EKD-Studie29. Oktober 20152 Jeder zweite Konfessionslose ist „überzeugt atheistisch“
Der Leiter des Sozialwissenschaftlichen Instituts der EKD, Prof. Gerhard Wegner. Foto: PR Berlin (idea) – Was glauben Konfessionslose? Mit dieser Frage beschäftigt sich eine Studie des Sozialwissenschaftlichen Instituts der EKD, die bei der Jahrestagung des Instituts am 29. Oktober in Berlin vorgestellt wurde. Dafür wurden 1.002 Konfessionslose im Kirchenkreis Lichtenberg-Oberspree (in Ost-Berlin und Brandenburg) befragt
. Der Studie zufolge bezeichnen sich 49,2 Prozent der Befragten als „überzeugt atheistisch“ und 27,5 Prozent gaben an, dass Glaubensfragen für sie keinerlei Bedeutung haben. 11,7 Prozent bekundeten, dass sie an ein „höheres Wesen oder eine geistige Macht“ glauben, 11,7 Prozent sagten aus, dass sie „zumindest etwas religiös“ seien.
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75 Prozent hatten schon Kontakt zur Kirche
Gefragt wurde auch danach, ob Konfessionslose schon einmal Kontakt mit der evangelischen Kirche hatten. Das war bei 75 Prozent der Befragten der Fall. 41,4 Prozent hatten eine Kirche besichtigt, 32,7 Prozent hatten anlässlich einer Kasualie (Taufe, Hochzeit, Beerdigung) einen Pfarrer getroffen und 27,3 Prozent an einem Weihnachtsgottesdienst teilgenommen. 24,2 Prozent gaben an, bereits ein Kirchenkonzert besucht zu haben. 44 Prozent bekundeten, einen positiven Eindruck von der evangelischen Kirche gewonnen zu haben, 37 Prozent sagten „teils/teils“, 11,5 Prozent hatten einen schlechten Eindruck, 7,4 Prozent machten keine Angabe.
Der Studie zufolge hatten 87 Prozent der über 70-Jährigen Kontakt zur Kirche; bei den 18- bis 29-jährigen war dies nur bei 62 Prozent der Fall.
Nur 10 Prozent kennen die Kirchengemeinde vor Ort
Kaum bekannt ist bei Konfessionslosen die Kirchengemeinde im eigenen Stadtteil: Nur 10,6 Prozent hatten schon einmal Kontakt zu ihr. 21,6 Prozent haben zumindest schon mal davon gehört oder gelesen und 67,8 Prozent wissen nichts über die Ortsgemeinde. Gering fällt auch das Interesse an Veranstaltungen und Angeboten der Ortsgemeinde aus: Nur 13,7 Prozent sind dafür offen, 17,8 Prozent äußerten „vielleicht“, 17,1 Prozent „eher nicht“ und 51,4 Prozent haben „ganz sicher“ kein Interesse.
Religionssoziologe: Konfessionslose sind jünger, gebildeter und überwiegend männlich
Der Religionssoziologe Prof. Detlef Pollack (Münster) stellte Zahlen zur Konfessionslosigkeit im internationalen Vergleich vor. Danach sind in Estland 87 Prozent konfessionslos, in den Niederlanden 65 Prozent, in Tschechien 60 Prozent, in Frankreich 51 Prozent, in Großbritannien 45 Prozent, in Italien 18 Prozent, in den USA 16 Prozent und in Polen vier Prozent. Während 75 Prozent der Ostdeutschen sich zu keiner Religion bekennen, sind es in Westdeutschland nur 22 Prozent. Pollack zufolge sind Konfessionslose in Ostdeutschland im Vergleich zu Kirchenmitgliedern jünger, überwiegend männlich, leben vor allem in Städten und weisen ein höheres Bildungsniveau auf. Zudem seien sie kaum für den christlichen Glauben zu gewinnen: „Wer in Ostdeutschland konfessionslos ist, der bleibt es in der Regel auch.“
Die Weitergabe des Glaubens von Generation zu Generation funktioniert nicht mehr
Nach Pollacks Beobachtung funktioniert die Weitergabe des christlichen Glaubens von einer Generation zur nächsten nur noch eingeschränkt. Die Familie als wichtigste religiöse Sozialisationsinstanz sei dazu häufig nicht mehr in der Lage. In der Folge erlebe die Kirche eine „Erosion“. Häufigste Gründe für den Austritt aus der Kirche seien die Ersparnis von Kirchensteuern und der Verlust des Glaubens. Seltener seien Kritik an der Kirche oder der Ärger über eine kirchliche Stellungnahme oder den Pfarrer der Anlass. Der Eintritt in die Kirchen komme am häufigsten bei über 50-jährigen vor. Häufigste Motive dafür seien der Wunsch, kirchlich bestattet zu werden, die Taufe der eigenen Kinder oder ein Ehepartner, der bereits Kirchenmitglied ist.
Keine großen Unterschiede zwischen Konfessionslosen und Kirchenmitgliedern
Nach Worten des Leiters des Sozialwissenschaftlichen Instituts der EKD, Prof. Gerhard Wegner (Hannover), gibt es in den wichtigsten Lebensbereichen – Familie, Freunde, Arbeit, Freizeit – zwischen Konfessionslosen und Kirchenmitgliedern keine großen Unterschiede. Konfessionslosen fehle „zunächst erst mal gar nichts“. Ihr Leben könne genauso gelingen wie das religiöser Menschen. Gemeinsam sei allen Menschen, dass sie nach Sinn suchten. Insofern könne man auch Konfessionslose als religiös verstehen. Allerdings stoße man bei Umfragen immer wieder auf Menschen, die sich selbst ausdrücklich als nicht-religiös beschreiben. Wegner empfahl, den Begriff „konfessionslos“ nicht mehr zu verwenden, da er einen Mangel nahelege. Allerdings sei noch kein geeigneter Ersatz für den Begriff gefunden.
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