16.11.2015 15:10 Leitartikel: Konsequenzen nach Paris Von Markus Reder ANZEIGE:
Ändert Paris alles? Hoffentlich nicht. Sonst hätte der Terror des „Islamischen Staates“ bereits eines seiner Ziele erreicht. Die Anschläge des IS zielen ja gerade darauf ab, den Westen zu destabilisieren und unser Verständnis von Demokratie, Rechtsstaatlichkeit, Menschenwürde und Humanität in die Luft zu jagen. Deshalb ist es wichtig, den internationalen Terror ge- und entschlossen zu bekämpfen. Mit militärischen Mitteln und sicherheitspolitischen Maßnahmen allein wird das nicht gelingen. Auch das ist eine bittere Erkenntnis aus jenem blutigen 13. November. Vierzehn Jahre nach dem 9. September 2001 ist der radikale Islam keineswegs so geschwächt, dass er nicht jederzeit auch im Westen zuschlagen könnte.
Die schärfste Waffe im Arsenal des Terrors ist die Angst. Ihr gilt es zu widerstehen. Wo sich die Angst als Saat der Radikalen in Hirn und Herz frisst, da hat der Terror bereits gesiegt. Daher ist es richtig, die Fußball-EM in Frankreich nicht in Frage zu stellen. Deshalb ist es noch viel wichtiger, dass das Heilige Jahr wie geplant stattfindet. Es wäre ein fürchterliches Signal gewesen, hätte Rom auch nur eine Sekunde Zweifel daran gelassen. Dieses Heilige Jahr der Barmherzigkeit und der Versöhnung findet mitten in einem Weltkrieg statt. Präsident Hollande war nicht der erste, der nach der Terrornacht von Paris das drastische Wort vom Krieg wählte, als er die gnadenlose Reaktion Frankreichs ankündigte. Schon lange vor dem Massaker in Frankreich hatte Papst Franziskus von einem dritten Weltkrieg gesprochen. Nicht nur einmal, sondern mehrfach. Im Juni etwa hatte er in Sarajevo mit Blick auf die aktuellen Konflikte gesagt: „Es ist eine Art dritter Weltkrieg, der stückweise geführt wird, und im Bereich der globalen Kommunikation nimmt man ein Klima des Krieges wahr.“ Einige Menschen wollten dieses Klima absichtlich schüren und suchten den Zusammenstoß verschiedener Kulturen. Das Bewusstsein für diesen Weltkrieg war in Europa lange unterentwickelt. Erst als die Folgen dieses Krieges in der Gestalt von Millionen von Flüchtlingen vor der eigenen Haustüre standen, war man gezwungen, genauer hinzusehen. Nun zeigen die Anschläge von Paris: Der radikale Islam führt weltweit Krieg. Nicht nur in Syrien, im Irak oder in Afghanistan, sondern auch in Europa.
In den Worten „Wir sind Paris“ findet die Solidarität mit den Opfern in diesen Tagen ihren Ausdruck. Das ist eine wertvolle Geste. Doch die Barbarei von Paris ist in Aleppo Alltag. Darauf hat der Präsident des Europaparlaments, Martin Schulz, hingewiesen. Was sich da in Paris ereignt hat, genau das ist die Ursache für die Flucht aus Syrien und dem Irak. Wer vor eben jenem Terror des IS geflohen ist, der in Paris seine bestialische Fratze gezeigt hat, der darf in Europa nicht erneut Opfer werden, indem Flüchtlinge pauschal unter Terrorverdacht geraten. Die bittere Wahrheit ist ohnehin: Der Terror wird nicht erst importiert, er ist längst da. In den Vorstädten Frankreichs, aber auch in Hinterhöfen bei uns. Das macht die Frage, wie damit umzugehen ist und was das für die innere Sicherheit im Zusammenhang mit den Flüchtlingsströmen bedeutet, freilich nur noch drängender. Humanität darf nicht mit Naivität verwechselt werden. Würde aber die Angst vor dem Terror den Primat der Humanität in Frage stellen, hätte der Terror des IS in Europa bereits eine entscheidende Schlacht gewonnen. Auch die islamische Welt muss auf das Massaker von Paris reagieren. Wie konsequent sie sich gegenüber jenen Bestien verhält, deren Blutspur vom Nahen Osten bis Europa reicht, entscheidet maßgeblich den Kampf gegen diese entsetzliche Pathologie der Religion und prägt das Bild des Islam in der Weltöffentlichkeit.
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