem er auch in der christlichen Tradition in einem Atem genannt wird.
Wer das Anormale, das Unnatürliche der Scheidung und Wiederverheiratung am unmittelbarsten erlebt, sind die Kinder. Von ihnen sollte deshalb eigentlich vor allem die Rede sein. Von ihnen war ja schon in den Missbrauchsfällen leider zuletzt die Rede. Und sie sind auch bei Scheidungen die Hauptleidtragenden. Aber auch der verlassene Teil scheint, wo es um diese Fragen geht, viel weniger der Aufmerksamkeit wert als der „Täter“. Es ist zu hoffen, dass die Bischofssynode sich die Akzente nicht von den Medien diktieren lässt. Alles liegt daran, dass die Schönheit der Botschaft des Evangeliums erneut zum Leuchten gebracht wird. ®Sankt Grignion Verlag http://www.vatican-magazin.de/index.php/...ausgabe/disputa
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