Synode: Papst Franziskus und das „amerikanische Problem“ 22. Oktober 2015 16:55 | Mitteilung an die Redaktion
Erzbischof Chaput mit Papst Franziskus in Philadelphia (Rom) Die dreizehn am Mittwoch veröffentlichten Arbeitsgruppenberichte zum dritten Teil des Instrumentum laboris (mit den Themen wiederverheiratete Geschiedene und Homosexualität) lassen je nach Mehrheitsverhältnissen unterschiedliche Nuancierungen erkennen. Der Vatikanist Matteo Matzuzzi von Il Foglio stellte dazu einige Überlegungen an.
Es falle auf, daß die „Kasperianer“ in keiner Gruppe durchmarschieren konnten, nicht einmal in der deutschen, in der Kardinalpräfekt Müller Platz genommen hatte und das wohl nicht von ungefähr. An ihm kamen auch Marx und Kasper nicht vorbei. Kardinal Schönborn, dem „geborenen Diplomaten“ wie es in Wien heißt, fiel die Aufgabe zu, die gegensätzlichen Positionen so lange zu konjugieren, bis ein einstimmiges Dokument herauskam, das die „Kasperianer“ ziemlich schwach aussehen läßt.
Sie bringen alle ihre Anliegen vor, doch als einziger Hinweis zur konkreten Umsetzung wird nur die Nr. 84 aus Familiaris Consortio von Papst Johannes Paul II. genannt. Zwar wurde nur der erste Teil zitiert und der zweite, der wiederverheiratete Geschiedene, die sich aus „schwerwiegenden Gründen“ (wegen Kindern) nicht mehr trennen können, zur Josephsehe verpflichtet, weggelassen. Implizit ist er durch die Berufung auf die Nr. 84 jedoch mit dabei.
Haben „Kasperianer“ Synode bereits abgeschrieben und hoffen auf Franziskus?
Mit Kardinal Müller hatten die Kasperianer einen Gegenspieler, der sich nicht ins Bockshorn jagen läßt. Wie immer hinter verschlossener Tür die Dinge abgelaufen sein mögen, das deutsche Papier erklärt den Groll der Kasperianer, den sie gleich zu Beginn an Kardinal Pell abreagierten. Wahrscheinlicher ist, daß die Kasperianer die Hoffnung, in der Synode einen Durchbruch zu erzielen, bereits aufgegeben haben. Sie blicken auf Papst Franziskus. Er könnte das Blatt noch zu ihren Gunsten ändern. Wird er es tun? Und wenn ja wie? Wege und Möglichkeiten wurden in den vergangenen Wochen mehrere angesprochen oder zumindest angedeutet.
Die Synode, auch nicht die Papiere der dreizehn Arbeitsgruppen, liefern keine Handhabe oder gar Stütze, um die katholische Ehe- und Morallehre aufzuweichen oder umzudrehen. Der Papst, so er es wollte, täte sich schwer, diese synodale Orientierung einfach zu ignorieren. Das „amerikanische Problem“ des Papstes
Das größte Problem für das Kirchenoberhaupt kommt aus den USA, genau dem Land, dem er gerade einen Besuch abgestattet hatte. Das war absehbar. Es genügt, sich die Rede von Franziskus an die Bischöfe in der Kathedrale von Washington nachzulesen. Mit der Ernennung von Blaise Cupich zum Erzbischof von Chicago wurde die amerikanische Phalanx zwar etwas aufgelockert, mehr auch nicht. Cupich selbst, versuchte sich dankbar zu erweisen.
Auch außerhalb der Synode zeigt sich der US-Episkopat kämpferisch. Der Erzbischof von Newark, Msgr. John Myers, verschickte diese Woche an alle Priester seiner Diözese ein Schreiben, mit dem er ihnen strengstens untersagt, Gläubige, die sich in einer irregulären Position befinden (wie eben wiederverheiratete Geschiedene) oder Positionen im Widerspruch zur katholischen Lehre vertreten, zur Kommunion zuzulassen. Dazu gehören auch Abtreibungsbefürworter und Unterstützer von „Homo-Rechten“ oder „Homo-Ehe“. Das Schreiben hängt zwar unmittelbar mit den beginnenden Vorwahlen zu den Präsidentschafts- und Parlamentswahlen im kommenden Jahr zusammen, fällt aber auch mitten in die Synodenarbeiten in Rom.
Erzbischof Myers teilte auch unmißverständlich mit, daß er in seinem Jurisdiktionsbereich es nicht duldet, daß kirchliche Einrichtungen oder katholische Organisationen „Personen oder Organisationen“ Gastfreundschaft gewähren, „die der Lehre der Kirche widersprechen“. Eine Absage an Zusammenarbeit und Aktionsbündnissen bis zu Räumlichkeiten, die in Pfarreien zur Verfügung gestellt werden. Richtlinien, die helfen sollen, „den katholischen Glauben inmitten einer immer säkularisierteren Kultur zu bewahren und zu schützen“, so der Erzbischof. Auch in Rom lassen die amerikanischen Synodalen, zusammen mit den polnischen und afrikanischen, ihre Stimme deutlicher hören als früher. Vor allem fehlt ihnen die häufig nebelhaft-verschwommene kirchendiplomatische Sprache der Westeuropäer. Schärfste Kritik am Instrumentum laboris aus Nordamerika
Ein Beispiel ist der Erzbischof von Philadelphia, Msgr. Charles Chaput, der Gastgeber des jüngsten Weltfamilientreffens, an dem auch Papst Franziskus teilnahm. „Als oberster Hirte der katholischen Kirche“, so Chaput auf Papst Franziskus bezogen, „kann er auf den Rat [der Synodenväter] hören, ihn ignorieren oder etwas zwischen diesen beiden Wegen machen. Es wäre aber sonderbar, daß der Bischof von Rom nicht den Konsens seiner Brüder berücksichtigen würde“, da „die Synoden ja einen kollegialen Wert haben.“
Erzbischof Chaput war der Relator des Circulus Anglicus D, Moderator der kanadische Kardinal Collins, der zu den beiden Arbeitsgruppen gehört, die am schärfsten Kritik am päpstlich approbierten Instrumentum laboris übten. Die von Chaput und Collins geführte Arbeitsgruppe ließ den Papst und die Synode schwarz auf weiß wissen, daß „das Instrumentum laboris nicht die geringste Definition von Ehe bietet“ und, daß das „ein schwerwiegender Mangel ist, der den gesamten Text mehrdeutig“ macht. Eine vernichtendere Kritik am Papst und dem von ihm eingesetzten Synoden-Generalsekretariat ist kaum denkbar.
Daß die Synode sich letztlich auf eine Frage, die Zulassung der wiederverheirateten Geschiedenen zur Kommunion konzentriert, bestätigte einmal mehr Kardinal Marx, der im Plenum wiederholte, daß „die Möglichkeit, wiederverheirateten Geschiedenen den Zugang zum Sakrament der Buße und der heiligen Kommunion zu erlauben, ernsthaft in Betracht gezogen werden sollte“, wenn er auch die Einschränkung hinzufügte, daß dies auf Einzelfälle bezogen und nicht als generelle Regelung zu verstehen sei. Der Dominikaner Jean-Paul Vesco, Bischof von Oran in Algerien, sekundierte. Es werde immer Ehen geben, die scheitern. Man müsse „der Realität in die Augen sehen“.
Der daraus abgeleiteten Schlußfolgerung widersprach energisch Kardinal Marc Ouellet, der Präfekt der römischen Bischofskongregation, ein Mann, der seine Worte genau wiegt und grundsätzlich wenig öffentliche Stellungnahmen abgibt. Doch in der Synodenaula wurde er deutlich und wiederholte seine Position auch gegenüber Radio Vatikan: „Die Position von Familiaris Consortio ist die überlieferte Lehre der Kirche, bestätigt von Johannes Paul II. und Benedikt XVI. (…) Wenn ein Eheband sakramental und damit unauflöslich ist, dann können wir [wiederverheirateten Geschiedenen] nicht den Zugang zu den Sakramenten gewähren, ohne die Lehre zu ändern, weil das der zentrale doktrinelle Punkt ist.“
Westeuropa und Nordamerika bilden zwei Teile des sogenannten Westens, wie er durch bzw. nach dem Zweiten Weltkrieg entstanden ist. Und doch unterscheiden sich die beiden Teile deutlich voneinander. Text: Giuseppe Nardi Bild: MiL
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