23.11.2015 15:30 Auf schwelender Glut Papst Franziskus reist am Mittwoch nach Kenia, Uganda und in die Zentralafrikanische Republik. Ein Überblick. Von Carl-H. Pierk
Verzweifelte Drohung: Wegen Protesten gegen die Regierung brennen in Burundi wieder die Barrikaden – und Gewalt eskaliert.
Es ist die fünfte apostolische Reise außerhalb Italiens, die Papst Franziskus am 25. November nach Afrika führt. Kenia, Uganda und die Zentralafrikanische Republik wird der Papst in fünf Tagen besuchen und am 30. November wieder in den Vatikan zurückkehren. Weil es sich hierbei um Länder handelt, die Terrorszenarien kennen und die von Flüchtlingsproblemen betroffen sind, soll die Afrikareise, wie die Vatikanzeitung „Osservatore Romano“ in ihrer Samstagsausgabe schreibt, auch ein Zeichen gegen den Terrorismus sein.
Kenia, erste Station der Reise des Heiligen Vaters, galt lange Zeit als das „afrikanische Musterland“. Heute ist jedoch Al-Shabaab, die ostafrikanische Terrororganisation, eine allgegenwärtige Bedrohung in Kenia. Im April starben 147 Studenten bei einem Anschlag auf eine Universität in Garissa. Erst kürzlich wurde das Westgate Einkaufszentrum wiedereröffnet, in dem 2013 bei einem terroristischen Anschlag 67 Menschen ums Leben kamen. Die Islamisten greifen immer wieder Ziele in dem ostafrikanischen Land an, weil sie den Abzug der kenianischen Friedenstruppen aus Somalia erzwingen wollen, die dort seit 2011 die Einheiten der Afrikanischen Union (AU) unterstützen. Kenia war bereits 1998 Ziel eines verheerenden Terrorangriffs von Al-Kaida – mit mehr als 200 Toten und mehr als 4 000 Verletzten beim Anschlag auf die US-Botschaft in Nairobi.
Die Terror-Krise lenkt indes vom inzwischen niedergeschlagenen Verfahren gegen Präsident Uhuru Kenyatta und dem Prozess gegen Vizepräsident William Ruto in Den Haag ab. Kenyatta ist der Spross einer großen Politikerfamilie. Geboren wurde der Sohn des ersten Präsidenten des unabhängigen Kenias am 26. Oktober 1961. Den Namen Uhuru – Kisuaheli für „Freiheit“ – bekam er, weil die Befreiungskämpfe der Kenianer gegen die britische Kolonialherrschaft zu der Zeit ihren Höhepunkt erreicht hatten. Ruto musste bereits mehrfach vor dem Internationalen Gerichtshof erscheinen, doch wurde sein Prozess vertagt.
Im Fall Kenyattas ist Ende 2014 die Anklage zusammengebrochen, wohl auch, weil Zeugen aus Angst um sich und Angehörige ihre Aussagen zurückzogen. Kenias Präsident sollte der Prozess wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit gemacht werden. Er soll bei den Unruhen nach den Wahlen 2007 zu Mord, Vertreibung und Vergewaltigung aufgestachelt haben. Mehr als tausend Menschen kamen bei den Ausschreitungen ums Leben.
Chefanklägerin Fatouma Bensouda war überzeugt, sie besitze genügend Beweise, um die Staatsspitze Kenias verurteilen zu lassen. Sie beklagte jedoch mangelnde Kooperation und aktive Behinderung ihrer Ermittlungen in Kenia.
Im Übrigen sitzt das Stammesbewusstsein in Kenia tief, besonders rund um Wahlen kommt es immer wieder zu Unruhen. Der Präsident ist ein Kikuyu, der Chef des Oppositionsbündnisses Orange Democratic Movement (ODM), Raila Odinga, hingegen gehört dem zweitgrößten Volk, den Luo, an. Heute lähmt die Konkurrenz zwischen Kikuyus und Luos die kenianische Politik. Hinter den Machtkämpfen der Bündnisse oder Parteien verbirgt sich stets diese ethnische Rivalität: Wer an der Macht ist, versorgt in erster Linie sich selbst und die eigene Gemeinschaft.
Uganda, die zweite Station der Papstreise, ist – genau wie Kenia – immer wieder Ziel der Terroristen, da beide Länder Truppen nach Somalia geschickt haben, um gegen Al-Shabaab zu kämpfen. Uganda, im östlichen Zentrum Afrikas und unmittelbar am Äquator gelegen, erhielt von Winston Churchill wegen seiner vielfältigen und einzigartigen Naturschönheiten den Beinamen „Perle Afrikas“. Kostbar wie eine Perle sind die Nationalparks, der Regenwald. Das Land ist die Heimat der letzten Berggorillas („Gorillas im Nebel“). Die jüngere Geschichte Ugandas aber ist von Schreckensherrschaften und kriegerischen Auseinandersetzungen geprägt. Idi Amin, makabrer Polit-Clown und grausamer Machthaber zugleich, war von 1971 bis 1979 für die Ermordung von über 300 000 Oppositionellen verantwortlich. Idi Amin, der sich selbst „Dada“ (Großer Vater) nannte, trieb das einst blühende Land in den wirtschaftlichen Ruin. Im April 1979 wurde die Hauptstadt Kampala unter Führung tansanischer Truppen von ugandischen Rebellen befreit, unter denen auch der heutige Staatschef Yoweri Kaguta Museveni war. Doch in den Wahlen 1980 kam Milton Obote durch Wahlmanipulation an die Macht. Daraufhin ging Museveni mit einer Rebellenarmee gegen ihn vor und der folgende Guerillakrieg unter Obote (1980–1985) verlangte zahlreiche Todesopfer. 1986 eroberte Musevenis National Resistance Army (NRA) Kampala und Museveni wurde ohne Wahl als ugandischer Präsident vereidigt.
In den Folgejahrzehnten gab es vor allem im Norden Ugandas immer wieder bewaffnete Konflikte zwischen ugandischen Streitkräften und Rebellengruppen, vor allem der Lord's Resistance Army (LRA). 2006 nahm die ugandische Regierung Friedensverhandlungen mit den Rebellen auf. LRA-Anführer Joseph Kony verweigert dem Friedensvertrag jedoch seine Unterschrift. Kony wird vom Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag wegen Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit per Haftbefehl gesucht. Mittlerweile hat sich die LRA in die benachbarte Demokratische Republik Kongo, die Zentralafrikanische Republik und in den Südsudan zurückgezogen.
Mit der Machtübernahme von Museveni begann nach den Terror-Regimes von Idi Amin und Milton Obote ein neues Kapitel in der Geschichte Ugandas. Seither gab es viermal Präsidentschafts- und Parlamentswahlen, zuletzt am 18. Februar 2011. Aus allen Wahlen ging Museveni als Wahlsieger hervor. Vor der Wahl im Februar 2006 war das Mehrparteiensystem wieder eingeführt worden. Die Verfassung von 1995, geändert und ergänzt 2005, enthält einen Katalog von Grundrechten, darunter solche auf Versammlungs- und Meinungsfreiheit. Trotzdem bleiben Defizite und massive Probleme wie weit verbreitete Armut und Korruption. Die nächsten Wahlen finden im Februar 2016 statt.
Gerade bei der letzten Etappe der Papstreise in der Zentralafrikanischen Republik könne es zu kurzfristigen Programmänderungen kommen, erläuterte der Kommandant der vatikanischen Gendarmerie, Domenico Giani, gegenüber dem italienischen katholischen TV-Sender TV2000. Die Papstreise könne einige Sicherheitsrisiken bergen. Es gebe zwar keine konkreten Drohungen gegen den Papst von Seiten der Terror-Organisationen, allerdings werde der Papst ganz allgemein und oberflächlich von den Terroristen in ihrer Propaganda erwähnt. Der Papst aber will mit seiner wohl bisher schwierigsten Auslandsmission trotz anhaltender Konflikte in Zentralafrika für Verständigung und Versöhnung zwischen Christen und Muslimen werben.
Die Zentralafrikanische Republik gehört zu den ärmsten Ländern der Welt und verfügt über so gut wie keine Infrastruktur. Es ist ein Land, das außer Kontrolle geraten ist. Gewalt geht sowohl von christlich als auch muslimisch geprägten Milizen aus, die Religionszugehörigkeit als Vorwand benutzen, um Zivilisten der jeweils anderen Glaubensgemeinschaft anzugreifen. Nur im Ziel sind sich diese kriminellen Banden unter Führung des Anti-Balaka-Chefs Maxime Mokom und des ehemaligen Séléka-Führers Noureddine Adam einig: Sie wollen eine Verschiebung der Präsidentschaftswahlen erreichen und die Rückkehr des im März 2013 gestürzten Staatspräsidenten Francois Bozizé aus dem Exil durchsetzen. Angesichts der angespannten Stimmung ist an Wahlen nicht zu denken. Sie sollten ursprünglich am 18. Oktober stattfinden, wurden aber vorerst auf Dezember verschoben. Bremsklotz sind die andauernde Gewalt, die Vernichtung von Wahlunterlagen und die knappen Staatskassen. Übergangspräsidentin Catherine Samba-Panza darf bei den Wahlen nicht antreten.
Bei der Zivilbevölkerung sind die Milizen wegen ihres Terrors und der Instrumentalisierung der Religion verhasst. Der Erzbischof der zentralafrikanischen Hauptstadt Bangui, Dieudonné Nzapalainga, fordert daher ein klares „Nein“ zu Hass und Rache in seinem Land. Im Gespräch mit dem internationalen katholischen Hilfswerk „Kirche in Not“ schloss er sich den Warnungen der Vereinten Nationen vor einem drohenden Völkermord in der Zentralafrikanischen Republik an. Es sei jedoch falsch, von einem interreligiösen Konflikt zu sprechen. Die Gruppierung der Anti-Balaka, die in den Medien oft als „christliche Milizen“ dargestellt würden, bezeichnete er als eine „Selbstverteidigungsbewegung, die nun die Politiker abgehängt hat“. Es gehe den verfeindeten Milizen darum, die politische Macht an sich zu reißen und sich Bodenschätze zu sichern. Bedauerlicherweise habe der Machtkampf in den Medien einen religiösen Anstrich bekommen. Zur aktuellen Lage meint der Erzbischof von Bangui: „Es ist, als ob wir auf schwelender Glut säßen. Ein kleiner Funke genügt, damit sich die Flamme wieder entzündet.“ Bedeutsam sei daher der Besuch von Papst Franziskus: „Der Papst kommt, um unser Volk einzuladen, ein Land aufzubauen, in dem es Liebe und Brüderlichkeit gibt.“
Der Papst sorgt zugleich für ein absolutes Novum in der Kirchengeschichte: Das Heilige Jahr der Barmherzigkeit wird in Zentralafrika etwas früher als im Rest der Weltkirche eröffnet. Dieses „Jubiläum der Barmherzigkeit“ beginnt eigentlich mit der Öffnung der Heiligen Pforte im Petersdom am Hochfest der Unbefleckten Empfängnis Mariens (8. Dezember 2015) und endet am 20. November 2016 mit dem Christkönigssonntag. Während des Angelusgebets am 1. November sagte der Papst: „Ich will die betende Nähe der ganzen Kirche zu dieser so leidgeprüften, gequälten Nation zeigen und alle Zentralafrikaner dazu aufrufen, immer mehr Zeugen der Barmherzigkeit und der Versöhnung zu sein. Darum plane ich, am Sonntag, 29. November, die Heilige Pforte der Kathedrale von Bangui zu öffnen.“ Das Thema der Barmherzigkeit gegenüber den Leidgeprüften in dieser Region liegt Papst Franziskus besonders am Herzen. http://www.die-tagespost.de/Auf-schwelen...t;art456,165277
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