Militärischer Einsatz auch katholisch zu rechtfertigen
Kriegsbilder des russischen Verteidigungsministeriums von Luftangriffen auf Rakka, Syrien. - EPA
16/12/2015 09:00SHARE:
Die Bundeswehr hat ihren Anti-ISIS Einsatz begonnen, in der Nacht auf Mittwoch flog erstmals ein deutsches Tankflugzeug, um Kampfjets in der Luft zu versorgen. Kardinal Reinhard Marx sagte jüngst in einem Interview, ein solcher Kriegseinsatz sei eine Niederlage. Er frage sich, ob der Bundeswehreinsatz in Syrien wirklich zu rechtfertigen sei. Doch es gibt auch katholische Stimmen, die diesen Einsatz befürworten, so etwa der ehemalige General Karl-Heinz Lather. Er engagiert sich im Stiftungsbeirat der Katholischen Friedensstiftung und hat mit Pia Dyckmans über den militärischen Einsatz der deutschen Bundeswehr in Syrien gesprochen.
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Karl-Heinz Lather: „Ich glaube, dass es richtig ist, dass wir uns an der Koalition beteiligen, die gegen den Islamischen Staat dort kämpft. Nicht zuletzt ist der Einsatz auch zu Stande gekommen wegen der Anschläge in Paris und weil Frankreich um Hilfe bei der EU gebeten hatte. Von daher versteht sich, dass wir solidarisch die Lasten Frankreichs mittragen.“ RF: Viele sprechen von einem Kriegseinsatz, die Regierung nennt es vehement „nicht Krieg". Was denken Sie, ist das Krieg, was wir da führen? Lather: „Ich würde es militärischen Einsatz nennen. Ein Krieg ist es nicht, weil bei einem Krieg sich nach dem internationalen Völkerrecht, so wie es nach dem Zweiten Weltkrieg die Vereinten Nationen verfasst haben, zwei Staaten bekämpfen. Wir aber erkennen ganz bewusst nicht den sogenannten Islamischen Staat als Staat an, sondern bezeichnen ihn als Terrororganisation.“ RV: Kardinal Marx hat in einem Interview noch einmal in Frage gestellt, dass dieser Einsatz überhaupt gerechtfertigt ist. Ist der Einsatz denn gerechtfertigt oder braucht man mehr Diplomatie? Lather: „Die Diplomatie war vielleicht nicht ganz gescheitert. Es laufen auch noch Gespräche in Wien, wo viele der Konfliktparteien miteinander versuchen eine diplomatische Lösung zu suchen. Wir haben in Saudi Arabien das Treffen der Gegner von Assad und dem IS gehabt, die haben sich darauf verständigt, dass man ohne Assad zu einem Kompromiss kommen könne. Das sind Dinge im Werden. Aber wir vergessen zu schnell, was in Paris geschehen ist, was auf den Islamischen Staat zurück zu führen ist. Und der Islamische Staat ist ununterbrochen dabei, schlimmste Dinge zu tun, von Enthauptungen bis hin zu Vergewaltigungen oder Versklavungen. Das alles gelingt es nicht zu bremsen, ohne dass man militärisch eingreift.“ RV: Der Syrienkonflikt dauert schon viele Jahre, auch der IS ist nicht erst seit gestern am Wüten im Irak und Syrien. Kommt der Einsatz nicht viel zu spät? Lather: „Da würde ich zustimmen. Aber anscheinend bedurfte es dieses schlimmen Anschlags in Paris, dass die deutsche Bevölkerung und der deutsche Bundestag dann die Hemmschwelle überwunden hat, sich dort militärisch zu engagieren. Es ist oft so in unseren westlichen demokratisch verfassten Staatsgefügen, dass wir einen solch schlimmen Anlass brauchen, bevor wir dann beginnen konkret zu handeln.“ RV: Die kirchliche Friedenslehre sagt, Krieg ist die ultima ratio. Militärische Gewalt darf nur in Betracht gezogen werden bei Aussicht auf Erfolg. Besteht diese Aussicht? Viele kritisieren den Einsatz, weil es keinen Plan und kein konkretes Ziel gibt. Lather: „Das mit der ultima ratio muss man direkt übersetzen, es bedeutet äußerstes und nicht letztes Mittel. Das ist mir ganz wichtig, und ich stehe komplett in der christlichen Friedensethik und engagiere mich auch in dem Bereich. Ich glaube, dass wir momentan an einer Schwelle sind, wo das Beschreiben des Zieles des Ganzen politisch noch nicht vollständig gelungen ist. Gleichzeitig handelt man schon militärisch. Das ist nicht die Ideallösung nach unserer Ethik, aber es kommt dem nahe. Zumal wir keine anderen Lösungen finden. Wir erleben jeden Tag die Unmengen von Flüchtlingen, die aus diesen Konfliktgebieten nach Europa streben. Wir müssen an die Ursachen heran, und ein Teil der Ursachenbekämpfung ist der militärische Anteil. Ich hoffe, dass es politisch gelingt, die verschiedenen Konfliktparteien zueinander zu bekommen, zu einer Konfliktlösung zu gelangen und dann eine friedliche Lösung zu finden. Das geht aber nicht ohne die Menschen vor Ort, die am stärksten von diesem Konflikt betroffen sind.“ RV: Bedeutet das, dass gerade aus katholischer Friedenslehren-Sicht ist dieser militärische Einsatz auch ohne konkreten Friedensplan gerechtfertigt wegen der Lage vor Ort? Lather: „Ich persönlich glaube das. Ich verstehe aber den ein oder anderen auch, der da rigoroser ist in seinem Urteil und sagt, die Politik hat noch nicht alle Möglichkeiten ausgeschöpft, um zu sagen, jetzt ist ultima ratio. Aber was muss denn noch Schlimmeres geschehen, als was Paris und die Menschen dort erlebt haben, damit wir zu einer politischen Entscheidung kommen?" (rv 16.12.2015 pdy)
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