Papst-Vertrauter berichtete als erster „Die Verschwörung der Dreizehn“ 14. Oktober 2015 21:54 | Mitteilung an die Redaktion
Das Buch von Andrea Tornielli: „Franziskus. Zusammen. Das Leben, die Ideen, die Worte des Papstes, der die Kirche verändert“
(Rom) Die Nebel lichten sich immer mehr, rund um den Beschwerdebrief der dreizehn Kardinäle-Synodalen. Die progressive Phalanx ruft „Skandal“ und empört sich, daß das Schreiben öffentlich bekanntgemacht wurde. Zum Schuldigen wurde der Vatikanist Sandro Magister erklärt. Der renommierte und altgediente Vatikanist gilt unter Bergoglianern ohnehin als Papst-Gegner Nr. 1 unter den Vatikanisten. Auf ihn darf schonungslos eingedroschen und damit die Verteidiger der katholischen Ehe- und Morallehre unter den Synodalen gemeint werden. Doch die Dinge liegen etwas anders.
Flucht nach vorne: Papst-Vertrauter „enthüllte“ Schreiben der dreizehn Kardinäle
Auch auf der heutigen Pressekonferenz, der dritten in Folge, kritisierte Vatikansprecher Lombardi „das schicksalhafte Schreiben, das weit mehr Widerhall gefunden hat, als es verdient“.
Magister schrieb darauf: „Gleich wie auch ein stattliches Heer von Prälaten und Journalisten scheint er zu vergessen, daß der Erste, der die Nachricht über diesen vertraulichen Akt explodieren ließ, nicht ein angeblicher Agent der Unterzeichner war, sondern der dem Papst freundschaftlich verbundene und Franziskus am nächsten stehende Vatikanist, den es nur gibt, der häufige Gast in Santa Marta und sein mehrfacher Interviewer: Andrea Tornielli, der Koordinator des Nachrichtenportals Vatican Insider“.
Torniellis Artikel vom 8. Oktober in „La Stampa“
Tatsächlich hatte Tornielli bereits vergangenen Donnerstag, den 8. Oktober einen Artikel über Kritik veröffentlicht, die von „dreizehn Synodenvätern“ an den Papst herangetragen wurde. Das war ganze vier Tage, bevor Magisters Artikel erschien. Tornielli plazierte seinen mit Hintergrundinformationen gespickten Artikel zeitgleich bei Vatican Insider und der Tageszeitung La Stampa. Der Zeitungsartikel setzt voraus, daß Tornielli ihn bereits am Mittwochabend des 7. Oktober fertiggestellt hatte. La Stampa veröffentlichte ihn auf Seite 9 unter der Rubrik „Hintergründe“. Der erstaunlicherweise unbeachtet bleibende Artikel hatte einen eindeutigen Titel: „Gelenkte Synode: Die Anklage von 13 Prälaten. Die Antwort des Papstes: Schluß mit konspirativer Logik“.
Im Artikel berichtete Tornielli mehrfach und mit größter Sicherheit von dreizehn Synodenvätern als Unterzeichner der Kritik. Nicht einer mehr und nicht einer weniger. Namentlich genannt wurde nur Kardinal George Pell, der Präfekt des Wirtschaftssekretariats und C9-Kardinalsratsmitglied für Ozeanien, den Tornielli als „den Härtesten“ bezeichnete.
Der Haus- und Hofvatikanist des Papstes schrieb nicht ausdrücklich, daß es sich um einen Brief handelte. Wörtlich heißt es bei Tornielli, „die dreizehn Synodenväter haben an den Papst appelliert“ und zwar am ersten Tag der Synodenarbeiten, am Montag, den 5. Oktober.
Tornielli ließ die Unterzeichner im denkbar schlechtesten Licht erscheinen
Tornielli nannte dann Themen, die sich tatsächlich im, am 12. Oktober, von Magister veröffentlichten Brief wiederfinden. Was bedeutet, daß Tornielli mit großer Wahrscheinlichkeit direkten Einblick in das Beschwerdeschreiben hatte, nachdem es dem Papst übergeben worden war. Mit anderen Worten: Der Papst selbst dürfte Tornielli den Brief gezeigt haben.
Tornielli stellte das Schreiben und dessen Inhalt allerdings so dar, daß das denkbar schlechteste Licht auf die dreizehn Unterzeichner fallen mußte. Er bezeichnete sie den ganzen Artikel hindurch als „Lobby“, die versuche, von „konspirativer Logik“ geleitet, „Druck“ auszuüben zum Zweck, „den Eindruck zu erwecken, daß die Synode vom Generalsekretariat und letztlich vom Papst ‚gelenkt‘ sei, damit sie eine Richtung der Öffnung einschlage“.
Der Artikel wiederholte dann ausführlich die „Antwort“, die am Morgen des 6. Oktober vom Synodengeneralsekretär Kardinal Baldisseri und Papst Franziskus in der Synodenaula gegeben wurde, ohne daß dabei die Beschwerdeführer oder ihr Schreiben erwähnt wurden. Damit erhob nicht nur Tornielli gegen die „dreizehn Prälaten“ den Vorwurf der „Verschwörung“, sondern der Papst höchstpersönlich.
Die Rekonstruktion
Montag, 5. Oktober 2015 Kardinal George Pell übergibt Papst Franziskus persönlich am Nachmittag, im Rahmen der 2. Generalkongregation, das Beschwerdeschreiben, das von dreizehn Synodenvätern, allesamt Kardinäle, unterzeichnet ist und im Namen „vieler“ weiterer Synodenväter spricht. Dem Papst muß die explosive Bedeutung von Schreiben und Unterzeichnern sofort bewußt geworden sein.
Dienstag, 6. Oktober 2015
Erste Gegenreaktion von Papst Franziskus:
Am Beginn der 3. Generalkongregation am Morgen ergreifen Generalsekretär Kardinal Baldisseri und Papst Franziskus unvorhergesehen das Wort. Das Schreiben und die Unterzeichner werden nicht genannt. Beide üben aber scharfe Kritik an Verschwörungstheorien. Papst Franziskus warnt ausdrücklich vor einer „konspirativen Hermeneutik“.
Mittwoch, 7. Oktober 2015 Zweite Gegenreaktion von Papst Franziskus:
Papst Franziskus zeigt Andrea Tornielli, seinem Vertrauten unter den Vatikanisten, das Schreiben. Das Schreiben ist noch vertraulich. Es wird aber offenbar damit gerechnet, daß es wahrscheinlich publik werden könnte. Wer den ersten Schritt setzt, hat einen Vorsprung und kann am ehesten die Richtung der Diskussion beeinflussen.
Tornielli setzt diesen ersten Schritt, um den Papst-Kritikern zuvorzukommen. Donnerstag, 8. Oktober 2015
Tornielli enthüllt bei La Stampa und Vatican Insider die Sache der „dreizehn Prälaten“, deren „Sorgen“ und „Bedenken“ er als Verschwörungstheorien diskreditiert und die Unterzeichner selbst der Verschwörung gegen den Papst bezichtigt. Wahrscheinlich die zu zusammenhanglos dargestellte Negativzeichnung und die Tatsache, daß die „Prälaten“ ungenannt bleiben, lassen den Artikel jedoch seine Wirkung verfehlen. Er bleibt, trotz der doppelten Veröffentlichung, faktisch unbeachtet. Einer der wenigen, der ihn aufmerksam registriert, ist der Vatikanist Sandro Magister, der nun seine Recherche beginnt, die am 12. Oktober zur Veröffentlichung des Briefes und der Unterzeichner führt (wenn auch anfangs mit einigen Unklarheiten) und wie eine Bombe einschlägt und das international.
Zu den übrigen Etappen siehe die Chronologie der Fakten. Empörung über die Veröffentlichung und ihre Adressaten
Wenn also nun viele Worte und Druckerschwärze verschleudert werden, um Kritik an der Veröffentlichung des Beschwerdeschreibens zu üben, gilt sie den falschen Adressaten. Nicht Sandro Magister und nicht den dreizehn Unterzeichnern (von denen derzeit nur zwölf bekannt sind bzw. zu ihrer Unterschrift stehen) hätte sie zu gelten, sondern eigentlich Andrea Tornielli und Papst Franziskus, der die Flucht nach vorne antreten wollte, weil Angriff als die beste Verteidigung gilt, um sich nicht das Heft des Handelns entwinden zu lassen.
Diejenigen, die derzeit am hörbarsten über die Art und überhaupt die „Veröffentlichung eines vertraulichen Schreibens“ (Lombardi, Semeraro, Baldisseri et al), ihre Nase rümpfen und mit dem Impetus der Empörung kokettieren, ärgern sich bei näherem Hinsehen in Wirklichkeit über den Inhalt des Briefes und die prominenten Unterzeichner. Das Schreiben macht einer ganzen Strategie einen Strich durch die Rechnung, belastet sie zumindest erheblich und verlangt nach mehr oder weniger gewünschten Nachbesserungen.
Kardinal Müller, der seine Unterschrift unter das Beschwerdeschreiben bestätigte, bemängelte auch seine Veröffentlichung. Manche Journalisten interpretierten es als Kritik an Magister. In Wirklichkeit dürfte sich die Kritik jedoch an den Papst-Vertrauten Tornielli gerichtet haben. Womit der Glaubenspräfekt, für jene die mit den Zusammenhängen vertraut sind, und dazu gehört an erster Stelle der Papst selbst, nach dem Schreiben ein zweites Mal auf den Papst zeigte, ohne ihn beim Namen zu nennen. Text: Giuseppe Nardi Bild: Settimo Cielo
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