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  • 16.11.2015 16:48 - Merkels Schwäche, Gabriels Chance
von esther10 in Kategorie Allgemein.

b]13.11.2015 14:50
Merkels Schwäche, Gabriels Chance
Die Kanzlerin gerät in der Flüchtlingskrise auch in der eigenen Partei in die Defensive – Das bringt die SPD auf. Von Martina Fietz
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Angela Merkel kennt Thomas de Maiziere seit Beginn ihrer politischen Laufbahn. In der Flüchtlingskrise wird der Innenminister zum Problem für die Kanzlerin.


Aus der Perspektive der Kanzlerin betrachtet, muss Deutschland zaudernd wirken und inkonsequent. Da hat sie dem Flüchtlingsmädchen Reem im Juli erklärt, dass nicht alle Menschen auf der Flucht in Deutschland Aufnahme finden können, und ihr wurde Kaltherzigkeit nachgesagt. Dann entscheidet sie Anfang September in einer hochbrisanten Lage, dass Flüchtlinge aus Ungarn, die auf der Autobahn unterwegs waren, aufgenommen würden, und das gilt als Signal für einen massiven Zuwanderungsstrom, der sich tatsächlich längst in Bewegung gesetzt hatte. Was Angela Merkel davon hält, ist in einem etwas verschwurbelten Satz zum Ausdruck gebracht: „Ich muss ganz ehrlich sagen, wenn wir jetzt anfangen, uns noch entschuldigen zu müssen dafür, dass wir in Notsituationen ein freundliches Gesicht zeigen, dann ist das nicht mein Land.“ Das war Ende September.

Nun im November 2015 muss die CDU-Politikerin erkennen, dass sie ihr Land wohl tatsächlich überschätzt hat. Nach dem aktuellen Politbarometer sind nur noch 43 Prozent der Deutschen der Auffassung, dass Merkel in der Flüchtlingspolitik gute Arbeit abliefere. 52 Prozent halten ihre Politik für eher schlecht. Dazwischen liegen allerdings auch Wochen der Unentschlossenheit und Zögerlichkeit. In der Rückschau muss Merkel sich und ihrer Regierung auch Fehler eingestehen.

Diese sind aber an anderer Stelle zu verorten als in der landläufig vorgebrachten Kritik, die Grenzen hätten einfach wieder abgesichert werden müssen. Die Frage nach dem Wie einer solchen Aktion wird dabei gern ausgeblendet. Noch heute fragt die Kanzlerin gern nach dem Szenario: Sollte man die Flüchtlinge an der deutschen Grenze zurückweisen und das Problem nach Österreich verlagern? Was macht man an der grünen Grenze? Und vor allem: Wie setzt man die Grenzsicherung durch? Mit Waffengewalt? Merkel hat seinerzeit eine politische Entscheidung getroffen, eine humane außerdem. Mittlerweile muss sie erkennen, dass sie dafür immer weniger Unterstützung bekommt – auch aus dem eigenen Lager.

Für die problematische Entwicklung gibt es mehrere Gründe: Ihr Innenminister hat sich nicht wirklich als Krisenmanager gezeigt. Dass Merkel ihren Kanzleramtsminister Peter Altmaier zum Koordinator für die Flüchtlingspolitik ernannt hat, kommt einem Misstrauensvotum gegen Thomas de Maiziere gleich. Es ist eine Ironie der Entwicklung, dass ausgerechnet er inzwischen für viele in der Union als Garant für die Rückkehr zu einem geordneten Verfahren angesehen wird.

Dabei stellt sich durchaus die Frage, ob es klug war, kurz nach dem mühsam errungenen Koalitionskompromiss vom vorletzten Donnerstag mit dem Thema Familiennachzug ein neues Problem in den Fokus zu rücken. Aus Sicht Merkels war damit die nach langem Streit errungene Einigkeit leichtfertig zunichte gemacht. Mehr noch: Die Entwicklung führte dazu, dass die CDU-Gremien einen Beschluss fassten, der sich als Absage an den Kurs der Parteichefin liest. Die Erklärung, eine Begrenzung des Familiennachzugs sei gemeinsames Ziel, ist ein bemühtes, aber wenig wirkungsvolles Unterfangen, Einigkeit zu demonstrieren.

Erschwerend kommt hinzu, dass auch Altmaier durch die überraschende Aktion von de Maiziere kalt erwischt wurde. Seine Einlassungen, das Kanzleramt habe von einem Stopp des Familiennachzugs für Syrer nichts gewusst, war ursprünglich gedacht, um Ruhe in die Diskussion zu bringen. Der Innenminister erschien isoliert und noch einmal geschwächt. Doch wendete sich das Blatt. Am Ende stand das Kanzleramt isoliert da. Das schwächt Altmaier in seiner Koordinatoren-Rolle, die ohnehin schwieriger wird als zunächst erwartet. Denn die Länder und Kommunen werden zunehmend panischer angesichts der Tatsache, dass kein Ende des Flüchtlingszuzugs in Sicht ist. Doch damit nicht genug: Merkel dürfte wenig überrascht haben, dass die CSU der Forderung de Maizieres schnell beisprang. Dass allerdings auch Wolfgang Schäuble sich auf seine Seite stellte, gab der Angelegenheit eine neue, eine kritische Dimension.

Denn erstmals ist damit eine Führungsfigur auf den Plan getreten, hinter der sich diejenigen sammeln können, denen die Flüchtlingspolitik der Kanzlerin nicht gefällt. Schäuble hatte sich bislang wohl dosiert skeptisch eingelassen, war nie offensiv aufgetreten in seiner Kritik wie Horst Seehofer. Genau dadurch aber unterstellt man ihm Besonnenheit, die zusammen mit seiner langjährigen Erfahrung positiv wirkt in der öffentlichen Wahrnehmung. Nicht von ungefähr liegt der Finanzminister mittlerweile auf Platz eins der wichtigsten zehn Politiker, Merkel dagegen nur noch auf Rang vier.

Schäuble wird mittlerweile als einzigem eine Nachfolge Merkels zugetraut. Keine Frage, dass er sich selbst als fähig ansieht, die Regierungsgeschäfte zu führen. Schließlich stand er schon 1998 bereit, Helmut Kohl zu beerben. Merkel hat maßgeblich dazu beigetragen, dass Schäuble in der Nach-Kohl-Ära seine Karrierepläne beiseitelegen musste. Als Generalsekretärin fegte sie den damaligen CDU-Vorsitzenden aus dem Amt. Sie verhinderte auch, dass Schäuble Bundespräsident wurde. Zwar haben beide im Laufe der zehnjährigen Kanzlerschaft von Merkel zu einem guten Arbeitsklima gefunden. Schäuble zeigte sich stets loyal. Eine persönliche Verbundenheit wie zu de Maiziere, den sie aus den Anfängen ihrer politischen Arbeit kennt, gab es allerdings nicht. Nun stehen der Loyale und der Vertraute inhaltlich gegen ihre Position. Das schwächt mehr als jeglicher Druck, den die CSU aufbauen könnte, und aller Widerspruch von Seiten des Koalitionspartners.

Abgesehen davon bläst Merkel der Wind von der Parteibasis entgegen. Das bekam sie massiv bei Parteiveranstaltungen zu spüren, auf denen ihr „Jetzt reicht's“-Parolen entgegengehalten wurden. Das erlebte sie außerdem in der Unionsfraktion. Schon in der Griechenland-Frage hatte sich Widerstand formiert. Doch blieb der in verkraftbaren Grenzen. Bis zur Sommerpause nämlich stand die Kanzlerin unangefochten da. Sie erfreute sich hoher Beliebtheitswerte und saß so fest im Sattel, dass aus der SPD bereits die Frage gestellt wurde, ob die Sozialdemokraten 2017 überhaupt mit einem eigenen Kanzlerkandidaten antreten sollten. Doch diese Gewissheit liefert Merkel nun nicht mehr. Und damit ist sie für die Mandatsträger der Union auch kein Garant mehr für einen sicheren Wiedereinzug in den Bundestag. Das lockert Loyalitäten und stärkt den Reiz zum Widerspruch.

Und natürlich führt die Entwicklung auch beim Koalitionspartner zum Umdenken. Merkel kann sich sicher sein, dass die SPD derzeit das Bündnis nicht auflösen würde. Dazu steht die Partei von Sigmar Gabriel in den Umfragen zu schlecht da. Rot-Rot-Grün ist keine Option, da sich eine Reglementierung des Flüchtlingsstroms, den auch die SPD mittlerweile für notwendig hält, mit Grünen und Linken noch schwieriger würde umsetzen lassen als mit einer Kanzlerin, die sagt, das Asylrecht kenne keine Obergrenze.

Allerdings eröffnet Merkels Schwäche dem SPD-Vorsitzenden neue Chancen. Nicht ohne Grund hat Gabriel unlängst erklärt, natürlich wolle er Kanzler werden. Dabei dürfte er die FDP in den Blick nehmen. Die Liberalen erholen sich allmählich von ihrem Absturz im Jahre 2013. Der Union und speziell Merkel fühlen sie sich nicht mehr verpflichtet. Aus FDP-Sicht spräche also nichts gegen eine Ampel-Koalition. Doch hinter den Kulissen wird auch an dem rot-rot-grünen Projekt weitergedacht – nicht zuletzt in der Hoffnung, dass die Super-Linke Sarah Wagenknecht durch ihre neue Rolle als Fraktionsvorsitzende auf einen realpolitischeren Kurs gebracht werden könnte.

Ist Angela Merkel also in Gefahr, ihr Amt zu verlieren? 79 Prozent der Deutschen glauben das nicht, wie das Politbarometer ermittelte. Tatsächlich ist die CDU eher staatstragend und weitaus skrupulöser als beispielsweise die SPD, einen Kanzler zu stürzen. Trotzdem: Die Entwicklung der vergangenen zwei Wochen hat Merkels Stellung in rasantem Tempo verändert. Sie ist nicht mehr unangefochten. Das reduziert auch ihren Einfluss in Europa. Den würde sie allerdings dringend brauchen angesichts des Widerstandes gegen eine gemeinsame Flüchtlingspolitik. Hier zeigt sich übrigens deutlich eine Fehleinschätzung der Kanzlerin. Sie hatte tatsächlich auf Solidarität in der Europäischen Gemeinschaft gesetzt.

Wer Merkel in diesen Tagen erlebt, findet dennoch keine nervöse oder zerknirschte Regierungschefin vor. Im Gegenteil: Sie wirbt ruhig und nachdrücklich für ihren Kurs, den sie nach wie vor als alternativlos ansieht. Möglicherweise gelingt ihr dies vor dem Hintergrund einer persönlichen Unabhängigkeit. Angela Merkel mag die Macht, um gestalten zu können. Aber sie braucht sie nicht für ihr eigenes Leben.[/b]



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