Brief aus der Peripherie: „Zuerst kommt das pastorale Schisma, dann das doktrinelle“ 23. November 2015 18:19 | Mitteilung an die Redaktion
Kommunikation Franziskus (Rom) Der Vatikanist Sandro Magister veröffentlichte die Gedanken „eines nicht-italienischen Kirchenmannes, dessen Name Vertraulichkeit verdient“. Von-Fall-zu-Fall-Pastoral statt Verkündigung ist ein gefährliches Spiel
von *** Nach der Synode erklärten einige Bischöfe und Kardinäle, daß die Kirche „aufmerksamer sein“, „unterscheiden“ und „begleiten“ solle. Man sucht die „Kunst der Seelsorge“ und der „Inklusion“ mit einem pastoralen Stil, von dem nicht nur das Schlußdokument der Synode getränkt ist, sondern auch viele Stellungnahmen von Vertretern der kirchlichen Welt.
Man sucht nach einem sensiblen Zugang zum Menschen unserer Zeit. Persönlich bin ich froh, daß sich der Priester im Beichtstuhl bemüht, meine besondere Situation zu verstehen, anstatt mich mit dem Katechismus zu ohrfeigen. Ist das aber auch ein geeigneter Zugang für die Massenmedien? Was geschieht, wenn nicht der Beichtstuhl, sondern die öffentliche Kommunikation von einer Von-Fall-zu-Fall-Mentalität beherrscht wird? Kann das Reden über die Sorge um das einzelne Individuum die Verkündigung ersetzen? Hat die Grundspannung zwischen Liberalen und Konservativen vielleicht auch mit der drohenden Gefahr zu tun, daß sich die Verkündigung der Lehre immer mehr verflüchtigt?
Das heutige Mediensystem mit seinen unzähligen digitalen Netzen stellt eine große Herausforderung dar. Die Globalisierung der Kommunikation durch interaktive Plattformen verändert den Prozeß der öffentlichen Meinungsbildung. Die Haltung der Kirche gegenüber dieser Realität verlangt eine andere Überlegung als für die örtliche Seelsorge.
Wenn ein sehr guter Seelenhirte, der den Menschen Gutes will, zu einem Homosexuellen im direkten Gespräch sagt, er will ihn nicht verurteilen, dann ist das etwas Gutes. Gesetzten Falles dieser gute Seelenhirte befindet sich aber in einem Flugzeug und sagt dieselbe Sache vor den Journalisten der ganzen Welt, haben wir es mit zwei ganz unterschiedlichen Ebenen zu tun. Im letzteren Fall fließen die Worte direkt in den kommerziellen und politischen Raum der medialen Ausbeute ein.
Fast alle westlichen Medien sind laizistischer oder agnostischer Prägung und interpretieren die kirchlichen Themen auf horizontaler Ebene, das heißt, auf politischer, historischer, soziologischer, nicht aber auf der ihnen entsprechenden vertikalen Ebene Richtung Gott. Was ist mit der transzendenten Dimension einer Botschaft? Der Erbsünde? Nein, das zählt alles nicht. Das einzige was zählt, ist der mediale Knüller. Der Leser oder der Zuseher will eine Geschichte, die für Aufsehen sorgt: „Die Kirche verurteilt Homosexuelle nicht mehr“. Das ist eine Nachricht! Und das nächste Kapitel? „Die Kirche ändert ihre Sexualmoral“. Und dann: „Die Gültigkeit der Zehn Gebote hängt von der Entscheidung des eigenen Gewissens ab.“ Der Haltbarkeitswert solcher Nachrichten ist aber dennoch nur kurz. Das Mediensystem verlangt immer neue Knüller. Wenn der pastorale Diskurs die Vermittlung der Doktrin ersetzt, ist das das Ergebnis einer falschen Medienpräsenz der Kirche.
Doch einige Hirten verstehen diese Mechanismen sehr gut. Vielleicht verstehen sie auch den Unterschied zwischen der Kommunikation in der Seelsorge und der Kommunikation in den Massenmedien. Vielleicht haben sie nur Angst vor den Medien. Sie haben Angst vor dem digitalen Mobbbing, vor dem Martyrium im Zirkus der veröffentlichten Meinung. Lieber also ein softiger Seelsorger sein, der niemanden verurteilt. Das kann so weit gehen, daß manche mit der Presse oder dem Fernsehen kokettieren oder sogar ein „Stockholm-Syndrom“ entwickeln: sich mit dem eigenen Entführer verbünden. Ist nicht das letztlich der Wunsch einer Kirche, die breite Zustimmung findet: eine privilegierte Kirche?
Was auch immer die Gründe sein mögen, die Verkündigung der Lehre ist derzeit in den Hintergrund getreten. Man erklärt nicht mehr, was die Kirche immer für wahr und gut erklärt oder was sie immer für falsch und schlecht erklärt. Man begnügt sich hingegen darauf, lediglich zu erklären, daß nicht alle Fälle gleich seien. Welche Folgen wird das haben? Was wird das für die Einheit der Kirche und die pastorale Praxis bedeuten? Was für die Evangelisierung? Unter den Gläubigen, die treu zur Lehre der Kirche stehen, verursacht das Verwirrung und Unbehagen. Das kann man bereits in zahlreichen Staaten feststellen. Die progressistischen Kreise nützen in der Zwischenzeit das Fehlen einer verbindlichen Verkündigung aus, um die Lehre zu relativieren und eine Anpassung an die Zeit zu verlangen. Das ist ein gefährliches Spiel. Es kann zu einem Schisma in der Kirche führen: zuerst in der pastoralen Praxis und dann sogar in der Lehre.
Was würde der Apostel Paulus tun? Er sprach am Areopag zu den Heiden nicht über eine situationsabhängige Seelsorge. Er sprach auch nicht sofort von Christus, sondern zuerst von der Kultur, der er dort begegnet war. Er zeigte seinen Zuhörern auf, daß er ihre Götter und ihre Heiligtümer in Athen gesehen hatte und daß er ihre Welt verstanden hatte. Er wußte: Je besser er ihre Welt verstand, desto besser würde er verstanden werden.
Zweifelsohne auch heute müssen wir neu zeigen, daß wir die Götzen des 21. Jahrhunderts verstanden haben, wie zum Beispiel den Optimierungskult, den Hedonismus oder die Technologisierung, um aufzuzeigen, daß wir Besseres zu bieten haben. Vorher jedoch müssen wir aber einsehen, daß wir das nicht nur durch eine Von-Fall-zu-Fall-Seelsorge machen können. Damit es gelingt, müssen wir vorher die Lehre der Kirche verkünden, und das passend für die Medien, aber nicht angepaßt an die Medien. Treu gegenüber dem Glauben, aber nicht mit dem Kommunikationsstil von gestern.
Jesuit Antonio Spadaro zur Frage: Verursacht Kommunikationsstil von Papst Franziskus Mißverständnisse?
Soweit der Brief aus der Peripherie. Sandro Magister verweist auf ein Aleteia-Interview mit dem Jesuiten Antonio Spadaro von der Civiltà Cattolica über den Kommunikationsstil von Papst Franziskus vom vergangenen April. Pater Spadaro gehört zu den engsten Vertrauten des Papstes, wie sich besonders rund um die Bischofssynode zeigte. Im Interview wurde die Frage gestellt, ob der Kommunikationsstil des Papstes nicht die Gefahr von Mißverständnissen in sich berge. Hier die Frage und Spadaros Antwort darauf.
Aleteia: „Besteht die Gefahr, mißverstanden zu werden? Einige Pfarrer klagen darüber, daß ihnen gegenüber den Gläubigen die Rolle der ‚Bösen‘ zufällt, die wiederverheiratet geschieden sind und zur Kommunion gehen wollen mit dem Hinweis: ‚Der Papst hat gesagt‘“?
Pater Antonio Spadaro: „Die Gefahr eines Mißverständnisses wegen der Worte des Papstes gibt es und ist Teil ihrer kommunikativen Fähigkeit. Die Kommunikation, wenn sie real ist, ist zweideutig. Wenn sie hingegen nur aus Presseerklärungen, aus Formeln und Lektionen besteht, ist das Wort eindeutig, kommuniziert aber nicht. Der Papst hat eine klare Wahl getroffen: die Seelsorge zu bevorzugen und zu den Menschen zu sprechen. Sicher eignet sich das zu möglichen Mißverständnissen, doch gleichzeitig bewegt es, es bewegt, das Volk Gottes, das an seine Hirten appelliert. Die Hirten sind heute gerufen, das Evangelium neu zu lesen, um es den Leuten besser zu erklären, die durch die Worte von Franziskus aufgerüttelt werden. Das Wort des Papstes ist nicht das Letzte, ist kein Definitives, das Urteil fällt, sondern das Wort, das imstande ist, das Volk Gottes zu bewegen und Prozesse anzustoßen. Das ist ein Schlüssel, um Bergoglio zu verstehen. Er ist nicht ein Papst, der Dinge tut, sondern einer der Prozesse anstößt.“ http://www.katholisches.info/2015/11/23/...as-doktrinelle/ Übersetzung: Giuseppe Nardi Bild: Settimo Cielo/Mi
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