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  • 19.12.2015 14:17 - Kita-Skandal in Mainz hinterlässt tiefe Wunden Kind wehrt drohende Schläge mit den Händen ab.
von esther10 in Kategorie Allgemein.

Kita-Skandal in Mainz hinterlässt tiefe Wunden
Kind wehrt drohende Schläge mit den Händen ab.


Bild Symbolbild Kindesmissbrauch

Video Entlassungen nach Kita-Skandal

VIDEO
http://www.heute.de/angeblicher-sexuelle...n-41542306.html

In Mainz sollen sich Kita-Kinder untereinander sexuell misshandelt haben - oder vielleicht doch nicht? Die Vorwürfe haben sich bisher nicht erhärtet, Kündigungen wurden aber längst ausgesprochen. Hier die Chronik eines Skandals, der wohl gar keiner hätte werden müssen.
Sie schaut die Besucher vor dem Arbeitsgericht nur kurz an. Sie wirkt unsicher, setzt sich direkt auf den Stuhl gegenüber der Richterbank. Sie spricht ein wenig mit ihrer Anwältin und wirkt, als ob sie am liebsten in einem tiefen Loch verschwinden möchte. "So, wie ich das jetzt einschätze, sind da ganz tiefe Wunden zurückgeblieben bei ihr", sagt Anwältin Kerstin Klein wenige Wochen nach dem Gerichtstermin über ihre Mandantin, deren Name nicht genannt werden soll.

Einige Medien sprachen von "Horror-Kita"

Die Frau ist eine von sieben Erziehern, denen nach Vorwürfen des sexuellen Missbrauchs unter Kindern in der katholischen Mainzer Kita gekündigt wurde. Unvorstellbar waren die Vermutungen, die vor gut einem halben Jahr die Titelblätter der Republik füllten. Da war etwa von einer "Horror-Kita" die Rede. Zahlreiche Gerüchte über Gewalt und Erpressung kursierten. Eines davon: Die Kinder von drei bis sechs Jahren sollen sich gegenseitig Gegenstände in den Po gesteckt haben. Und die sechs Erzieherinnen und ein Erzieher sollen von all dem nichts mitbekommen haben.

Das Bistum Mainz entließ sie alle fristlos wegen mangelnder Betreuung und Verletzung der Aufsichtspflicht - eine Hauruck-Aktion des Kita-Trägers. Am 11. Juni trat Generalvikar Prälat Dietmar Giebelmann vor die Presse, kämpfte mit den Tränen und rang um seine Worte. Er sei "fassungslos". "Wir können uns kaum erklären, wie diese Vorfälle über einen langen Zeitraum unbemerkt bleiben konnten", sagte Giebelmann. Auch der Kinderpsychiater Michael Huss machte bereits zeitnah die Feststellung: "Dieses Verhalten ist nicht normal. Auch wenn ich meine Berufsjahre Revue passieren lasse, fällt das eindeutig aus dem Rahmen."

"Verdacht nicht erhärtet"

Dann die unerwartete Wendung Ende November: Die Staatsanwaltschaft hatte wegen möglicher Verletzung der Fürsorge- und Erziehungspflichten ermittelt, 32 Kinder und mehr als 35 Eltern und Bezugspersonen befragt, Kinderärzte, Rechtsmediziner und Sachverständige zurate gezogen. Das vorläufige Ergebnis der Ermittlungen: "Die dem Verfahren zugrundeliegenden Vorwürfe haben sich nach dem bisherigen Ermittlungsstand nicht erhärtet; es haben sich bislang überwiegend entlastende Erkenntnisse ergeben", teilte die Staatsanwaltschaft mit.

Wenn Kerstin Klein heute das Verhalten der Kirche Revue passieren lässt, klingt sie erbost. Für sie sei der Auftritt des Generalvikars die Initialzündung gewesen, "als er gleich in der Presse verkündet hat, was stattgefunden hat und von einem 'Kartell des Schweigens' sprach. Da wurde nichts hinterfragt." Man habe ziemlich schnell mit einem "Ausrufezeichen und nicht mit einem Fragezeichen" berichtet, sagt Klein. "Man darf nicht vergessen, dass es dabei um Kinder geht. Dass da reagiert werden musste, war klar. Die Art und Weise war einfach unbesonnen."

Bistum: Damals klangen Vorwürfe glaubhaft.

Das Bistum äußerte sich nach den vorläufigen Ergebnissen der Staatsanwaltschaft in zwei Pressemitteilungen. Das Vorgehen des Bistums sei notwendig und erforderlich gewesen, erklärt Giebelmann in der Mitteilung. "Zum damaligen Zeitpunkt waren die Vorwürfe der Eltern glaubhaft." Das hätten Fachärzte bestätigt. "Im Falle eines schweren Verdachts der Verletzung von Aufsichtspflichten muss gehandelt werden, um einen möglichen weiteren Schaden von den betroffenen Kindern abzuwenden."

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Zudem beklagt die Kirche, dass die Mitarbeiter nicht bereit gewesen seien, aktiv an der Aufklärung mitzuwirken. Die wiederum kritisieren, dass zu wenig Erzieher für zu viele Kinder angestellt gewesen seien. Sie hätten sich überfordert gefühlt und um Hilfe gebeten. Diesen Vorwurf weißt das Bistum zurück. Ein Interview will Giebelmann nicht geben, bevor das Verfahren nicht vollständig abgeschlossen ist.

Wann es so weit sein wird, lasse sich noch nicht seriös sagen, erklärt die Leitende

Oberstaatsanwältin Andrea Keller. Es "hängt unter anderem davon ab, ob, wann und wie sich Verfahrensbeteiligte, zum Beispiel Anwälte der Erzieher, äußern werden und ob sich daraus Anlass zu weiteren Ermittlungsmaßnahmen ergibt." Die Akteneinsicht und die Fristen zur Stellungnahme liefen noch.

"Gefahr der suggestiven Beeinflussung"

Wie konnten sich die Vorwürfe so ausweiten? "Generell besteht insbesondere bei jüngeren Kindern die Gefahr der suggestiven Beeinflussung, das heißt Informationen, die sie von anderen erhalten, werden als scheinbar selbst Erlebtes in die Erinnerung aufgenommen", erklärt Kinder- und Jugendpsychiater Marc Allroggen aus Ulm. Dies könne beispielsweise passieren, wenn sehr direktiv gefragt wird, nach dem Motto "das war doch bestimmt so".

Staatsanwältin Keller sieht auch die Sorge der Eltern um das Wohlergehen der Kinder als Ursache. Kerstin Klein, die bereits Akteneinsicht hatte, sagt: "Meiner Meinung nach hat vor allem eine Mutter zusammen mit einer Mitstreiterin den Skandal ins Rollen gebracht. Sie hat persönlich Erlebtes auf das Kind übertragen - so habe ich es verstanden."

"Es kann nicht nichts gewesen sein"

Psychiater Huss bleibt weiter skeptisch: "Ich akzeptiere, dass es so gelaufen ist, ich hadere nicht mit dem Ergebnis", sagt er. Dennoch verweist er darauf: "Unser therapeutischer Eindruck ist, dass nicht nichts gewesen sein kann."

Im Gegensatz zu dem Job der Ermittler gehe es bei seinem Job nicht darum herauszufinden, was genau in der Kita vorgefallen oder auch nicht vorgefallen sei. Sondern, ob bei den Kindern eine Belastung vorliege. Er ist sich sicher, dass es nicht ausschließlich eine riesige Blase gewesen sei - "dafür haben mir die Kinder auch genügend Inhalte berichtet, bei denen ich Schwierigkeiten habe zu sagen, dass das alles erfunden ist." Huss betreut derzeit noch rund acht Familien.

Huss kritisiert auch Medien, die zunächst ein "schreckliches Kopfkino" gefördert hätten und nun in das andere Extrem verfielen und von einem "Fake" sprächen. "Ich glaube, die Wahrheit liegt in der Mitte." Möglicherweise hätte er sich anfänglich zurückhaltender äußern sollen, gibt auch er zu.

Bistum hält an Kündigung fest

Ende November bekam die Mandantin von Anwältin Kerstin Klein vor dem Arbeitsgericht Recht. Die Kündigung wurde für unwirksam erklärt, wegen inhaltlicher und formeller Fehler. Der Fall ist aber noch nicht erledigt. Das Bistum hat eine weitere Kündigung ausgesprochen. Auch dagegen will die Erzieherin vorgehen. Neben einem gerechten Urteil wünscht sie sich vor allem ein Signal der Kirche: "Natürlich wäre es schön, wenn eingeräumt würde, dass da zu schnell reagiert wurde."
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