„Wie heißt die Tür Gottes? Jesus!“ Generalaudienz von Mittwoch, dem 18. November 2015 -- Volltext
Vatikanstadt, 18. November 2015 (ZENIT.org) Redaktion
Wir dokumentieren im Folgenden in einer eigenen Übersetzung die vollständige Katechese von Papst Franziskus bei der heutigen Generalaudienz auf dem Petersplatz.
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Die Familie – 33. Die aufnehmende Tür
Liebe Brüder und Schwestern, guten Tag!
Wir sind mit unseren Betrachtungen nun an der Schwelle des Heiligen Jahres angekommen; es ist nun schon ganz nah. Vor uns ist eine Tür; aber ich meine nicht nur die Heilige Pforte, sondern jene andere Tür: die große Tür der Barmherzigkeit Gottes – eine schöne Tür! – die unsere Reue aufnimmt und uns die Gnade der Vergebung schenkt. Die Tür ist auf großzügige Weise geöffnet, aber wir brauchen ein wenig Mut, um ihre Schwelle zu überschreiten. Jeder von uns trägt in sich Dinge, die ihn belasten. Wir alle sind Sünder! Lasst uns diesen Augenblick nutzen und die Schwelle dieser Barmherzigkeit Gottes überschreiten! Er wird nie müde, zu vergeben und auf uns zu warten. Er schaut uns an und ist immer bei uns. Nur Mut! Lasst uns eintreten durch diese Tür!
Von der Bischofssynode, die wir im vergangenen Monat Oktober gehalten haben, empfangen alle Familien sowie die Kirche in ihrer Gesamtheit eine Aufforderung, sich auf der Schwelle dieser offenen Tür zu begegnen. Die Kirche ist aufgefordert worden, ihre Türen zu öffnen, um mit dem Herrn hinauszugehen zu ihren Töchtern und Söhnen, die unterwegs sind, manchmal verunsichert und zögernd in diesen schweren Zeiten. Die christlichen Familien sind ganz besonders aufgefordert worden, die Tür zu öffnen für den Herrn, der geduldig wartet, eingelassen zu werden, um seinen Segen und seine Freundschaft zu bringen. Und wenn die Tür der göttlichen Barmherzigkeit immer offen steht, dann müssen auch die Türen unserer Kirchen, Gemeinden, Pfarreien, Institutionen und Diözesen offen stehen, damit wir alle hinausgehen und diese Barmherzigkeit Gottes überbringen können. Das Heilige Jahr erkennt man an der offenen Tür der Barmherzigkeit Gottes, aber auch an den vielen kleinen Türen unserer Kirchen, die geöffnet sind, um den Herrn hineinzulassen – oft auch, um den Herrn herauszulassen, der in unseren Strukturen und unserem Egoismus eingesperrt ist.
Der Herr bricht die Tür niemals auf: er bittet um Einlass. Im Buch der Offenbarung lesen wir: „Ich stehe vor der Tür und klopfe an. Wer meine Stimme hört und die Tür öffnet, bei dem werde ich eintreten und wir werden Mahl halten, ich mit ihm und er mit mir“ (Offb 3,20). Stellen wir uns doch den Herrn vor, wie er an die Tür unseres Herzens klopft! Und in der letzten großen Vision dieses Buches der Offenbarung wird über die Stadt Gottes gesagt: „Ihre Tore werden den ganzen Tag nicht geschlossen“; was bedeutet, dass sie immer geöffnet bleiben, denn: „Nacht wird es dort nicht mehr geben“ (Offb 21,25). Es gibt Gegenden auf dieser Welt, in denen die Türen nicht abgeschlossen werden; es gibt sie wirklich noch. Aber es gibt auch viele Gegenden, in denen Sicherheitstüren normal geworden sind. Wir dürfen uns nicht mit dem Gedanken abfinden, dieses System auf alle Bereiche unseres Lebens anzuwenden; auf das Leben der Familien, der Städte und Gesellschaften. Vor allem nicht auf das Leben der Kirche. Das wäre furchtbar! Eine Kirche ohne Gastfreundschaft wäre, genau wie eine in sich selbst abgeschottete Familie, eine Demütigung des Evangeliums und würde die Welt unfruchtbar machen. Keine Sicherheitstüren in der Kirche, nie! Alles offen lassen!
Die symbolische Verwaltung der „Türen“ – Schwellen, Kanäle, Grenzübergänge – ist heute sehr wichtig geworden. Eine Tür muss natürlich behüten; sie darf aber nicht abweisen. Umgekehrt darf man eine Tür auch nicht einrennen; man muss um Einlass bitten, denn die Gastfreundschaft glänzt in der freien Aufnahme und wird durch gewaltsames Eindringen verdüstert. Man muss die Tür häufig aufmachen, um nachzuschauen, ob draußen vielleicht jemand steht, dem vielleicht der Mut oder sogar die Kraft fehlt, um anzuklopfen. Wie viele Menschen haben ihre Zuversicht verloren und haben nicht mehr den Mut, an unsere christlichen Herzen und an die Türen unserer Kirchen anzuklopfen… Sie stehen da, haben keinen Mut mehr, wir haben ihnen die Zuversicht genommen: bitte, lasst dies nicht geschehen! Eine Tür kann uns viel über das Haus erzählen, und auch über die Kirche. Wer die Tür verwaltet, muss gut unterscheiden können, aber auch Vertrauen einflößen. Ich will ein Wort des Dankes an alle Verwalter von Türen richten: an unsere Hausmeister, aber auch an unsere Zivilbehörden und auch an die Pfarrer unserer Kirchen. Oft vermittelt uns die Freundlichkeit und Aufmerksamkeit der Türhüter schon am Eingang ein Gefühl für die Aufnahmebereitschaft des ganzen Hauses. Wir können viel von diesen Männern und Frauen lernen, die die Hüter der Begegnungs- und Aufnahmeorte dieser menschlichen Wohnorte sind. Euch allen, die ihr Türen bewacht, ob es nun die Türen von Häusern oder von Kirchen sind, gilt mein herzlicher Dank! Habt immer ein Lächeln auf den Lippen, zeigt die Aufnahmebereitschaft eures Hauses, eurer Kirche, damit die Menschen sich bei euch glücklich und willkommen fühlen.
In Wahrheit wissen wir, dass wir selbst die Hüter und Diener der Tür Gottes sind; und wie heißt diese Tür Gottes? Jesus! Er gibt uns Auskunft über alle Türen des Lebens, inklusive der Tür unserer Geburt und unseres Todes. Er selbst hat es uns gelehrt: „Ich bin die Tür; wer durch mich hineingeht, wird gerettet werden; er wird ein- und ausgehen und Weide finden“ (Joh 10,9). Jesus ist die Tür, die uns ein- und ausgehen lässt. Denn der Schafstall Gottes ist ein Zufluchtsort, kein Gefängnis! Das Haus Gottes ist ein Zufluchtsort, kein Gefängnis; und die Tür heißt Jesus! Und wenn die Tür verschlossen ist, müssen wir nur sagen: „Herr, lass uns ein!“ Jesus ist die Tür; er lässt uns ein- und austreten. Nur Diebe versuchen, die Tür zu umgehen. Diebe versuchen immer, auf anderen Wegen hineinzugelangen; durch das Fenster oder über das Dach, aber sie meiden die Tür, weil sie böse Absichten haben. Wenn sie in den Schafstall Gottes eindringen, dann deshalb, weil sie die Schafe täuschen und ausnutzen wollen. Wir aber müssen über die Tür eintreten und auf die Stimme Jesu horchen: Wenn wir seine Stimme wiedererkennen, dann sind wir in Sicherheit, sind wir gerettet. Dann können wir ohne Sorge ein- und ausgehen. In dieser schönen Rede Jesu wird auch der Türhüter erwähnt, der die Aufgabe hat, dem Hirten aufzumachen (vgl. Joh 10,2). Wenn der Türhüter auf die Stimme des Hirten hört, dann wird er ihm die Tür öffnen und alle Schafe hineinlassen, die der Hirte mitgebracht hat; alle, auch die, die sich in den Wäldern verlaufen hatten und die der Hirte zurückgeholt hat. Die Schafe sucht sich nicht der Türhüter aus; nicht der Pfarramtssekretär sucht sich seine Schafe aus, sondern der Gute Hirte ist es, der die Schafe aussucht und mitbringt. Der Türhüter, auch er, hört auf die Stimme des Hirten. Wir können ruhig sagen, dass wir sein müssen wie dieser Türhüter. Die Kirche ist die Türhüterin des Hauses des Herrn; sie ist nicht die Eigentümerin des Hauses.
Die Heilige Familie von Nazareth weiß nur zu gut, was eine offene oder geschlossene Tür für jemanden bedeutet, der ein Kind erwartet, eine Unterkunft braucht oder vor einer Gefahr flieht. Mögen alle christlichen Familien die Schwelle ihres Hauses in ein kleines Sinnbild der großen Tür der Barmherzigkeit und der Aufnahmebereitschaft Gottes verwandeln. Denn daran soll man die Kirche überall auf der Welt erkennen können: dass sie die Türhüterin eines Gottes ist, der anklopft, die Aufnahmestelle eines Gottes, der niemandem die Tür ins Gesicht schlägt mit der Begründung, er gehöre nicht ins Haus. Mit diesem Geist wollen wir uns dem Heiligen Jahr nähern: Es wird da eine Heilige Pforte geben, aber auch die Tür der großen Barmherzigkeit Gottes! Möge auch die Tür unseres Herzens offenstehen, damit wir alle die Vergebung Gottes empfangen und unsererseits Vergebung schenken können und alle aufnehmen, die an unsere Tür klopfen.
AUFRUF DES HEILIGEN VATERS
Übermorgen wird der „Welttag der Rechte des Kindes“ begangen. Es ist unser aller Pflicht, die Kinder zu schützen und ihr Wohl jedem anderen Interesse vorzuziehen, damit sie nie misshandelt und ausgebeutet werden. Ich wünsche mir, dass die internationale Gemeinschaft aufmerksam über die Lebensbedingungen der Kinder wachen möge, besonders dort, wo sie der Rekrutierung durch bewaffnete Gruppen ausgesetzt sind, und dass sie den Familien helfen möge, jedem Kind sein Recht auf Schule und Ausbildung zu garantieren.
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Am 21. November erinnert die Kirche an den Tempelgang der heiligen Jungfrau Maria. Bei dieser Gelegenheit wollen wir dem Herrn für das Geschenk der Berufung all jener Männer und Frauen danken, die in Klöstern und Einsiedeleien ihr Leben Gott geweiht haben. Damit die Klausurgemeinschaften ihre wichtige Mission im Gebet und in der stillen Arbeit vollbringen können, wollen wir ihnen unsere geistige und materielle Nähe nicht fehlen lassen.
(18. November 2015) © Innovative Media Inc.
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