Papst Franziskus und die verschwundenen Wörter „Ablaß“, „Strafe“, „Fegefeuer“ und „Gericht“ 21. Dezember 2015 Giuseppe Nardi Hintergrund, Liturgie & Tradition, Papst Franziskus, Top 0
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(Rom) „Ablaß und Fegefeuer waren konstitutive Elemente aller Jubeljahre, nicht aber von diesem. Der Papst spricht nicht mehr davon, so als würden sie einen Schatten auf den absoluten Vorrang der Barmherzigkeit werfen“, so der Vatikanist Sandro Magister.
Untrennbar verbunden mit einem Heiligen Jahr ist sein Charakter als Zeit der Gnade. Die katholische Kirche spricht von Indulgenz und meint damit den Nachlaß der Sündenstrafen. Als Gnadenmittel stellt sie daher Teilablässe und vollkommene Ablässe zur Verfügung, die von den Lebenden genützt, aber auch Verstorbenen zugewendet werden können. Zur Gewinnung eines Ablasses sind mehrere Bedingungen zu erfüllen. Eine zentrale Rolle kommt dabei der Beichte zu, in der die Sünden vergeben werden können. Die Gefahr der ewigen Verdammnis ist damit abgewendet, doch können die mit einer Sünde verbundenen zeitlichen Sündenstrafen bleiben. Um sich von ihnen zu reinigen, kommt ein Betroffenen in das Fegefeuer, eben den Ort der Reinigung. Die Ablässe verkürzen diese Zeit, indem Sündenstrafen nachgelassen werden.
Papst Franziskus hat es „bisher penibel vermieden, das Wort ‚Ablaß‘ auszusprechen
Doch Papst Franziskus habe es bisher penibel vermieden, das Wort „Indulgentia“ oder „Ablaß“ auszusprechen, so Magister. Weder bei der Öffnung der Heiligen Pforte im zentralafrikanischen Bangui noch bei der Öffnung der Heiligen Pforte am 8. Dezember im Petersdom oder jener der Lateranbasilika erwähnte der Papst die Sündenstrafen und die Möglichkeit ihres Nachlasses durch einen Gnadenakt. „Auch in den beiden Mittwochs-Katechesen, die er bisher dem Heiligen Jahr widmete, erwähnte er nichts davon.“
Um das Wort „Ablaß“ zu finden, muß man in der Ankündigungsbulle Misericordiae vultus für das Jahr suchen, die am 11. April 2015 veröffentlicht wurde. Auch im erläuternden Schreiben vom 1. September findet sich ein Hinweis, wo der Papst Anweisungen gibt, daß der Jubiläumsablaß weltweit gewonnen werden kann, auch für Verstorbene und auch von Gefangenen.
Auch die Ankündigungsbulle sagt nur vage, was ein Ablaß ist
„Doch nicht einmal hier wird gesagt, was genau ein Ablaß ist. Das Wort wird vielmehr als Synonym für die ‚Gottes Vergebung für unsere Sünden‘ gebraucht“, so Magister. Genau das aber ist der Ablaß nicht. Die Vergebung der Sünden und der Nachlaß der Sündenstrafen sind unterschiedliche Ebenen.
Nur in der Ankündigungsbulle wird der Ablaß etwas konkreter benannt, wenn es heißt:
„Im Sakrament der Versöhnung vergibt Gott die Sünden, die damit wirklich ausgelöscht sind. Und trotzdem bleiben die negativen Spuren, die diese in unserem Verhalten und in unserem Denken hinterlassen haben. Die Barmherzigkeit Gottes ist aber auch stärker als diese. Sie wird zum Ablass, den der Vater durch die Kirche, die Braut Christi, dem Sünder, dem vergeben wurde, schenkt und der ihn von allen Konsequenzen der Sünde befreit, so dass er wieder neu aus Liebe handeln kann und vielmehr in der Liebe wächst, als erneut in die Sünde zu fallen.“
Die zeitlichen Sündenstrafen, für die man ins Fegefeuer kommt, bezeichnet Papst Franziskus als „negative Spuren“. Ob die Gläubigen damit den eigentlichen Zusammenhang verstehen und die Bedeutung des dafür zur Verfügung stehenden Gnadenmittels bleibt dahingestellt. Die Formulierung bleibt „sehr vage“, so Magister. Wer mehr erfahren will, muß im Katechismus der Katholischen Kirche unter Nummer 1471 und folgende nachschlagen. Ein Hinweis oder eine Empfehlung dies zu tun, findet sich in der Bulle nicht.
Was sagt der Katechismus?
1471 Die Lehre über die Ablässe und deren Anwendung in der Kirche hängen eng mit den Wirkungen des Bußsakramentes zusammen.
Was ist der Ablaß?
„Der Ablaß ist Erlaß einer zeitlichen Strafe vor Gott für Sünden, die hinsichtlich der Schuld schon getilgt sind. Ihn erlangt der Christgläubige, der recht bereitet ist, unter genau bestimmten Bedingungen durch die Hilfe der Kirche, die als Dienerin der Erlösung den Schatz der Genugtuungen Christi und der Heiligen autoritativ austeilt und zuwendet.“
„Der Ablaß ist Teilablaß oder vollkommener Ablaß, je nachdem er von der zeitlichen Sündenstrafe teilweise oder ganz freimacht.“ Ablässe können den Lebenden und den Verstorbenen zugewendet werden (Paul VI., Ap. Konst. „Indulgentiarum doctrina“ normæ 1-3). Der Katechismus erklärt auch, was „Sündenstrafen“ bedeutet:
Die Sündenstrafen
1472 Um diese Lehre und Praxis der Kirche zu verstehen, müssen wir wissen, daß die Sünde eine doppelte Folge hat. Die schwere Sünde beraubt uns der Gemeinschaft mit Gott und macht uns dadurch zum ewigen Leben unfähig. Diese Beraubung heißt „die ewige Sündenstrafe“. Andererseits zieht jede Sünde, selbst eine geringfügige, eine schädliche Bindung an die Geschöpfe nach sich, was der Läuterung bedarf, sei es hier auf Erden, sei es nach dem Tod im sogenannten Purgatorium [Läuterungszustand]. Diese Läuterung befreit von dem, was man „zeitliche Sündenstrafe“ nennt. Diese beiden Strafen dürfen nicht als eine Art Rache verstanden werden, die Gott von außen her ausüben würde, sondern als etwas, das sich aus der Natur der Sünde ergibt. Eine Bekehrung, die aus glühender Liebe hervorgeht, kann zur völligen Läuterung des Sünders führen, so daß keine Sündenstrafe mehr zu verbüßen bleibt [Vgl. K. v. Trient: DS 1712-1713; 1820].
1473 Die Sündenvergebung und die Wiederherstellung der Gemeinschaft mit Gott bringen den Erlaß der ewigen Sündenstrafen mit sich. Zeitliche Sündenstrafen verbleiben jedoch. Der Christ soll sich bemühen, diese zeitlichen Sündenstrafen als eine Gnade anzunehmen, indem er Leiden und Prüfungen jeder Art geduldig erträgt und, wenn die Stunde da ist, den Tod ergeben auf sich nimmt. Auch soll er bestrebt sein, durch Werke der Barmherzigkeit und der Nächstenliebe sowie durch Gebet und verschiedene Bußübungen den „alten Menschen“ gänzlich abzulegen und den „neuen Menschen“ anzuziehen [Vgl. Eph 4,24]. Jubeljahre waren in der Geschichte Zeiten besonders großzügiger Gnadenakte
Die Heiligen Jahre waren in der Kirchengeschichte die Momente, in denen besonders großzügig Gnadenakte gewährt wurden, um die Menschen mit Gott zu versöhnen und ihnen Erleichterung für den Eintritt in den Himmel zu verschaffen. Deshalb kamen den Jubeljahren besondere Bedeutung zu, so auch dem zuletzt unter Johannes Paul II. begangenen Heiligen Jahr 2000.
In der Ankündigungsbulle Incarnationis mysterium vom 29. November 1998 wurde die Bedeutung des Ablasses genau erklärt. Die Apostolische Pönitentiarie erließ im Auftrag des polnischen Papstes präzise Anweisungen, unter welchen Bedingungen ein vollständiger Jubiläumsablaß gewonnen werden konnte.
Auch „Strafe“ und „Gericht“ gehören zu den verschwundenen Wörtern
Für das Heilige Jahr der Barmherzigkeit erging keine solche Anweisung an die Pönitentiarie. „In dem von Franziskus ausgerufenen Jubeljahr der Barmherzigkeit ist das alles faktisch beiseitegelegt. Es scheint, als würde die Apostolische Pönitentiarie nicht einmal zu existieren“, so Magister. Der Papst verbreite unablässig eine Botschaft von Barmherzigkeit, universeller Vergebung, vollkommener Sündentilgung, aber alles ohne einen ausdrücklichen Hinweis auf die Sündenstrafen und deren Nachlaß.
„Das Wort ‚Strafe‘ ist ein anderes verschwundenes Wort. In der Ankündigungsbulle und dem folgenden Schreiben findet es sich nur drei Mal am Rande: in einem Zitat des Propheten Hosea und in zwei Hinweisen auf die irdische Gerechtigkeit und die Lebensbedingungen der Gefangenen“, so Magister.
Mit der „Strafe“ ist auch das „Gericht“ verschwunden. Jedenfalls findet sich bei Papst Franziskus kein Hinweis. Ganz im Gegenteil, wie seine Predigt vom 8. Dezember zur Eröffnung des Heiligen Jahres zeigt, wo er sagte:
„Wieviel Unrecht wird Gott und seiner Gnade getan, wenn man vor allem behauptet, dass die Sünden durch sein Gericht bestraft werden, anstatt allem voranzustellen, dass sie von seiner Barmherzigkeit vergeben werden (vgl. Augustinus, De praedestinatione sanctorum 12,24)! Ja, genauso ist es. Wir müssen die Barmherzigkeit dem Gericht voranstellen, und in jedem Fall wird das Gericht Gottes immer im Licht seiner Barmherzigkeit stehen.“ Franziskus schafft nichts ab, ordnet aber Hierarchie der Wahrheit neu
Franziskus lege nicht Hand an die überlieferte Lehre, „er schafft nichts ab“, so Magister. „Er ordnet aber die Hierarchie der Wahrheit neu“ und habe keine Probleme, Teile der Lehre der Vergessenheit anheimzustellen, „die er für marginal hält“.
Doch jeder Eingriff in die Lehre, auch neue Gewichtungen, haben Auswirkungen. Indem der Ablaß und die Sündenstrafen in die Abstellkammer wandern, verschwindet auch das Fegefeuer. Können sie Katholiken überhaupt noch etwas darunter vorstellen? Wer dazu etwas wissen will, muß zumindest in das Pontifikat von Benedikt XVI. zurückgehen, der in einer Katechese vom 12. Januar 2011 darüber sprach und in seiner denkwürdigen Enzyklika Spe salvi vom 30. November 2007. http://www.katholisches.info/2015/12/21/...er-und-gericht/ Text: Settimo Cielo/Giuseppe Nardi Bild: MiL
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