Der Festvortrag von Kardinal Schönborn
Festakt zum Jubiläum der Bischofssynode. - REUTERS
17/10/2015 16:34SHARE: Kardinal Christoph Schönborn war Hauptredner auf der Feier zum 50-jährigen Jubiläum zur Bischofssynode am 16. Oktober im Vatikan. Wir dokumentieren die Rede im Wortlaut:
Heiliger Vater! Liebe Brüder und Schwestern im Herrn!
Inzwischen sind zwei Drittel der diesjährigen Sitzung der Synode vorbei. Es fügt sich schön, dass wir heute innehalten können, um Gott zu danken für die Schaffung der Bischofssynode durch den Seligen Papst Paul VI. vor 50 Jahren, zu Beginn der letzten Sitzungsperiode des Konzils, mit dem Apostolischen Schreiben Motu Proprio „Apostolica sollicitudo“ über die Errichtung der Bischofssynode für die ganze Kirche vom 15. September 1965.
Das große, weltweite Interesse, das die laufende Synode ausgelöst hat, zeigt nicht nur, wie intensiv das Thema Ehe und Familie viele Menschen bewegt, weit über den Raum der Katholischen Kirche hinaus. Es zeigt auch, wie lebendig die Institution der Bischofssynode auch nach fünfzig Jahren ist, von der der heilige Papst Johannes Paul II. sagen konnte, sie sei „hervorgesprossen aus dem fruchtbaren Boden des II. Vatikanischen Konzils“. Bischofssynode und Konzil sind untrennbar verbunden. Fünfzig Jahre nach dem Ende des Konzils kann noch überzeugter gesagt werden, was Papst Johannes Paul II schon 1983 feststellte: „Die Bischofssynode hat in bemerkenswerter Weise die Einbindung der Lehre und ihre Orientierung an den Glaubenswahrheiten und Pastoralen Vorgaben des Zweiten Vatikanischen Konzils im Leben der ganzen universalen Kirche beigetragen.
“ Diese Aktualisierung ist noch im Gange, wie es meistens nach einem Konzil der Fall ist. Tatsächlich gab es nach jedem großen Konzil in der langen Geschichte der Kirche die Phase der Rezeption, der Interpretation und der Umsetzung der Lehren und Bestimmungen des Konzils. Denken wir nur daran, wie lange es gedauert hat, bis das erste Ökumenische Konzil, das von Nicea (325), voll im Denken, Lehren und in der Praxis der Kirche umgesetzt war. In gewisser Weise kann man sagen, dass dieser Prozess bis zum Zweiten Konzil von Nicea, also bis 787, bis zum Abschluss des Zyklus der sieben ersten großen ökumenischen Konzilien gedauert hat. Denn erst mit dem Zweiten Konzil von Nicea (über die heiligen Bilder und ihre Berechtigung) war das Christusgeheimnis in seinen wesentlichen Dimensionen ausgeleuchtet. Dazu waren immerhin 450 Jahre notwendig!
Oder denken wir an das Trienter Konzil, das große Reformkonzil in der Krise der Reformation. An manchen Orten hat es bis zu 200 Jahre gedauert, bis die Reformen von Trient wirklich umgesetzt wurden. In der Erzdiözese Wien wurde erst 200 Jahre nach dem Ende des Konzils die Reform der Priesterziehung umgesetzt und ein Priesterseminar gegründet (1758). Wien hatte eben keinen hl. Karl Borromäus, um die vom Konzil gewünschten Reformen gleich umzusetzen!
In den vergangenen fünfzig Jahren war die Bischofssynode sicher eines der privilegierten Instrumente zur Umsetzung des Zweiten Vatikanums. Papst Johannes Paul II. konnte 1983 sagen: „Der synodale Schlüssel für die Lektüre der Konzilstexte wurde gleichsam zu einem Ort der Interpretation, der Anwendung und der Weiterentwicklung des Zweiten Vatikanums. Schon die lange Liste der Themen, die in den verschiedenen Synoden behandelt wurden, zeigt die Bedeutung der Sitzungen für die Kirche und für die Umsetzung der Reformen, die das Konzil wollte“ (ebd.).
Die Bischofssynode als privilegierter Ort der Konzilsinterpretation Gewiss, die Bischofssynode ist nur einer der Orte der Interpretation und der Umsetzung der vom Konzil gewollten Reformen. Die ganze reiche Vielfalt der Lebensäußerungen der Kirche trägt zu der vom Konzil gewünschten Erneuerung bei. Die Bischofssynode ist ein privilegierter Ort der Konzilsinterpretation.
In den fünfzig Jahren ihres Bestehens hat es auch nie an Kritik gefehlt betreffend die Bischofssynode und ihre Effizienz. Ich brauche hier nicht die diversen Kritikpunkte nennen, die immer wieder vorgebracht wurden. So war und ist ein Thema, das häufig besprochen wurde, die Frage der Autorität der Bischofssynode, ob sie ein beratendes Organ ist, das den Dienst des Petrusamtes unterstützt, oder ob sie auch Entscheidungsvollmacht hat. Ist die Bischofssynode eine Form der Mitregierung der Universalkirche? Oder dient sie vor allem, die Kollegialität zu pflegen, die effektive und die affektive Kollegialität unter den Bischöfen cum et sub Petro? Viel wurde auch über die Methode der Bischofssynode debattiert. Immer wieder wurden Aspekte der Arbeitsmethode kritisiert, und manches auch im Lauf der Jahre aus den Erfahrungen gelernt und verbessert. Dankbar sehen wir die Erneuerungen der Methoden unter Papst Benedikt XVI. und Papst Franziskus.
Was soll die Bischofssynode? Was ist ihr Sinn? Ihr Ziel? Was sind ihre theologischen Grundlagen? Über die kirchenrechtlichen und vor allem die ekklesiologischen Grundlagen der Bischofssynode ist viel Wichtiges und Gültiges geschrieben worden. Ich denke vor allem an die lectio magistralis des damaligen Kardinals Joseph Ratzinger, über „Ziele und Methoden der Bischofssynode“. In seiner gewohnten Klarheit hat er sich hier zur rechtlichen und theologischen Einordnung der Bischofssynode im Ganzen der Kirche geäußert. Seine Ausführungen haben nichts an Gültigkeit eingebüßt. (Ich werde auf zwei wichtige Ergebnisse seiner Darlegungen noch zurückkommen).
Schon damals, als die Institution der Bischofssynode noch keine zwanzig Jahre alt war, bewegten vor allem zwei Fragen, die bis heute aktuell geblieben sind, und die Kardinal Ratzinger in seinem Vortrag wie folgt formuliert hat: „Es steht zur Diskussion, ob die aktuelle rechtliche Gestalt der Synode für deren Zweck perfekt geeignet ist, der im Umfeld einer bestimmten theologischen Wirklichkeit, die sich im Zweiten Vatikanischen Konzil findet, dargestellt ist: … nämlich innerhalb des Verhältnisses der Sendung des Nachfolgers des Heiligen Petrus und der gemeinsamen Verantwortung des gesamten Bischofskollegiums, dem – mit und unter Petrus – die Sorge für die Weltkirche anvertraut ist.“ Die erste Frage also lautet: Dient die Bischofssynode in angemessener Weise der bischöflichen Kollegialität cum Petro et sub Petro in der Verantwortung für die Kirche?
Die 2. Frage formulierte Kardinal Ratzinger wie folgt: „Wir müssen auch prüfen, ob die bisher verwendeten Methoden für den Zweck der Synode wirklich geeignet sind.“
Die Frage der Methode bewegt den Weg der Bischofssynode von Anfang an. So sagte der hl. Papst Johannes Paul II am Schluss der sechsten Generalversammlung der Bischofssynode am 29. Oktober 1983: „Möglicherweise kann dieses Instrument noch verbessert und die kollegiale pastorale Verantwortung in einer Synode noch vollkommener zum Ausdruck gebracht werden.“
Und Papst Franziskus: „Beinahe 50 Jahre sind seit der Einführung der Institution der Bischofssynode vergangen, ich habe selber die Zeichen der Zeit geprüft und ich bin mir bewusst, dass es notwendig ist, um mein Petrusamt ausüben zu können, mehr denn je die direkte Verbindung mit allen Hirten der Kirche noch mehr zu beleben, es drängt mich sehr, dieses wertvolle Erbe des Konzils wieder zu würdigen.“
Synodos heißt „gemeinsamer Weg“. Synodalität heißt „gemeinsam auf dem Weg sein“. Wer gemeinsam auf dem Weg ist, braucht ein klares Ziel. Methode kommt von Methodos: „Weg zu etwas hin“. Soll der Syn-odos gelingen, ist der meth-odos ganz entscheidend. Die Debatten über die Methode der Synode sind keine nebensächlichen Fragen der Organisation. Sie bestimmen sehr prägend mit, ob der Syn-odos zum Ziel führt.
Dieses untrennbare Miteinander und Ineinander von synodos und methodos steht bereits klar am Anfang der Institution der Bischofssynode, in den Worten, mit denen der selige Papst Paul VI. die Bischofssynode eingesetzt hat: „Die apostolische Sorge, in der Wir, die Zeichen der Zeit aufmerksam durchforschend, die Wege und Methoden des geistlichen Apostolates den wachsenden Notwendigkeiten unserer Tage sowie den veränderten Verhältnissen der Gesellschaft anzupassen suchen, drängt Uns dazu, Unsere Verbindung mit den Bischöfen, ‚die der Heilige Geist dazu bestimmt hat …, die Kirche Gottes zu leiten‘ (Apg 20,28), mit noch engeren Banden zu bestärken.“.
Das Apostelkonzil – Modell für die synodale Methode
Um dieses Ineinander von synodos und methodos zu bedenken, schlage ich vor, auf die „Ursynode“, das Urmodell der Synode zu blicken, auf das sogenannte „Apostelkonzil“ von Jerusalem. Mir scheint nämlich gerade die Methode, die damals angewandt wurde, für den weiteren Weg der Bischofssynode wegweisend zu sein. Und wir können durchaus im Rückblick sagen: diese erste Synode war so erfolgreich, dass wir heute noch von ihren Früchten leben.
Alles begann mit einem dramatischen Konflikt: „Es kamen einige Leute von Judäa herab und lehrten die Brüder: Wenn ihr euch nicht nach dem Brauch des Mose beschneiden lasst, könnt ihr nicht gerettet werden“ (Apg 15,1). Das war keine harmlose Sache. Es ging um Heil oder Unheil. Es ging ums Ganze des christlichen Weges. Nicht nur um die Lehre, sondern ums Leben. Kein Wunder, dass die Frage großen Streit auslöste: „Nach großer Aufregung und heftigen Auseinandersetzungen zwischen ihnen und Paulus und Barnabas beschloss man, Paulus und Barnabas und einige andere von ihnen sollten wegen dieser Streitfrage zu den Aposteln und Ältesten nach Jerusalem hinaufgehen“ (Apg 15,2). Es ist daher nicht verwunderlich, dass dann auch in Jerusalem „ein heftiger Streit entstand“ (Apg 15,7). Denn als sie alle beisammen waren, „erhoben sich einige aus dem Kreis der Pharisäer, die gläubig geworden waren, und sagten: Man muss sie beschneiden und von ihnen fordern, am Gesetz des Mose festzuhalten“ (Apg 15,5).
Der Konflikt um den Weg der Heidenchristen zeigt etwas ganz Wichtiges: Er wurde ausgesprochen. Er wurde offen benannt und offen ausgetragen. Diese Parrhesia erinnert mich an zwei Worte von Papst Franziskus, die er am Anfang und am Ende der außerordentlichen Synodensitzung vom vergangenen Oktober den Synodalen sagte: „Eine Grundbedingung dafür ist es, offen zu sprechen. Keiner soll sagen: ‚Das kann man nicht sagen, sonst könnte man ja schlecht über mich denken…‘ Alles, was sich jemand zu sagen gedrängt fühlt, darf mit Parrhesia [Freimut] ausgesprochen werden. Nach dem letzten Konsistorium (Februar 2014), bei dem über die Familie gesprochen wurde, hat mir ein Kardinal geschrieben: ‚Schade, dass einige Kardinäle aus Respekt vor dem Papst nicht den Mut gehabt haben, gewisse Dinge zu sagen, weil sie meinten, dass der Papst vielleicht anders denken könnte.‘ Das ist nicht in Ordnung, das ist keine Synodalität, weil man alles sagen soll, wozu man sich im Herrn zu sprechen gedrängt fühlt: ohne menschliche Rücksichten, ohne Furcht! Und zugleich soll man in Demut zuhören und offenen Herzens annehmen, was die Brüder sagen. Mit diesen beiden Geisteshaltungen üben wir die Synodalität aus.“.
Mit diesen beiden Haltungen kann es auch zu „heftigen Auseinandersetzungen“ kommen. So war es beim „Konzil von Jerusalem“, dem Apostelkonzil. So war es auch bei der Synode im vergangenen Oktober. In seiner Schlussansprache am 18. Oktober 2014 ist Papst Franziskus auch ausdrücklich auf diese durchaus spannungsgeladenen Diskussionen eingegangen:
„Ich persönlich wäre sehr besorgt und betrübt, hätte es diese Versuchungen [der Papst hatte fünf solche Versuchungen genannt] und diese emotionalen Diskussionen nicht gegeben; das sind Bewegungen des Geistes, wie sie der Heilige Ignatius nennt. Wir hätten alle einverstanden oder schweigsam in einem falschen und ruhigen Frieden bleiben können. Stattdessen habe ich mit Dank und Freude Beiträge und Diskussionen gehört, die voller Glauben sind, voller Einsatz für Pastoral und Lehre, voller Weisheit, Offenheit, Mut und Parrhesia (Freiheit des Wortes). Und ich habe wahrgenommen, dass uns das Wohl der Kirche, der Familien und das ‚höchste Gesetz‘ (suprema lex), das ‚Heil der Seelen‘ (salus animarum), vor Augen stand“ (cf. CIC Can. 1752).
Papst Franziskus ermutigt uns, die Auseinandersetzungen nicht zu fürchten, sie als dieses „movimento degli spiriti“ zu leben, als die treibende Kraft, die die Unterscheidung der Geister reifen lässt und die Herzen bereitet, das zu erkennen, was der Herr selber uns sagt, ja was er schon entschieden hat (vgl. Apg 15,7), was wir aber noch durch Gebet und durch die Mühen unserer Auseinandersetzung erkennen müssen.
Damit wende ich mich wieder der „Ursynode“, dem „Jerusalemer Konzil“ zu. Die wichtigste Lehre über den „synodalen Weg“ der Urkirche sehe ich im methodos, in der Art und Weise, wie die junge Kirche diesen dramatischen Konflikt gelöst hat. Sie haben nicht theologische Gutachten geschrieben, gegen die dann theologische Gegengutachten verfasst und vorgelegt würden. Die theologische Debatte ist wichtig und unerlässlich. Es gehört zum synodos, den Papst Franziskus begonnen hat, indem er das Thema „Ehe und Familie“ gewählt hat, dass eine intensive theologische Debatte in der ganzen Kirche ausgelöst wurde. Ich sehe darin einen echten Gewinn für die „organische Entwicklung“ der Lehre der Kirche. So heißt es im Katechismus der Katholischen Kirche:
„Dank des Beistands des Heiligen Geistes kann das Verständnis der Wirklichkeiten wie auch der Formulierungen des Glaubenserbes im Leben der Kirche wachsen:
‚aufgrund des Nachsinnens und des Studiums der Gläubigen, die sich in ihrem Herzen erwägen‘ (DV 8); ‚insbesondere, die theologische Forschung soll sich um eine tiefe Erkenntnis der geoffenbarten Wahrheit bemühen‘ (GS 62,7)
‚aufgrund der inneren Einsicht in die geistlichen Dinge, die sie erfahren‘ (DV8); ‚die göttlichen Worte wachsen mit den Lesenden‘ (Gregor d. Gr., hom. Ez. 1,7,8)
‚aufgrund der Verkündigung derer, die mit der Nachfolge im Bischofsamt die sichere Gnadengabe der Wahrheit empfangen haben‘ (DV 8)“ (KKK94).
So ist die theologische Debatte der letzten Monate ein wichtiger Beitrag zum Weg der Synode, wie ja auch das Werk des Zweiten Vatikanums nicht denkbar gewesen wäre, ohne die große Arbeit der Theologen in den Jahrzehnten vor dem Konzil und während des Konzils. Dass diese theologischen Debatten bisweilen auch mit einiger Verbissenheit, ja Verbitterung und nicht immer im Geist des aufeinander-Hörens und des sich-Bemühens, den anderen in seinen Anliegen zu verstehen geführt wurden und auch heute noch werden, gehört zu den klassischen Versuchungen, von denen Papst Franziskus am Schluss der außerordentlichen Sitzung der Synode gesprochen hat.
Die Urkirche hat aber eine andere Methode verwendet, um zu einer Entscheidung zu finden, um den Konflikt zu lösen. Diese Methode ist sicher auch für die theologische Debatte wichtig. Sie ist es noch mehr für das Gelingen des Synodalen Weges. Hören wir den Bericht der Apostelgeschichte:
„Die Apostel und die Ältesten traten zusammen, um die Frage zu prüfen. Als ein heftiger Streit entstand, erhob sich Petrus und sagte zu ihnen: Brüder, wie ihr wisst, hat Gott schon längst hier bei euch die Entscheidung getroffen, dass die Heiden durch meinen Mund das Wort des Evangeliums hören und zum Glauben gelangen sollen. Und Gott, der die Herzen kennt, bestätigte dies, indem er ihnen ebenso wie uns den Heiligen Geist gab. Er machte keinerlei Unterschied zwischen uns und ihnen; denn er hat ihre Herzen durch den Glauben gereinigt.
Warum stellt ihr also jetzt Gott auf die Probe und legt den Jüngern ein Joch auf den Nacken, das weder unsere Väter noch wir tragen konnten? Wir glauben im Gegenteil, durch die Gnade Jesu, des Herrn, gerettet zu werden, auf die gleiche Weise wie jene.“ (Apg 15, 6-11) Kurz gesagt: Petrus berichtet, was Gott selber getan und damit entschieden hat: Die Methode, die Petrus verwendet, ist das Erzählen der Taten Gottes. Wir können auch sagen: er berichtet, was er als Wirken Gottes erfahren hat. Daraus zieht er die Folgerungen. Sie sind nicht das Ergebnis theologischer Reflexionen, sondern aufmerksames Hinschauen und Hinhören auf Gottes Wirken.
Wie reagiert die „Synode“, die Versammlung, auf die Rede des Petrus? „Da schwieg die ganze Versammlung“ (Apg 15,12). Sie tun genau das, was Papst Franziskus uns in der Synode des vergangenen Jahres zu tun gebeten hatte: Petrus sprach mit Parrhesia. Und die Versammlung hörte zu „in Demut“. Das Zeugnis des Petrus wird nicht gleich in einer großen Debatte „zerpflückt“ und kritisiert. Sein Wort wird mit Schweigen aufgenommen, und kann somit „im Herzen erwogen“ werden (vgl. Lk 2,19.51). Wie wichtig ist dieses Schweigen und mit dem Herzen Hören! In dieser Haltung sind sie dann auch bereit, das Zeugnis von Paulus und Barnabas zu empfangen: „Da schwieg die ganze Versammlung. Und sie hörten Paulus und Barnabas zu, wie sie erzählten, welch große Zeichen und Wunder Gott durch sie unter den Heiden getan hatte“ (Apg 15,12).
Sie erzählten! Sie gaben keine theologische Abhandlung. Sie haben nicht abstrakt theoretisiert über das Heil der Heiden, sondern sie legten dar, was sie „gesehen und gehört“ haben (vgl. Apg 4,20). Was Petrus und Johannes vor dem Hohen Rat sagten, gilt umso mehr für die Versammlung der Kirche in Jerusalem: „Wir können unmöglich schweigen über das, was wir gesehen und gehört haben“ (Apg 4,20).
Auch das Zeugnis von Paulus und Barnabas lässt die Gemeinde zuerst einmal stehen: Es wird nicht gleich diskutiert, sondern gehört und im Herzen aufgenommen. „Als sie geendet hatten, nahm Jakobus das Wort und sagte: Brüder, hört mich an! Simon hat berichtet, dass Gott selbst zuerst eingegriffen hat, um aus den Heiden ein Volk für seinen Namen zu gewinnen“ (Apg 15,13f). Jakobus bestätigt, was bereits Petrus gesagt hat: Gott selber hat eingegriffen und die Sache entscheiden.
Als Autorität führt Jakobus Worte aus den Propheten an, die im Voraus bestätigen, was der Herr in diesen Tagen tut, „um aus den Heiden ein Volk für seinen Namen zu gewinnen“ (Apg 15,14). So stimmen Schrift und Erfahrung überein. Im Hören auf beide, die Schrift und die Erfahrung, erkennt die Versammlung den Weg und den Willen Gottes. So kommt es zum gemeinsamen Beschluss „der Apostel und der Ältesten zusammen mit der ganzen Gemeinde“ (Apg 15,22). Im Schreiben heißt es dann: „Der Heilige Geist und wir haben beschlossen, euch keine weiteren Lasten aufzuerlegen als diese notwendigen Ginge: Götzenopferfleisch, Blut, Ersticktes und Unzucht zu meiden“ (Apg 15,28f). Die Apostelgeschichte berichtet nun auch von der Rezeption der Beschlüsse von Jerusalem: „Die Brüder lasen den Brief und freuten sich über die Ermutigung (paraklêsei)“ (Apg 15,31). Schön, wenn das Ergebnis einer Synode die Gläubigen ermutigt! Nicht immer wurde das, was schließlich aus einer Synode hervorging, mit solcher Freude aufgenommen. Die Schlussfolgerungen: Mission, Zeugnis, Unterscheidung Ich bitte um Nachsicht, dass ich mich länger bei der Jerusalemer „Ursynode“ aufgehalten habe. Ich will versuchen, zum Schluss daraus drei Gedanken über den Weg der Bischofssynode zu formulieren. Die Orientierung an der Heiligen Schrift ist ja wesentlich für unseren „Synodos“, unseren gemeinsamen Weg. Ich fasse sie in drei Stichworte zusammen: Mission, Zeugnis, Unterscheidung.
1. Das innerste Ziel der Synode als Instrument der Umsetzung des II. Vatikanums kann nur die Mission sein. Die „Ursynode“ von Jerusalem hat die missionarische Dynamik der Urkirche ermöglicht, gefördert, ja gewaltig zum Blühen gebracht. Die fundamentale Erkenntnis, dass wir alle, Juden und Heiden, „durch die Gnade Jesu, des Herrn, gerettet wurden“ (Apg 15,11), hat den Heiden das Tor zur Kirche geöffnet.
Der Erfolg der Institution „Bischofssynode“ wird vor allem daran zu messen sein, ob sie „das Leben der Kirche und seinen missionarischen Geist“ (EG n.32) fördert. Die Bischofssynode kann einen fruchtbaren Anstoß geben für den anstehenden Übergang von einer „einfach erhaltenden Seelsorge“ zu einer „explizit missionarischen Seelsorge“ auf allen Ebenen der Kirche“ (EG n.15). Gewiss, die Bischofssynode ist kein Konzil. Sie soll dem Papst bei seinem Dienst für die Kirche unterstützen und gemeinsam mit ihm in der „Begeisterung für die Mission“ fördern, betonten sowohl der hl. Papst Johannes Paul II. (Redemptoris missio, 45), als auch Papst Franziskus (EG, 265).
2. Wie aber kann die Bischofssynode den Papst unterstützen in der gemeinsamen missionarischen Dynamik? Auch hier kann uns der Blick auf die „Ursynode“ von Jerusalem helfen. Seit fünfzig Jahren wurde immer wieder die Frage gestellt, ob die Synode nicht nur ein „voto consultativo“ (beratende Stimme) haben sollte, sondern auch ein „voto deliberativo“ (entscheidende Stimme). Papst Franziskus hat immer wieder betont, die Synode sei kein Parlament. Sie sei anderer Natur.
Der selige Papst Paul VI. hat die Bischofssynode als ein neues beratendes Organ auf der Ebene der ganzen Weltkirche eingesetzt. Gewiss, die Bischöfe als Mitglieder der Synode, repräsentieren ihre Ortskirchen, deren Leben, deren Freuden und Sorgen. In den Hirten ist immer auch das ganze Volk Gottes gegenwärtig. Aber die Bischöfe sind nicht Repräsentanten wie die Abgeordneten im Parlament. Diese Vertretung hat eine wesentlich andere Bedeutung in der kirchlichen Struktur und ist nach dem Prinzip der Gemeinschaft und des Glaubens bestimmt. Nun kann aber der Glaube nicht repräsentiert, sondern nur bezeugt werden. Genau das aber geschah damals in Jerusalem. Die Apostel haben Zeugnis gegeben von dem, was sie gesehen und gehört haben. Wenn ich einen Wunsch an den zukünftigen Weg der Bischofssynode äußern darf: Bitte nehmen wir Maß am Apostelkonzil! Reden wir weniger abstrakt und distanziert. Bezeugen wir einander, was der Herr uns zeigt und wie wir sein Wirken erfahren.
Ich durfte an der Synode über die Neuevangelisierung teilnehmen. Es gab viele interessante Beiträge. Aber kaum jemand hat davon Zeugnis gegeben, wie wir selber Mission und Evangelisierung erfahren. In Jerusalem haben Petrus, Paulus, Barnabas von ihren Zeugnissen und Erfahrungen gesprochen. Wir bleiben allzu oft in der Theorie, im „man sollte“ und „man müsste“, kaum einmal reden wir persönlich von unseren Missionserfahrungen. Darauf aber warten unsere Gläubigen!
3. Und genau das ist der entscheidende Punkt: In Jerusalem ging es nicht um Beratung oder Entscheidung, sondern um das Unterscheidende des Willens und Weges Gottes. Natürlich gehören heftige Diskussionen, ja sogar Streit und intensives Ringen zum synodalen Weg. So war es schon in Jerusalem. Aber Ziel der Debatten, Ziel der Zeugnisse ist das gemeinsame Unterscheiden des Willens Gottes. Auch dort, wo abgestimmt wird (wie am Ende jeder Synode), geht es nicht um Machtkämpfe, Parteibildungen (über die die Medien dann gerne berichten), sondern um diesen gemeinschaftlichen Prozess zur Bildung eines Urteils, wie wir es in Jerusalem gesehen haben. Im Ende kommt, so hoffen wir, nicht ein politischer Kompromiss heraus, auf einem niedrigen gemeinsamen Nenner, sondern dieser „Mehr-Wert“, den der Heilige Geist schenkt, sodass es am Schluss heißen kann: „Der Heilige Geist und wir haben beschlossen“ (Apg 15,28).
Ich schließe: Papst Franziskus hat von Anfang an gesagt, „die Reform der Strukturen, die für die pastorale Neuausrichtung erforderlich ist, kann nur in diesem Sinn verstanden werden: dafür zu sorgen, dass sie alle missionarischer werden, dass die gewöhnliche Seelsorge in all ihren Bereichen expansiver und offener ist, dass sie die in der Seelsorge Tätigen in eine ständige Haltung des „Aufbruchs“ versetzt und so die positive Antwort all derer begünstigt, denen Jesus seine Freundschaft anbietet. Wie Johannes Paul II. zu den Bischöfen Ozeaniens sagte, muss „jede Erneuerung in der Kirche […] auf Mission abzielen, um nicht in eine Art kirchlicher Introversion zu verfallen.“ Die Bischofssynode ist aus diesem Grunde da, um auf diesem Weg die Reifung im Dienste der Nachfolge Petri und ein überaus wertvolles Geschenk wofür wir den Heiligen Geist danken müssen, auf den der selige Papst Paul VI hingewiesen hat. Nun ist es fünfzig Jahre her.
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